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Die Olive und wir. Hugo PortischЧитать онлайн книгу.

Die Olive und wir - Hugo Portisch


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und wir müssen das verstehen.

      Alle diese Entdeckungen mussten doch einen Mitteleuropäer begeistern! Etwas weniger Begeisterung zeigten wir, als wir den ersten kleinen Skorpion sahen, und noch viel weniger, als uns die erste Viper begegnete.

      Wir wussten, dass es Vipern gab, und gingen durch das hohe Gras auch immer in Stiefeln, aber uns schien es, dass man sie doch nur sehr selten zu Gesicht bekam. Die Bauern jedenfalls redeten kaum darüber. Als sich dann eine Viper dicht vor unserer Gartentür unter dem Strahl eines Gartenschlauches auf uns zu bewegte, waren wir sehr überrascht und erschrocken.

      Was die Skorpione betrifft, so sagen die Bauern, dass sie nicht ärger stechen als eine Biene, dass sie aber in den Monaten mit „R“ giftiger sind als sonst. Jedenfalls sind sie sicher viel kleiner als afrikanische Skorpione. Wir bringen sie nicht um, sondern befördern sie mit einer Schaufel in den Weingarten, obwohl wir wissen, dass sie sehr bald wieder zum Haus zurückkehren werden. Warum sie ausgerechnet die menschliche Gesellschaft bevorzugen, weiß ich nicht, aber ich vermute, dass dort, wo Menschen sind, auch Wasser ist, besonders unter Blumentöpfen oder Sonnenschirmständern. Etwas Feuchtigkeit brauchen sie, und sie können sich unter einem Blumentopf so flach machen, dass man sie dort nicht vermuten würde. Wenn sie laufen, sind sie zwar sehr schnell, aber auch wehrlos. Ein Tritt, und das Leben des Skorpions ist vorbei. Es scheint mir, dass wir einen sehr unfairen Vorteil ihnen gegenüber haben. Unsere Katze aber nimmt sie nicht ernst und spielt mit ihnen ganz so, als hätten sie keinen Giftstachel.

      Manche Vögel in dieser Gegend bauen ihre Nester nicht in den Bäumen, sondern in den Löchern der Böschungen und wären deshalb jedem Zugriff einer Katze oder eines Hundes ausgesetzt, gäbe es nicht die vielen wilden Brombeersträucher, die den Zugang zu ihren Nestern mit ihren stacheligen Zweigen versperren. Die zart belaubte Olive bietet ihnen zu wenig Schutz, und die Zypressen haben so eng stehende Äste, dass sie wenig Platz für den Nestbau zulassen. Im Hof erhebt sich jedoch ein großer Lorbeerbaum, und darin finden sich viele Vögel, vor allem Rotkehlchen, Jahr für Jahr zum Nestbau ein.

      Die Jagd auf kleine Vögel wird den Italienern immer wieder sehr übel genommen. Sie empört die Tier- und Naturschützer. Zu Recht. Aber dass es so ist, dafür gibt es eine sozialhistorische Erklärung, die wir uns anhören mussten, als auch wir die Vogeljagd kritisierten.

      Wie bei uns, gab es auch in Italien Bauernaufstände, die sich gegen die meist adeligen Großgrundbesitzer richteten. Die Bauern aber waren de facto Leibeigene, kaum einer besaß eigenen Grund, auch kein eigenes Haus, sie arbeiteten für die adeligen Herren und mussten ihnen den Großteil der Ernte abliefern. Im Besonderen verboten aber war die Jagd. Wer einen Hasen oder einen Fasan oder gar ein Reh erlegte, wurde hart bestraft mit Gefängnis und Zwangsarbeit. Gegen all das empörten sich die Bauern, und es kam zu blutigen Aufständen. Nördlich der Alpen erzwangen die Bauern ihre Freiheit und eigenen Grundbesitz. In Italien waren sie nicht so erfolgreich, nur die abzuliefernde Erntemenge wurde reduziert. Aber man gewährte ihnen ein lang ersehntes Recht – das Recht auf die Jagd. Von nun an durften sie Jagdgewehre besitzen und jagen auf den Gründen, die sie bearbeiteten. Das Gewehr und die Jagd wurden damit zum Statussymbol der Bauern. Die jagdbaren Tiere auf den Gründen aber waren bald ausgerottet, die Hasen, Fasane und Rebhühner. Die Rehe im Wald, die Hirsche und Wildschweine durften weiterhin nur die Waldbesitzer jagen. Deswegen schoss man auf die noch verbliebenen Vögel und tut dies auch noch heute, wenn auch Zeiten und Tage für die Jagd gesetzlich beschränkt worden sind.

      Was nun die Vögel betrifft, so haben einige Vogelarten die ihnen drohende Gefahr erkannt und flüchten im Herbst beim ersten Schuss in die nahe Stadt, wo sie sich im Kurpark einfinden. Sie sind schlau und wissen, wo sie vor den Jägern in Sicherheit sind.

      Vor uns spricht man nicht von der Vogeljagd. Und der Baumeister zeigt uns auch nicht seine kleinen Käfige, in denen er die Lockvögel hält, wie er es bei anderen Besuchern voller Stolz tut. Ich aber hoffe, dass alle diese vielen Lockvögel, die in winzigen Käfigen ihr Leben fristen müssen, eines Tages doch durch ein Gesetz endlich frei werden!

      Unser Dschungel artet zur Jagdzeit zu einer regelrechten Vogelfalle aus, denn die Jäger bauen sich dort kleine Hütten aus Zweigen, mit Schlitzen, um ungesehen auf die Vögel zu schießen. Wir könnten sie zerstören, aber das würde wohl nur zu Streit führen, noch dazu ohne Erfolg, wie ich mich von den Carabinieri belehren lassen musste. Doch davon wird noch später zu berichten sein. So warten wir auf die nächste Volksabstimmung, die hoffentlich das Ende dieser Art von Jagd bedeuten wird.

      Vom Dschungel kann man zum Weingarten durchstoßen und danach über die Oliventerrassen zu unserem Haus gehen. Heute ist das Haus umgeben von blühenden Büschen und Blumen, von Geißblatt und Jasmin, und vor allem geschmückt von den beiden Spalierbäumen an der Südwand. Vor Jahren gab es eine stürmische Winternacht, in der die Temperatur auf minus 21 Grad Celsius sank. Eine seit Jahrhunderten nicht erlebte Kälte. Wir waren damals nicht anwesend, und als wir wiederkamen, gab es auf den Zitronenbäumen kein einziges Blatt mehr, alles abgefroren. Wir waren verstört. Das Haus war wie verwandelt. Die leeren Äste am Spalier sahen aus wie Skelette. Da gab es nur eines: Die Bäume bis auf ungefähr 50 Zentimeter abzusägen und zu hoffen, dass beide Bäume wieder austreiben würden.

      Doch im Frühjahr geschah etwas Seltsames: Beide Bäume trieben aus, einer viel stärker als der andere, aber immerhin! Im Spätfrühjahr sahen wir dann, dass der eine Baum dunklere Blätter hatte. Und als sie Früchte trugen, stellte es sich heraus, dass der stärkere Baum eine Bitterorange geworden war, während der andere eine Zitrone geblieben ist. Offenbar war die Zitrone auf dem Stamm einer Bitterorange veredelt worden, und wir hatten sie unterhalb der Veredelung abgeschnitten. Heute bringt der Orangenbaum viele Kilo Bitterorangen hervor, von denen wir mühevoll, aber begeistert eine Orangenmarmelade kochen, wie man sie in England kaum besser macht.

      Bei uns wachsen auch Blumen, die in Mitteleuropa den Winter nie überdauern würden. Die Passiflora bedeckt unser Glashaus, damit die Sonnenstrahlen im Inneren nicht alles versengen. Aber die Hitze muss man mögen und ertragen können, denn im Sommer ist es schon merklich heißer als nördlich der Alpen. Wenn dann die Zikaden in der vor Hitze zitternden Mittagsluft zirpen und die Eidechsen regungslos auf der Mauer liegen, scheint es, als würde die Welt stillstehen. Alles ringsumher sinkt in einen Trancezustand. Man selbst hat Angst, diese Stille zu stören. Wenn das Gezirpe der Zikade verstummt, hört man jedes Blatt, das sich bewegt.

      Die Nachbarn

      Al bisogno si conosce l’amico. In der Not lernt man die Freunde kennen.

      An einem Sonntagmorgen standen sie da, vor unserem Haus, vier Männer, die uns zu sprechen wünschten. Es waren unsere Nachbarn, die Bauern von den Grundstücken, die an das unsere grenzen. Wir kannten sie schon, aber eben nur vom Sehen und Grüßen. Und wir hatten auch nicht damit gerechnet, als Fremde, als Städter, als Ausländer, von ihnen so bald akzeptiert zu werden. Nun waren sie gekommen, doch was wollten sie? Etwas umständlich stellten sie sich vor mit Vornamen und Familiennamen, aber auch mit dem Hinweis, man möge sie nur mit dem Vornamen ansprechen.

      Sie hätten uns nun schon eine Weile zugeschaut, und gerne gäben sie zu, dass dies nicht ganz ohne Misstrauen war. Wer wir doch seien, wie wir uns doch verhalten würden, was wir da vorhätten und was nun aus dem Haus und dem Grund werden würde. Ein Haus und ein Grund, die sie alle sehr gut kannten. Die vor uns in dem Haus gelebt hatten, waren ihre Nachbarn und ihre Freunde. Sie waren ausgewandert, die Söhne wollten nicht mehr bleiben, sie gingen in die Industrie, in die Stadt. Das war nicht nur der Verlust von Nachbarn und Freunden, das war auch eine Herausforderung für sie alle: Sollte man nicht Gleiches tun? Lohnte es sich noch, auf dem Lande zu bleiben? Konnte man aus dem Land überhaupt noch einen ausreichenden Lebensunterhalt erwirtschaften? Zum Teil waren sie noch Pächter, zum Teil hatten sie die Häuser und Gründe schon erworben, doch waren sie alle mehr oder weniger in der gleichen Lage: Mit vier bis fünf Hektar waren die Gründe an sich zu klein, um die Familien zu ernähren. Aber ihre Häuser boten eine gute Heimstatt, und die Arbeit machte ihnen Freude. Und sie wussten auch, wie herrlich schön es hier war, eine Natur und eine Landschaft, von der sie sich nicht trennen wollten.

      Sie wussten sich zu helfen, sie erfanden für sich, was vor ihnen


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