Seekadett Jack Freimut. Фредерик МарриетЧитать онлайн книгу.
glaube, Sie haben im Sinne, des Königs Rationen zu verzehren und nichts zu thun.“
Jacks Blut geriet schon in Wallung.
„Sie werden mich verbinden, wenn Sie an Ihre eigenen Geschäfte denken“, erwiderte Jack.
„Sie unverschämter Mensch, wenn Sie noch eine Silbe sagen, werd’ ich Ihnen einen tüchtigen Tritt geben und Ihre Gleichheitsgedanken ein wenig hinausknüppeln.“
„Nun gut“, antwortete Jack, „wir wollen’s probieren.“
Hierauf zog Jack ganz kaltblütig seinen Oberrock, die Halsbinde und das Hemd aus, zum grossen Erstaunen des Herrn Vigors, den dieser Beweis von Entschiedenheit und Selbstvertrauen nicht sehr erbaute, und noch mehr zur hohen Freude der anderen Kadetten, welche gern eine Wochenration darum gegeben hätten, Vigors tüchtig durchgewalkt zu sehen. Dieser sah übrigens wohl ein, dass er zu weit gegangen war, um zurücktreten zu können; er machte sich also auch schlagfertig.
Vigors hatte seine angemasste Autorität mehr durch spöttisches Hänseln, als durch Boxen erlangt, und andere fügten sich ihm, ohne einen gehörigen Versuch zum Widerstande gemacht zu haben. Jack hingegen hatte sich seinen Weg in der Schule nur durch harte Gefechte gebahnt. Nach weniger als einer Viertelstunde erklärte sich Vigors, der wie tot am Boden lag, für überwunden, während Jack, mit Ausnahme einiger unbedeutenden Schrammen, nachdem er sich gewaschen hatte, wieder so frisch aussah, als je.
Die Nachricht von diesem Siege verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch das Schiff, und noch ehe Jack seine Kleider wieder angezogen hatte, wurde der Vorfall von Sawbridge dem Kapitän im Vertrauen mitgeteilt.
„So früh schon?“ rief Wilson lachend; „ich erwartete allerdings, dass eine Kadettenkajütte Wunder thun würde, aber nicht, dass es so schnell kommen könnte. Dieser Sieg ist der erste Schlag für Herrn Freimuts Gleichheitslehre und wird mehr Wirkung thun, als zwanzig Niederlagen. Lassen Sie ihn nun seinen Dienst versehen; er wird bald seine Richtschnur finden.“
Der Kampf, den Jack mit Vigors bestanden, hatte ihm grosse Achtung und, mit Ausnahme seines Gegners und Herrn Smallsoles, allseitige Teilnahme erweckt. Anstatt von seinen Tischgenossen ausgelacht zu werden, liessen sie sich in freundlichscherzhafte Gespräche mit ihm ein; Jolliffe lächelte zu Jacks sonderbaren Ansichten und suchte ihm dieselben auszureden, die anderen aber liebten Jack um seiner selbst und seiner Freimütigkeit willen, und überdies, weil sie zu ihm, als einem Beschützer gegen Vigors, ihren Verfolger, hinaufblickten. Jack hatte nämlich erklärt, da Macht in der Kajütte für Recht gelte, so wolle er insofern Gleichheit herstellen, dass er, wenn er auch die Stärkeren nicht niederhalten könne, doch jedenfalls die Schwächeren beschütze, wer auch in die Kajütte kommen möge, müsse zuerst über ihn Herr werden, ehe er einen Schwächeren misshandeln könne.
Auf diese Weise machte Jack von seiner Stärke den besten Gebrauch und wurde so der Vorkämpe und die Zuflucht derer, welche, obgleich länger zur See und erfahrener als er, sich freuten, ein Obdach unter seinem Mut und seiner Gewandtheit zu finden.
Fünftes Kapitel.
Die Kriegsartikel.
Das Schiff hatte ohne besonders erwähnenswerte Ereignisse oder Gefahren Gibraltar erreicht. Da der folgende Tag ein Sonntag war, so wurde die Mannschaft in Abteilungen hinaufbeschieden, und weil ungünstiges Wetter eintrat, statt des Dienstes die Verlesung der Kriegsartikel vorgenommen. Dieser Handlung erwiesen Kapitän, Offiziere und Mannschaft gleichmässig die schuldige Achtung, indem sie trotz des Spritzregens mit abgenommenen Hüten dastanden. Jack, dem der Kapitän gesagt hatte, diese Kriegsartikel seien die Bestimmungen und Regeln des Dienstes, denen Kapitän, Offiziere und Mannschaft gleichmässig gehorchen müssten, hörte mit der grössten Aufmerksamkeit zu, während der Schreiber vorlas. Jack wusste freilich nicht, dass diesen Kriegsartikeln noch ungefähr hundert Befehle der Admiralität angehängt waren, welche, wie die zahllosen Nachträge bei manchen Testamenten, eigentlich das Wesentlichste enthalten und gewissermassen den Haupttext selbst aufheben.
Jack hörte, wie gesagt, sehr gespannt zu. Nachdem jeder Artikel vorgetragen war, drang sich ihm die Ansicht auf, er werde nicht wohl gegen einen dieser Punkte fehlen; doch befremdet es ihn, eine strenge Bestimmung gegen das Fluchen zu finden, die auf dem Schiffe als nicht existierend betrachtet wurde; indes glaubte er, im ganzen seinen Weg nun sehr genau zu kennen. Um sich dessen zu vergewissern, bat er den Schreiber, sobald die Mannschaft hinabgepfiffen wurde, ihm eine Abschrift dieser Kriegsartikel zu geben. Dies geschah auch.
„Jetzt weiss ich“, sagte Jack, „was ich zu thun und was ich zu erwarten habe, und will nun diese Kriegsartikel in meiner Tasche tragen, solange ich im Dienste bin, dass heisst nämlich, wenn sie solange halten.
Als Jack in den unteren Raum hinabging, traf er den kleinen Kadetten Gosset weinend an.
„Was haben Sie denn, mein lieber Mr. Gosset?“ fragte Jack.
„Vigors hat mich mit einem Tauende geprügelt“, antwortete Gosset, Arme und Schultern reibend.
„Weshalb?“ fragte Jack weiter.
„Weil er sagt, der Dienst gehe zum Teufel; alle Unterordnung sei jetzt vernichtet, Glückspilze kämen aufs Schiff, die, weil sie eine Fünfpfundnote in der Tasche hätten, thun dürften, was sie nur wollten. Er sagte ferner, er sei entschlossen, den Dienst aufrecht zu erhalten, dann warf er mich zu Boden, zog einen Strick heraus, prügelte mich und bemerkte, er werde dafür sorgen, dass es künftighin keinen Gleichheits-Jack mehr geben solle.
„Schon gut“, antwortete Jack.
„Bei der Seele meines Vaters, sagte Mesty, ich denk’“, „Vigors haben ein sehr schlecht Gedächtnis — brauchen noch ein wenig mehr von Gleichheits-Jack.“
„Und das soll er auch haben“, erwiderte Jack. „Hören Sie, Mr. Gosset, haben Sie Mut?“
„Ja“, erwiderte der Befragte.
„Wollen Sie das nächste Mal thun, was ich Ihnen sage, und sich auf meinen Schutz verlassen?“
„Es ist mir gleich, was ich thue, wenn Sie mich nur gegen den niederträchtigen Tyrannen decken.“
„Meinen Sie mich damit?“ rief Vigors, der eben in die Kajütte eingetreten war.
„Sagen Sie ja“, flüsterte Jack Gosset zu.
„Ja wohl, ich meine Sie“, rief Gosset.
„Ah so, das thatest du — nun gut, mein Bürschchen, so muss ich dir noch mehr von diesem geben“, und damit zog er sein Tau wieder heraus.
„Ich denke, Sie werden besser daran thun, es zu unterlassen, Mr. Vigors“, bemerkte Jack.
„Bekümmern Sie sich gefälligst um Ihre Sachen“, erwiderte Vigors, dem die Einmischung nicht sehr behagte. „Ich habe meine Ansprache nicht an Sie gerichtet. Ich glaube denn doch wohl ein Recht zu haben, meine Bekanntschaft selbst auszusuchen, und verlassen Sie sich darauf — auf einen Gleichheitsmann wird meine Wahl nie fallen.“
„Ganz nach Ihrem Belieben“, antwortete Jack. „Sie haben ein Recht, Ihre Bekannten auszuwählen, aber ich habe auch ein Recht, meine Freunde zu wählen und gegen schlechte Behandlung zu schützen. Gosset ist mein Freund.“
„Dann werde ich mir also“, entgegnen Vigors, „die Freiheit nehmen, Ihren Freund durchzuwalken.“ Mit diesen Worten schlug er auf Gosset los.
„Und ich werde mir die Freiheit nehmen, meinen Freund zu verteidigen“, erwiderte Jack. „Da Sie mich einen Gleichheitsmann nennen, so will ich versuchen, ob ich den Namen nicht verdienen kann.“ Hiermit brachte Jack Herrn Vigors einen Hieb so ausgezeichnet bei, dass letzterer aufs Verdeck hinfiel und sich nicht mehr verteidigen konnte. „Und nun, mein Junge“, sagte er zu Gosset, den Strick aus Vigors’ Hand windend, thun Sie, was ich Ihnen heisse — geben Sie ihm ein paar tüchtige Hiebe — wenn Sie’s nicht thun, werd’ ich Sie durchwalken.“
Bei Gosset bedurfte es keiner zweiten Drohung. Das Vergnügen, feinen Feind, wenn auch nur ein einziges Mal durchzuledern, war Anreizung