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Die Olive und wir. Hugo PortischЧитать онлайн книгу.

Die Olive und wir - Hugo Portisch


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wir von eurem Leben. Bis jetzt scheint mir, dass ihr mehr oder minder dieselben Fehler begangen habt wie die meisten Menschen. Da war viel Leichtsinn, viel sündige Gedankenlosigkeit und wenig Respekt für mich – aber lassen wir das. Jetzt scheint ihr an einem gefährlichen Wendepunkt angelangt zu sein. Es ist nicht üblich, dass ich mich einmische, aber in eurem Fall will ich Gnade vor Recht ergehen lassen und euch ernstlich warnen, bevor es zu spät ist!“

      Das Letztere fügte Gott hinzu, als wäre es schon bald zu spät. Mir blieb das Herz stehen.

      „Ihr habt einen Bauernhof gekauft.“

      Wir nickten beide. Worauf sollte das hinaus?

      „Wie groß ist er?“

      „Ungefähr vier Hektar“, sagten wir wie aus einem Munde. Aber wir wissen, dass Gott das ja weiß, also ist die Frage eine Art Anklage.

      „Ungefähr? Heißt das, dass ihr das nicht genau wisst? Was baut ihr an?“

      „Oliven, Wein, Obst und Gemüse.“

      „Versteht ihr etwas davon?“

      Wir sahen einander entsetzt an. „Nicht genug“, sagten wir. Gott kann man nicht belügen.

      „Habt ihr Betriebswirtschaft gelernt?“

      Wir erstarrten. Gott und die Betriebswirtschaft!

      Wir stotterten: „Nein.“

      Ist Gott wirklich allwissend? Ein strafender Blick traf mich.

      „Wisst ihr, dass nicht nur jeder Grashalm und jeder Baum, sondern auch jeder Käfer und jede Schlange und sogar die Skorpione auf eurem Grund mir gehören? Wisst ihr, dass euch eigentlich gar nichts gehört? Alles in eurer Hand ist nur ein Lehen.“

      Ich dachte, jetzt wird Gott mittelalterlich. Aber mir war klar, worauf das alles hinaus wollte, und ich begann mich zu fürchten.

      „Ihr habt dieses Land gekauft, aber ihr wusstet nicht, wie groß die Verantwortung ist, die ihr da übernommen habt! Stimmt es nicht, dass eure Olivenbäume nicht immer rechtzeitig gepflegt werden und dass dadurch schon einige einen jämmerlichen Tod sterben mussten, der gar nicht notwendig war?“

      Wir nickten traurig. Gottes Auge ist überall, dachte ich und erinnerte mich an einen Spruch in meinem Stammbuch. Vor mir funkelte plötzlich auf Gottes Stirn das allwissende Auge, dreieckig, groß und sehr böse.

      „Das allein verdient schon viele Jahre Fegefeuer“, sagte Gott. „So ein Leichtsinn.“

      „Ja“, sagten wir. Was hätten wir sonst sagen sollen?

      „Ich werde euch eine Frist von fünf Jahren geben. Bis dahin will ich Resultate sehen! Resultate!“, grollte seine Stimme durch die Wolken und schwoll an wie Donner. Blitze zuckten um uns herum. Ich versteckte mich hinter meinem Mann, wie es einst Eva getan hatte – ohne Erfolg. Das Auge durchdrang mich.

      „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du arbeiten. Versteht ihr das? Denn wenn ihr jetzt nicht schwitzt, dann müsst ihr später schwitzen! Ihr wisst schon, was ich meine.“ Gott zwinkerte mir zu, er hatte einen göttlichen Witz gemacht. Wir hatten ihn verstanden.

      „In fünf Jahren werdet ihr gelernt haben, alles selbst zu pflügen, zu säen, zu schneiden, zu spritzen und zu ernten. In fünf Jahren wird euer Stückchen Erde eine Augenweide sein. Wenn nicht …“ Gott aber wollte nicht nur drohen. Und deshalb fügte er etwas milder hinzu: „Geht rasch an die Arbeit, fünf Jahre sind eine kurze Zeit!“

      Damit drehte sich Gott plötzlich um und wandte sich einem anderen Menschenpaar zu, das aus dem Nichts unvermittelt auf der anderen Seite der Wolke erschienen war.

      Wir waren entlassen. Zwischenbilanz negativ.

      Mein lieber, praktischer Mann meinte, als wir dann zusammen wieder vom Nebel verschlungen wurden: „Am besten, wir verkaufen das Ganze gleich einem, der wirklich etwas davon versteht und die Sache richtig macht.“

      Da schrie ich, und die Wolken rund um mich hallten wider von meinem Schrei: „Nein, nein, nie werden wir dieses gottvolle Stückchen Erde verkaufen. Und wenn ich 100 Mal selbst mit dem Pflug gehen müsste und dabei umfalle und mir alle Knochen bräche, wenn ich mir beim Sägen die Finger abschneide und weiß Gott, ich meine, weiß der Himmel, ich meine, das ist ja gleichgültig. Nein, nein, wir dürfen nicht aufgeben!“ Und ich schrie und schrie, bis ich schweißgebadet aufwachte.

      Das Haus

      Il fabbricare è un dolce impoverire. Bauen ist eine süße Art, ärmer zu werden.

      Es ist interessant, dass unser Haus für jeden etwas ganz anderes zu sein schien, als wir es zum ersten Mal sahen. Mein Mann sah nur eine Ruine, vor der ihm eher schauderte, besonders wenn er daran dachte, was da noch zu tun war, um daraus auch eine menschliche Behausung zu machen. Er sah die hässlichen, halb verputzten Wände, den verfallenen, schmutzigen Ziegenstall, das aus der Scheune quellende verfaulte Stroh und die triste Fassade.

      Er sah den öden Hof aus gestampfter Erde, und im Hause drinnen sah er nur die grauschwarzen Wände, den halb zerstörten Kamin und unzählige Mäusespuren und die Fledermäuse. Die beiden Wespennester unter dem Dach entgingen ihm nicht, noch der modrige Geruch, den es in alten Häusern gibt, die lange nicht bewohnt waren. Die Fensterstöcke waren zum Großteil herausgebrochen und die meisten Türen nicht mehr zu verwenden. Das alles sah er.

      Ich aber sah etwas ganz anderes. Ich sah die traurige Fassade und dachte sofort, dass man da einiges tun musste, um dem Ganzen ein freundlicheres Gesicht zu geben. Vielleicht eine Arkade, wie sie viele Häuser hier haben. Ich sah die vielfältigen Dachkonstruktionen, die im Laufe von Jahrzehnten, ja wahrscheinlich Jahrhunderten, entstanden waren. Ich sah vor allem die Einmaligkeit der Lage, denn von der Terrasse vor dem Haus sah man hinüber auf sanfte toskanische Hügel und dahinter die Pisaner Berge.

      Das Haus lag in einem großen Olivenhain, der zu dieser Jahreszeit – es war November – silbrig glänzte. Ich sah die Pracht der beiden Zitronenbäume, die auf der Terrassenseite des Hauses als Spalier an der Wand standen, aber sie gefielen auch meinem Mann und allen, die je unser Haus gesehen haben.

      Die Scheune ließ mich in Entzückungsrufe ausbrechen, denn im Geiste sah ich schon daraus ein schönes Nebenhaus werden. Im Haus selbst sah ich die großen Bottiche, in denen einst Wein gekeltert wurde, und das herrliche Mauerwerk aus uraltem Stein. Das war die Cantina, der Weinkeller, denn in der Toskana waren die Keller immer ein Teil des Wohnhauses und ebenerdig.

      „Was sollte man denn aus der Cantina machen?“, fragte mein Mann zweifelnd, und ich antwortete, ohne nachzudenken: „Das wird unser Wohnzimmer.“

      Dabei hatten wir das Haus bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gesehen und wussten auch nicht, ob es überhaupt zum Verkauf stand. Für meinen Mann waren die Geister dieses Hauses abweisend, während sie für mich einladend waren. Das ist ein gutes Haus, dachte ich, hier kann man leben. Der zerfallene Kamin in der Wohnküche schüchterte mich nicht ein, noch störten mich die Mäusespuren, im Gegenteil, die fand ich eher lustig – schließlich waren wir ja auf dem Land! Natürlich müsste man den Kamin wegreißen, denn der war wirklich nicht mehr zu verwenden. Aber das war kein Grund zum Verzweifeln! Ich sah die herrlichen alten Ziegelböden, die fast durchwegs noch zu gebrauchen waren, und bei mir lagen da schon Woll- und Flickenteppiche darauf, die dem Haus etwas mehr Freundlichkeit geben würden. Als wir in den ersten Stock stiegen, konnte auch mein Mann nicht umhin, sich an der herrlichen Aussicht zu begeistern. Von hier sah man hinaus in die Ebene durch ein stilles Tal mit Zypressen, Pinien und Olivenhainen. Herrschaftliche Villen standen da unten, und über allem lag ein zarter Herbstnebel, der alles verzauberte.

      „Das Wespennest bringt Glück“, sagte ich.

      „Du bist nicht objektiv“, sagte mein Mann. „Das Haus ist eine Ruine!“

      „Aber schau doch, wie schön diese alten Balken an den Decken sind! Und die Steintreppen! Hast du je etwas so Schönes gesehen?“

      Also, wir waren keineswegs


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