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Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von HippoЧитать онлайн книгу.

Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2 - Augustinus von Hippo


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ist der Mietling, der den Wolf kommen sieht und flieht? Wer das Seinige sucht und nicht das, was Jesu Christi ist, den Sünder nicht freimütig zurechtzuweisen wagt1306. Siehe, es hat irgendeiner gesündigt, schwer gesündigt, er ist zu rügen, zu exkommunizieren, aber wenn er exkommuniziert wird, wird er feindlich gesinnt sein, nachstellen, schaden, wo er kann. Der nun, welcher das Seinige sucht, nicht das, was Jesu Christi, wird, damit er nicht verliert, was er anstrebt, den Vorteil menschlicher Freundschaft, und nicht die Unannehmlichkeit menschlicher Feindschaft sich zuzieht, schweigen, nicht zurechtweisen. Siehe, der Wolf hat das Schaf an der Kehle gepackt, der Teufel den Gläubigen zu einem Ehebruch verführt; du schweigst, du tadelst nicht; o Mietling, du hast den Wolf kommen sehen und bist geflohen. Er antwortet vielleicht und sagt: Siehe, ich bin da, ich bin nicht geflohen. Du bist geflohen, weil du geschwiegen hast; da hast geschwiegen, weil du dich gefürchtet hast. Die Flucht der Seele, das ist die Furcht. Dem Leibe nach bist du stehen geblieben, dem Geiste nach bist du geflohen. Das hat jener nicht getan, welcher sagte: „Obwohl ich dem Leibe nach abwesend bin, bin ich dem Geiste nach bei euch“1307. Denn wie floh der dem Geiste nach, der, obgleich körperlich abwesend, die Hurer schriftlich tadelte? Unsere Affekte sind Bewegungen des Gemütes. Die Freude ist eine Ausdehnung des Gemütes, die Trauer eine Zusammenziehung des Gemütes, die Begierde ein Vorwärtsstreben des Gemütes, die Furcht eine Flucht des Gemütes. Du dehnst dich nämlich im Gemüte aus, wenn du dich erfreust; du ziehst dich im Gemüte zusammen, wenn du niedergeschlagen bist; du strebst vorwärts im Gemüte, wenn du etwas verlangst; du fliehst im Gemüte, wenn du dich fürchtest. Siehe, warum es von jenem Mietling heißt, daß er beim Anblick des Wolfes flieht. Warum? „Weil er sich um die Schafe nicht kümmert.“ Warum kümmert er sich nicht um die Schafe? „Weil er ein Mietling ist.“ Was heißt das: Er ist ein Mietling? Er sucht zeitlichen Lohn und wird nicht auf ewig im Hause wohnen. Es gibt hier noch manche Dinge, die mit euch zu untersuchen und zu erörtern wären, aber ich möchte euch nicht weiter belästigen. Denn wir reichen die Speise des Herrn den Mitknechten; auf den Weiden des Herrn nähren wir die Schafe und nähren uns mit euch. Wie nicht verweigert werden soll, was notwendig ist, so ist auch das schwache Herz nicht mit einem Übermaß von Speise zu beschweren. Eure Liebe nehme es also nicht übel, daß ich nicht alles, was ich hier noch für erörternswert halte, heute schon behandle, aber es wird uns im Namen des Herrn an den Tagen, an welchen wir eine Rede schulden, dasselbe Lesestück nochmals verlesen und mit seinem Beistande eingehender erklärt werden.

      47. Vortrag

       Einleitung.

      Siebenundvierzigster Vortrag.

      Von da an, wo es heißt: „Ich bin der gute Hirt und kenne meine Schafe“ usw., bis dahin: „Kann etwa der Teufel die Augen der Blinden öffnen?“ Joh. 10, 14―21.

       1.

      Ihr, die ihr das Wort unseres Gottes nicht bloß gern, sondern auch aufmerksam hört, erinnert euch ohne Zweifel unseres Versprechens. Dasselbe evangelische Lesestück ist ja auch heute verlesen worden, welches am letztvergangenen Sonntag zur Verlesung kam, und zwar deshalb, weil wir wegen längeren Verweilens bei schwierigen Stellen nicht alles besprechen konnten, was wir eurer Gemütsstimmung schuldeten. Darum werden wir das, was schon gesagt und behandelt worden ist, heute nicht mehr untersuchen, damit wir nicht durch Wiederholung des nämlichen zu dem zu kommen, was noch nicht gesagt wurde, verhindert werden. Ihr wißt bereits im Namen des Herrn, wer der gute Hirt ist, und wie die guten Hirten seine Glieder sind, und daß deshalb nur* ein* Hirt ist; ihr wißt, wer der Mietling ist, den man ertragen muß; wer der Wolf, wer die Diebe und Räuber, die man meiden muß; wer die Schafe sind, welches die Türe ist, durch die wohl die Schafe wie der Hirte eingehen; wer unter dem Türhüter zu verstehen ist; ihr wißt auch, daß jeder, der nicht durch die Türe eingeht, ein Dieb und Räuber ist und nur kommt, um zu stehlen, zu töten und zu verderben. Das alles ist schon gesagt und hinreichend, wie ich glaube, behandelt worden. Heute sollen wir mit Hilfe des Herrn (weil Jesus Christus, unser Heiland, selbst sich als Hirt und Türe bezeichnet und gesagt hat, daß der gute Hirt durch die Türe eingeht) darlegen, wie er durch sich selbst eingeht. Denn wenn keiner ein guter Hirt ist, außer wer durch die Türe eingeht, und er selbst vor allem der gute Hirt und die Türe ist, so kann ich das nicht anders verstehen, als daß er durch sich selbst zu den Schafen eingeht und ihnen zuruft, damit sie ihm folgen und ein- und ausgehend Weide finden d. i. das ewige Leben.

       2.

      Ohne Zögern sage ich es also. Indem ich zu euch einzugehen suche d. h. zu euren Herzen, predige ich Christus; wenn ich etwas anderes predige, werde ich von einer andern Seite einzusteigen versuchen. Christus ist also für mich die Türe zu euch; durch Christus gehe ich ein, nicht in eure Wohnungen, sondern in eure Herzen. Durch Christus gehe ich ein, Christus habt ihr gern in mir gehört. Warum habt ihr Christus gern in mir gehört? Weil ihr Schafe Christi seid, weil ihr durch das Blut Christi erkauft seid. Ihr erkennet euren Lösepreis, der nicht von mir gegeben, sondern nur durch mich gepredigt wird. Der nämlich hat euch erkauft, der sein kostbares Blut vergoß; kostbar ist sein Blut, ohne Sünde. Er hat jedoch auch das Blut der Seinigen kostbar gemacht, für die er den Preis seines Blutes gab; denn würde er das Blut der Seinigen nicht kostbar machen, so würde es nicht heißen: „Kostbar in den Augen des Herrn ist der Tod seiner Heiligen“1308. Wenn er daher sagt: „Ein guter Hirt gibt sein Leben für seine Schafe“, so hat er dies nicht allein getan, und doch, wenn jene, die es taten, seine Glieder sind, so hat auch dies nur er getan. Denn er konnte es ohne sie tun; wie konnten sie es tun ohne ihn, da er selbst sagte: „Ohne mich könnt ihr nichts tun“?1309 Daraus aber zeigen wir, daß auch andere dies getan, weil gerade der Apostel Johannes, der das von euch vernommene Evangelium verkündete, in seinem Briefe sagte: „Wie Christus sein Leben für uns hingegeben hat, so müssen auch wir das Leben für die Brüder dahingeben“1310. Wir „müssen“, sagt er; der hat uns die Pflicht auferlegt, der sie zuerst erfüllte. Darum heißt es irgendwo: „Wenn du zum Mahle sitzest am Tische eines Mächtigen, so gib sorgfältig acht, was dir vorgesetzt wird, und lege deine Hand an, wissend, daß du solches vorbereiten mußt“1311. Welches der Tisch des Mächtigen ist, wißt ihr; daselbst ist der Leib und das Blut Christi; wer zu diesem Tische geht, bereite solches vor. Und was heißt: er bereite solches vor? „Wie er selbst für uns sein Leben dahingegeben hat, so müssen auch wir“ [zur Erbauung des Volkes und zur Verteidigung des Glaubens]1312 „das Leben für die Brüder dahingeben.“ Daher sprach er zu Petrus, den er zu einem guten Hirten machen wollte, nicht in Petrus selbst, sondern in seinem Leibe: „Petrus, liebst du mich? Weide meine Schafe“. Dies sagte er einmal, zweimal, dreimal, bis derselbe traurig wurde. Und nachdem der Herr so oft gefragt hatte, als er zu fragen für notwendig erachtete, damit* der* dreimal ein Bekenntnis ablegen sollte, der ihn dreimal verleugnete, und ihm dann zum dritten Mal seine Schafe zu weiden aufgetragen hatte, sprach er zu ihm: „Als du jung warest, gürtetest du dich und gingst, wohin du wolltest; wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und dich dorthin führen, wohin du nicht willst“. Und der Evangelist erklärte, was der Herr damit meinte: „Dies aber“, sagt er, „sprach er, um anzudeuten, durch welche Todesart er Gott verherrlichen werde“1313. Dies also ist der Sinn des Wortes: „Weide meine Schafe“, daß du dein Leben gibst für meine Schafe.

       3.

      Was er sodann sagt: „Wie mich der Vater erkennt, und ich den Vater erkenne“, wer weiß das nicht? Er nämlich erkennt den Vater durch sich, wir durch ihn. Daß er ihn durch sich erkennt, wissen wir; daß auch wir durch ihn, auch das wissen wir, weil wir auch dies durch ihn wissen. Denn er hat gesagt: „Gott hat niemand gesehen als der eingeborene Sohn, der im Schoße des Vaters ist; der hat ihn verkündigt“1314. Also auch wir durch ihn, denen er ihn verkündigt hat. Desgleichen sagt er anderswo: „Niemand kennt den Sohn außer der Vater, und niemand kennt den Vater außer der Sohn, und wem es der Sohn offenbaren will“1315. Wie also er durch sich den Vater kennt, wir aber durch ihn den Vater kennen, so geht er in den Schafstall durch sich selbst ein, und wir durch ihn. Wir haben gesagt, daß wir durch Christus


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