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Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von HippoЧитать онлайн книгу.

Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2 - Augustinus von Hippo


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in jener Menge, es sei ihnen Unrecht widerfahren, weil er zu ihnen sagte: „Die Wahrheit wird euch befreien“. Sie fanden es empörend, daß sie als Knechte bezeichnet wurden. Und wahrlich, sie waren Knechte. Und er erklärte ihnen, worin die Knechtschaft bestehe und worin die zukünftige Freiheit bestehe, die er ihnen verheißt. Allein es würde zu weit führen, von dieser Freiheit und jener Knechtschaft heute noch zu reden.

      41. Vortrag

       Einleitung.

      Einundvierzigster Vortrag.

      Abermals über die Stelle: „Es sprach aber Jesus zu denjenigen, welche geglaubt hatten“, bis dahin: „Wenn euch also der Sohn befreien wird, werdet ihr wahrhaft frei sein.“ Joh. 8, 31―36.

       1.

      Was aus der vorhergehenden Lesung noch folgt und aus dem heiligen Evangelium uns heute vorgelesen wurde, habe ich letzthin zu besprechen verschoben, weil ich schon vieles gesagt hatte, und von der Freiheit, zu der uns die Gnade des Erlösers ruft, nicht oberflächlich und leichthin gesprochen werden durfte; deshalb habe ich mir vorgenommen, mit Gottes Hilfe heute davon zu euch zu reden. Die nämlich, zu welchen der Herr Jesus Christus sprach, waren Juden, zwar zum großen Teile Feinde, aber zum Teil auch Freunde, sei es daß sie es schon geworden oder noch werden sollten; denn, wie schon gesagt, er sah dort einige, welche nach seinem Leiden gläubig werden sollten. Bei ihrem Anblick hatte er gesagt: „Wenn ihr des Menschen Sohn werdet erhöht haben, dann werdet ihr erkennen, daß ich es bin“1138. Es waren darunter auch solche, welche bei dieser Rede des Herrn sofort glaubten; zu diesen sagte er, was wir heute vernommen haben: „Es sprach also Jesus zu den Juden, die an ihn geglaubt hatten: Wenn ihr in meinem Worte bleibet, werdet ihr wahrhaft meine Jünger sein“. Indem ihr bleibet, werdet ihr es sein; weil ihr nämlich jetzt Glaubende seid, werdet ihr durch euer Bleiben Sehende sein. Darum folgt: „Und ihr werdet die Wahrheit erkennen“. Die Wahrheit ist unveränderlich. Die Wahrheit ist ein Brot, sie erquickt die Geister und geht nicht aus1139; sie verändert den, der davon ißt, wird aber selbst nicht in den Essenden verwandelt.* Das* ist die Wahrheit: Das Wort Gottes, Gott bei Gott, der eingeborene Sohn. Diese Wahrheit ist unsertwegen mit dem Fleische umkleidet worden, damit sie aus Maria der Jungfrau geboren und die Weissagung erfüllt würde: „Die Wahrheit ist der Erde entsproßt“1140. Diese Wahrheit nun war, da sie zu den Juden redete, im Fleische verborgen; sie war aber verborgen, nicht um geleugnet, sondern um hinausgeschoben zu werden; hinausgeschoben aber sollte sie werden, um im Fleische zu leiden; im Fleische aber sollte sie leiden, damit das Fleisch der Sünde erlöst würde. Sichtbar also dastehend nach der Schwachheit des Fleisches und unsichtbar nach der Majestät der Gottheit, sprach unser Herr Jesus Christus zu denjenigen, welche ihm bei jenen Worten geglaubt hatten: „Wenn ihr in meinem Worte bleibet, werdet ihr wahrhaft meine Jünger sein“. Denn „wer ausharret bis zum Ende, der wird selig werden“1141. „Und ihr werdet die Wahrheit erkennen“, welche euch jetzt verborgen ist und die zu euch redet. „Und die Wahrheit wird euch befreien.“ Dieses Wort nahm der Herr von der Freiheit her, „er wird euch befreien“. Denn „er befreit“ heißt eigentlich nichts anderes als „er macht frei“. Wie „er beseligt“ nichts anderes heißt als „er macht selig“; wie „er heilt“ nichts anderes heißt als „er macht heil“; „er bereichert“ nichts anderes heißt als „er macht reich“, so heißt „er befreit“ nichts anderes als „er macht frei“. Dies ist im griechischen Zeitwort1142 deutlicher. Denn im lateinischen Sprachgebrauch sagen wir häufig von einem Menschen, er werde befreit nicht mit Bezug auf die Freiheit, sondern nur mit Bezug auf die Gesundheit, z. B. wenn es von jemand heißt, er werde von einer Krankheit befreit; das ist die gewöhnliche, aber nicht die eigentliche Redeweise. Der Herr aber hat dieses Wort bei dem Ausspruche: „Und die Wahrheit wird euch befreien“, so genommen, daß im Griechischen niemand zweifelt, er habe von der Freiheit gesprochen.

       2.

      Schließlich verstanden es ja auch die Juden so „und antworteten ihm“, nicht jene, welche geglaubt hatten, sondern jene, welche in der Menge noch nicht gläubig waren, sie „antworteten ihm: Wir sind Abrahams Samen und sind nie jemandes Knechte gewesen; wie sagst Du: Ihr werdet frei sein?“ Der Herr hatte aber nicht gesagt: „Ihr werdet frei sein“, sondern „die Wahrheit wird euch befreien“. Unter diesem Worte jedoch verstanden jene, weil, wie gesagt, im Griechischen der Sinn klar ist, nur die Freiheit, und rühmten sich, daß sie Abrahams Samen seien, und sagten: „Wir sind Abrahams Same und sind nie jemandes Knechte gewesen; warum sagst Du: Ihr werdet frei sein?“ O aufgeblasenes Fell! Das ist nicht Größe, sondern Hochmut. Und wie habt ihr damit selbst nach der Freiheit dieser Zeit die Wahrheit geredet: „Wir sind nie jemandes Knechte gewesen“? Ist Joseph nicht verkauft worden1143? Sind die heiligen Propheten nicht in die Gefangenschaft geführt worden1144? Sodann, ist dies nicht gerade jenes Volk, das in Ägypten Ziegelsteine machte und den harten Königen nicht einmal in Gold und Silber, sondern im Lehme Knechtsdienste tat1145? Wenn ihr nie jemand als Knechte gedient habt, o ihr Undankbaren, wie kommt es dann, daß euch Gott beständig vorhält, er habe euch aus dem Hause der Knechtschaft befreit1146? Oder haben vielleicht eure Väter als Knechte gedient, während ihr, die ihr redet, in niemandes Dienst gestanden seid? Wie also habt ihr schon längst den Römern Tribut bezahlt und darum auch der Wahrheit selbst einen Strick gleichsam zum Einfangen hingeworfen durch die Frage: „Ist es erlaubt, dem Kaiser Tribut zu geben“? um, wenn er sagen würde: Es ist erlaubt, ihn zu fassen, als stehe er der Freiheit des Samens Abrahams feindlich gegenüber; wenn er aber sagen würde: Es ist nicht erlaubt, ihn bei den Königen der Erde anzuschwärzen, weil er den Königen den Tribut zu geben verbiete. Mit Recht seid ihr durch Vorzeigung der Münze widerlegt und auf eure verfängliche Frage selbst die Antwort zu geben gezwungen worden. Denn es ist euch gesagt worden: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“, da ihr selbst geantwortet hattet, daß die Münze das Bild des Kaisers trage1147. Denn wie der Kaiser auf der Münze sein Bild, so sucht Gott am Menschen das seinige. Das also antwortete er den Juden. Ich entrüste mich, Brüder, über den eitlen Hochmut der Menschen, die sogar hinsichtlich dieser fleischlich verstandenen Freiheit logen, indem sie sagten: „Wir sind nie jemandes Knechte gewesen“.

       3.

      Was aber der Herr geantwortet hat, das wollen wir vor allem andern mit Aufmerksamkeit hören, damit nicht auch wir selbst als Knechte erfunden werden. „Der Herr antwortete ihnen“ nämlich: „Amen, Amen, ich sage euch: Jeder, der Sünde tut, ist ein Knecht der Sünde“. Er ist ein Knecht, wenn nur wenigstens Knecht eines Menschen, nicht der Sünde! Wer erzittert nicht bei diesen Worten? Möge der Herr unser Gott uns verleihen, d. h. mir und euch, daß ich zutreffend von der Erstrebung dieser Freiheit und der Vermeidung dieser Knechtschaft rede. „Amen, Amen, ich sage euch“, sagt die Wahrheit, und was für ein Spruch des Herrn unseres Gottes ist dies: „Amen, Amen, ich sage euch“? Er betont gar sehr, was er so verkündet; es ist gewissermaßen, wenn man so sagen darf, ein Schwur von ihm: „Amen, Amen, ich sage euch“. „Amen“ heißt nämlich in der Übersetzung: „Wahrlich“, und doch hat man es nicht übersetzt, obwohl man hätte sagen können: Wahrlich, ich sage euch. Weder der griechische Übersetzer wagte dies zu tun noch auch der lateinische; denn dieses Wort „Amen“ ist weder griechisch noch lateinisch, sondern hebräisch. So blieb es stehen, es wurde nicht übersetzt, damit es durch den Schleier des Geheimnisses um so ehrwürdiger wäre, nicht damit es unverstanden bliebe, sondern damit es nicht durch die Enthüllung an Wert verlöre. Und nicht einmal bloß, sondern zweimal ist es vom Herrn ausgesprochen worden: „Amen, Amen, ich sage euch“. Schon aus dieser Verdoppelung erkennet die Bedeutung.

       4.

      Was ist also betont worden? „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch“, sagt die Wahrheit, die sicherlich, auch wenn sie nicht sagen würde: „Wahrlich, ich sage euch“, durchaus nicht lügen könnte. Dennoch betont sie es, schärft sie es ein; sie weckt die Schlafenden gewissermaßen auf, macht sie gespannt, sie will nicht verschmäht werden. Mit welchen Worten tut sie


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