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Deutsche Geschichte. Ricarda HuchЧитать онлайн книгу.

Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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ih­rem durch Sümp­fe ge­schütz­ten Ge­biet und durch ihre un­wi­der­steh­li­che Tap­fer­keit un­ab­hän­gig zu hal­ten ge­wusst. Ihre nach­bar­li­chen Feh­den, die sich zu­nächst ge­gen die Ol­den­bur­ger Gra­fen rich­te­ten, de­ren Vög­te sich al­ler­lei Über­grif­fe er­laub­ten, ver­lie­fen zu ih­ren Guns­ten. In den Kämp­fen zwi­schen den Stau­fern und Wel­fen nah­men sie bald auf die­ser, bald auf je­ner Sei­te teil, ohne je eine an­de­re Po­li­tik zu ver­fol­gen als die Be­wah­rung ih­rer Selbst­stän­dig­keit. Vi­el­leicht hät­te das Ge­schick der Land­schaft sich an­ders ge­stal­tet, wenn die be­reits mäch­tig auf­blü­hen­de Stadt Bre­men sich mit den Ste­din­ger Bau­ern ver­bün­det hät­te; aber dar­an wur­de auf bei­den Sei­ten nicht ge­dacht. Nur auf sich selbst ge­stellt wa­ren die Ste­din­ger, als Ger­hard II. es un­ter­nahm, die Frei­en zu un­ter­wer­fen, ein­zig ei­ni­ge Mi­nis­te­ria­le, de­ren Bur­gen an der Gren­ze der Marsch la­gen, wie die von Hör­spe und die von Bar­den­fleth, auch ei­ni­ge, die auf der ho­hen Geest wohn­ten, schlos­sen sich ih­nen an. Am Weih­nachts­abend 1229 fand die große Schlacht statt, in der der Füh­rer des erz­bi­schöf­li­chen Hee­res, Ger­hards ei­ge­ner Bru­der, er­schla­gen wur­de. Kurz vor­her war sein an­de­rer Bru­der, Bi­schof Otto von Müns­ter, auf dem Moo­re von Coe­vor­den von Frie­sen be­siegt und ge­tö­tet, ein Bru­der Diet­rich, Propst von De­ven­ter, ge­fan­gen­ge­nom­men; so war der Erz­bi­schof auch durch die Blut­ra­che zum Füh­rer im Kamp­fe des Adels ge­gen die Bau­ern be­ru­fen. Nach­dem die Kraft der frei­heits­s­tol­zen Ste­din­ger sich so ver­häng­nis­voll of­fen­bart hat­te, griff der Erz­bi­schof zu ei­nem un­ed­len Mit­tel, des­sen Wirk­sam­keit sich aus dem Tau­mel er­klärt, in den die Men­schen durch ge­schickt ver­wen­de­te Schlag­wör­ter ver­setzt wer­den kön­nen. Wer einen Feind hat­te, be­müh­te sich, seit die Aus­rot­tung der Hä­re­sie als eine drin­gen­de Auf­ga­be von Staat und Kir­che er­klärt wor­den war, den Feind zu ver­ket­zern; dann ge­lang es, ihn zu ver­ein­sa­men, nicht nur nach­bar­li­che, son­dern auch staat­li­che und kirch­li­che Hil­fe zu sei­ner Ver­nich­tung auf­zu­bie­ten. Be­reits wur­de im Bis­tum Müns­ter das Kreuz ge­gen frie­si­sche Bau­ern ge­pre­digt; nun ließ Ger­hard II. auf ei­ner Di­öze­san-Synode in Bre­men die Ste­din­ger für Ket­zer er­klä­ren, was er da­mit be­grün­de­te, dass sie die Sa­kra­men­te ver­ach­te­ten, die Leh­re der Kir­che für Tand er­klär­ten, dass sie Kir­chen und Klös­ter durch Raub und Brand ver­wüs­te­ten, dass sie mit des Her­ren Leib ab­scheu­li­cher ver­füh­ren, als der Mund aus­spre­chen dür­fe, dass sie von bö­sen Geis­tern Aus­kunft be­gehr­ten, wäch­ser­ne Bil­der be­rei­te­ten und sich von wahr­sa­gen­den Frau­en Rat hol­ten. Es wa­ren zum Teil die glei­chen An­schul­di­gun­gen, die schon zu Bo­ni­fa­zi­us’ Zeit er­ho­ben wa­ren und noch er­ho­ben wer­den könn­ten. Dass al­ler­lei Aber­glau­be bei den Ste­din­gern wie über­all auf dem Lan­de im Schwan­ge war, ließ sich so we­nig leug­nen, wie dass sie im Kamp­fe um die Un­ab­hän­gig­keit Klös­ter zer­stört hat­ten. Kir­chen gab es in die­sen, vor der An­sied­lung der Sach­sen und Frie­sen kaum be­bau­ten Ge­gen­den al­ler­dings we­ni­ge, und es ist mög­lich, dass die Ste­din­ger an die­sen we­ni­gen ge­nug hat­ten. Ent­wei­hung der Hos­tie war ein Vor­wurf, der ge­gen alle Ket­zer wie auch ge­gen Ju­den gern er­ho­ben wur­de und den man zu be­wei­sen sich nicht ver­pflich­tet fühl­te, wie denn über­haupt die Be­schul­di­gun­gen ohne Un­ter­su­chung als er­wie­sen gal­ten. Worauf es ei­gent­lich an­kam, sieht man aus dem Satz, den der Erz­bi­schof mit Be­zie­hung auf eine Stel­le aus dem Buch Sa­mu­el auf­stell­te: Nol­le obe­die­re sce­lus est ido­la­triae – Un­ge­hor­sam ist gleich Göt­zen­dienst. Ein ab­ge­feim­ter Satz, der je­den Ver­such des Frei­en, sei­ne Frei­heit zu er­hal­ten, des Un­ter­drück­ten, sich zu weh­ren, für das ruch­lo­ses­te Ver­bre­chen er­klär­te, das die Zeit kann­te. Papst Gre­gor sah wohl, wie man­gel­haft be­grün­det die An­kla­gen des Erz­bi­schofs ge­gen die Ste­din­ger wa­ren und be­eil­te sich nicht, das Ur­teil der Synode zu be­stä­ti­gen; aber im fol­gen­den Jah­re er­ließ er doch die ge­wünsch­te Ver­flu­chungs­bul­le, und auf dem Reichs­ta­ge zu Ra­ven­na im Jah­re 1232 wur­den von Papst und Kai­ser zu­sam­men die neu­en, schar­fen und grau­sa­men Ket­zer­ge­set­ze aus­ge­ge­ben, die so viel Un­ru­he in Deutsch­land ver­an­lass­ten. Kai­ser Fried­rich be­auf­trag­te einen Do­mi­ni­ka­ner in Bre­men, der Ket­ze­rei nach­zu­spü­ren, ver­häng­te über die Ste­din­ger die Acht, nach­dem er sie zu­sam­men mit den Frie­sen erst fünf Jah­re vor­her we­gen ih­rer Ta­ten im Hei­li­gen Lan­de be­lobt hat­te, und mahn­te die Stadt Bre­men, bei der Ver­fol­gung mit­zu­wir­ken. Als der Erz­bi­schof sei­ner Stadt den drit­ten Teil von dem zu er­obern­den Hab und Gut der Ste­din­ger als Be­loh­nung ver­sprach, ge­lang es ihm, sie auf sei­ne Sei­te zu brin­gen. Am 19. Ok­to­ber 1232 for­der­te der Papst durch die Bul­le In­ten­ta fal­la­ci­is sa­tha­nae zum Kreuz­zu­ge ge­gen die Ste­din­ger auf.

      Die Ste­din­ger wa­ren ent­schlos­sen, alle Kraft und das Le­ben an die Ver­tei­di­gung ih­rer Frei­heit zu set­zen und ta­ten es ruhm­voll. Zwei Kreuz­hee­re be­sieg­ten sie, den Gra­fen von Ol­den­burg, der eins an­führ­te, er­schlu­gen sie. Die Geg­ner ver­mehr­ten ihre An­stren­gun­gen, der Papst ver­sprach in ei­ner neu­en Bul­le de­nen, die das Kreuz neh­men wür­den, vol­len Ablass. Weit und breit wur­de ge­wor­ben und ge­hetzt, als wäre das Reich, als wäre die Chris­ten­heit in Ge­fahr. Ver­geb­lich mach­te sich der un­glück­li­che jun­ge Kö­nig Hein­rich, Kai­ser Fried­richs Sohn, zum An­walt der Ver­ket­zer­ten, er be­schleu­nig­te da­durch nur sei­nen ei­ge­nen Sturz. Dem drit­ten Kreuz­heer, das ins Feld zog, glück­te die Voll­stre­ckung des Ur­teils; es wa­ren dar­an be­tei­ligt Graf Hein­rich von Ol­den­burg, Graf Lud­wig von Ra­vens­berg, Graf Flo­ren­tin von Hol­land, Graf Otto von Gel­dern, Her­zog Hein­rich der Jün­ge­re von Bra­bant, Wil­helm von Jü­lich und Diet­rich von Cle­ve. Der Adel muss­te viel auf­wen­den, um des klei­nen Bau­ern­vol­kes Herr zu wer­den. Von de­nen, die die un­glück­li­che Schlacht bei Al­te­nesch über­leb­ten, ver­lie­ßen vie­le das Land; Fa­mi­li­en mit dem Na­men Ste­din­ger er­schie­nen in ver­schie­de­nen Städ­ten, auch in Lü­beck und Ham­burg. Die Gü­ter der Ste­din­ger wur­den ver­teilt, ihre Frei­hei­ten ver­nich­tet. So un­über­wind­lich war der Un­ab­hän­gig­keits­sinn des Stam­mes, dass sie sich im­mer wie­der, wenn auch ohne Aus­sicht und ohne Glück, er­ho­ben; im­mer­hin ge­lang es den Nie­der-Ste­din­gern ge­gen­über den Gra­fen von Ol­den­burg eine ge­wis­se Selbst­stän­dig­keit zu be­wah­ren.

      Län­ger, näm­lich bis ins sech­zehn­te Jahr­hun­dert, er­hiel­ten sich die Frie­sen und die Dith­mar­scher frei.

      Die vo­kal­rei­che, wohl­klin­gen­de Spra­che der Frie­sen, die, wie es scheint, mehr Ähn­lich­keit mit dem Eng­li­schen als mit deut­schen Dia­lek­ten hat­te, ver­schwand schon im sech­zehn­ten Jahr­hun­dert. Eala frya Fre­se­na – Heil, frei­er Frie­se, mit die­sen Wor­ten sol­len die Frie­sen sich be­grüßt ha­ben. Die Frei­heit ge­hör­te zu ih­nen, wie das Meer und die Mar­schen zu ih­nen ge­hör­ten, sie hat­ten in ihr ein Ele­ment mehr als an­de­re Men­schen. Recht­lich führ­ten sie ihre Frei­hei­ten auf Karl den Gro­ßen zu­rück, und die Kai­ser ha­ben ihre Reich­sun­mit­tel­bar­keit an­er­kannt. Es gibt eine Über­lie­fe­rung, wo­nach Frie­sen, die Bar­ba­ros­sa nach Ita­li­en be­glei­te­ten, ihm bei ei­ner Ver­schwö­rung in Rom das Le­ben ge­ret­tet hät­ten. Als er sie zum Dank alle zu Rit­tern schla­gen woll­te, hät­ten sie das ab­ge­lehnt, in­dem sie sag­ten: »Wir hal­ten uns hö­her


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