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Vierundzwanzig Unterredungen mit den Vätern. Johannes CassianusЧитать онлайн книгу.

Vierundzwanzig Unterredungen mit den Vätern - Johannes Cassianus


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mich nachher nie durch eine Anreizung dieses Diebsverlangens bewegt fühlte. Diesen Sinn finden wir auch im Prediger sehr schön in bildlicher Darstellung: 68 „Wenn die Schlange beißt im Stillen, so hat der Beschwörer keine Macht, zu zeigen, daß der Biß der schweigenden Schlange verderblich sei,“ das heißt, wenn nicht durch die Beicht der teuflische Einfall oder Gedanke irgend einem Beschwörer geoffenbart wird, d. i. einem geistigen Manne, der durch die Gesänge der hl. Schriften die Wunde sogleich zu heilen und das verderbliche Schlangengift aus dem Herzen zu ziehen gewohnt ist, so kann er dem Gefährdeten oder zu Grunde Gehenden nicht zu Hilfe kommen. Auf diese Weise also werden wir am leichtesten zum Verständniß der wahren Klugheit kommen können, wenn wir den Fußtapfen der Altmeister nachgehend uns weder herausnehmen, etwas Neues zu thun noch auf unser Urtheil hin zu entscheiden; sondern wir wollen in Allem so wandeln, wie es uns ihre Lehre und ihr tugendhaftes Leben lehrt. Durch diesen Unterricht befestigt wird man nicht nur zur vollkommenen Weise der Klugheit gelangen, sondern auch bei allen Nachstellungen des Feindes ganz sicher bleiben. Denn durch kein anderes Laster zieht der Teufel einen Mönch so jäh abwärts und bringt ihn zum Tode, als wenn er ihn überreden konnte, mit Hintansetzung des Rathes der Altväter auf eigene Urtheil, auf eigene Entscheidung und Lehre zu vertrauen. Denn da alle Künste und Wissenschaften, die vom Menschengeiste erfunden wurden und nur den Vortheilen dieses zeitlichen Lebens dienen, doch, obwohl man sie mit Händen greifen und mit den Augen sehen kann, von Keinem recht begriffen werden können ohne den Unterricht eines Lehrers, wie thöricht ist es dann zu glauben, diese Kunst allein bedürfe keines Lehrers, während sie doch unsichtbar und geheim ist und nur dem reinsten Herzen anschaulich wird; da ferner ein Irrthum in ihr nicht zeitlichen Schaden zufügt oder einen, der sich leicht ausbessern läßt, sondern das Verderben der Seele und den ewigen Tod! Denn sie hat einen Kampf bei Tag und Nackt nicht gegen sichtbare Feinde, sondern gegen unsichtbare und grausame, und hat einen geistigen Streit nicht gegen Einen oder Zwei, sondern gegen unzählige Schaaren; eine Niederlage hier ist aber um so viel gefährlicher als sonstwo, je gehässiger dieser Feind und je verborgener der Zusammenstoß ist. Deßhalb muß man immer den Fußtapfen der Altväter mit dem größten Fleiße nachgehen und diesen Alles vortragen, was in unsern Herzen auftaucht, ohne die Hülle der Verlegenheit!

       12. Bekenntniß der Scham, aus welcher wir uns scheuen, unsere Gedanken den Vätern zu offenbaren.

      Germanus: Einen Grund zu der verderblichen Scheu, mit welcher wir böse Gedanken zu verbergen suchen und uns schämen, sie in heilsamem Bekenntniß zu eröffnen, bietet besonders der Vorfall, aus dem wir wissen, daß ein in Syrien wohnender und, wie man glaubte, ausgezeichneter Altvater einem Bruder, der ihm seine Gedanken in aufrichtigem Bekenntnisse offenbarte, nachher dieselben mit einer gewissen Entrüstung schwer vorgeworfen habe. Daher kommt es, daß, während wir sie in uns zurückhalten und uns schämen, sie den Vätern zu bekennen, wir auch die Mittel der Heilung nicht erlangen können.

       13. Antwort über die zu unterdrückende Scham und die Gefahr, keine Theilnahme zu finden.

      Moyses: Wie nicht alle Jungen gleich sind in glühendem Geisteseifer oder an Unterricht in den Wissenschaften und guten Sitten, so können auch nicht lauter Greise gefunden werden, die in gleicher Weise vollkommen oder ganz bewährt sind. Der Reichthum der Alten ist ja nicht nach den grauen Haaren, sondern nach dem Eifer der Jugend und nach den Früchten der vergangenen Arbeit zu messen. „Denn“, heißt es, „was du nicht gesammelt hast in deiner Jugend, wie wirst du es in deinem Alter finden?“ 69 „Ein verehrungswürdiges Alter ist nicht das lange und das nach der Jahrzahl berechnete; denn für Greisenhaar gilt die Einsicht eines Menschen und für hohes Alter ein unbeflecktes Leben.“ 70 Wenn deßhalb einen Alten nur weisses Haar bedeckt und nur die Länge des Lebens ihn empfiehlt, so dürfen wir darum nicht schon seinen Weg nachahmen und befolgen oder seine Lehren und Ermahnungen aufnehmen, sondern nur, wenn Einer sich durch ein lobenswerthes und ganz rechtschaffenes Leben in der Jugend ausgezeichnet hat und nicht durch eigenen Wahn, sondern durch die Lehren der Vorfahren unterrichtet ist. Denn es gibt Einige, ja, was noch trauriger ist, ihre Menge ist sogar größer, die in der Lauheit, welche sie in der Jugend angenommen haben, und in der Trägheit alt geworden doch eine Autorität für sich verlangen nicht wegen der Reife ihres Charakters, sondern wegen der Zahl ihrer Jahre. An Diese ist recht eigentlich der Vorwurf des Herrn durch den Propheten gerichtet: „Fremdlinge haben verzehrt seine Kraft, und er merkt es nicht; aber auch Greisenhaare sind ausgebreitet über ihn, und er weiß es nicht.“ 71 Diese hat nicht die Rechtschaffenheit des Lebens noch irgend eine löbliche und nachahmungswürdige Rührigkeit in diesem Berufe, sondern nur die Zahl der Jahre zu einem Vorbild der Jugend befördert. Ihr weisses Haar stellt der schlaue Feind zur Täuschung der Jüngern mit ausgemachter Autorität hin und will mit trügerischer Schlauheit durch ihre Beispiele um so schneller auch Diejenigen verkehrt machen und täuschen, welche sonst wohl zum Leben der Vollkommenheit entweder durch die Ermahnungen Dieser oder Anderer hätten angeregt werden können, nun aber entweder zu schädlicher Lauheit oder tödtlicher Verzweiflung durch deren Lehre und Anleitung geführt werden. Da ich euch davon Beispiele erzählen will, so werde ich den Namen des Thäters weglassen, damit wir nicht etwas Ähnliches begehen wie der, welcher die ihm anvertrauten Fehler des Bruders veröffentlichte, und werde nur die Thatsache, welche euch die nöthige Belehrung bieten kann, mit wenigen Worten darlegen. Da also zu einem uns wohlbekannten Greise ein Jüngling, nicht gerade von den feigsten, um seines Fortschrittes und seiner Heilung willen gekommen war und aufrichtig eingestanden hatte, daß er von fleischlicher Brunst und dem Geiste der Unzucht beunruhigt werde, und nun glaubte, er werde in seiner Mühseligkeit durch das Gebet des Vaters Trost und Mittel für die erhaltenen Wunden finden, da schalt ihn jener mit den bittersten Worten, nannte ihn einen Elenden und Unwürdigen, der nicht den Namen eines Mönches verdiene, da er durch derlei Laster und Gier sich kitzeln lasse. Durch diesen verkehrten Tadel verwundete er Jenen so, daß er ihn in höchster Verzweiflung und Niedergeschlagenheit, in vollem Jammer und tödtlicher Trauer aus seiner Zelle entließ. Als nun dem von solcher Schwermuth Gedrückten, der schon nicht mehr an ein Heilmittel gegen seine Leidenschaft, sondern an Ausübung der gefaßten Begierde in tiefem Sinnen dachte, der Abt Apollo, 72 der bewährteste der Väter, begegnete und die Mühe und Heftigkeit des Kampfes, der in der Stille in seinem Herzen wühlte, aus der Betrachtung des Angesichtes und der Niedergeschlagenheit vermuthete, fragte er nach der Ursache einer solchen Verstörung. Da nun dieser dem Greise, der ihn sanft anging, nicht einmal eine Antwort geben konnte, merkte derselbe mehr und mehr, daß Jener nicht ohne Grund die Ursache einer solchen Traurigkeit, die er nicht einmal im Antlitz verbergen konnte, mit Stillschweigen bedecken wolle, und begann nur um so dringender den Grund des geheimen Schmerzes zu erfragen. Dadurch gefangen bekannte Jener, daß er nach dem Dorfe gehe, um dort eine Frau zu nehmen und mit Verlassung des Klosters zum Weltleben zurückzukehren, weil er ja doch nach dem Ausspruch jenes Vaters kein Mönch sein könne, den Stachel des Fleisches nicht zu zügeln und kein Mittel gegen die Versuchung zu erlangen vermöge. Der Vater Apollo besänftigte ihn mit zärtlichem Troste und sagte, daß er täglich durch dieselben Stachel und Gluten der Brunst gequält werde, und daß er deßhalb nicht so gänzlich in Verzweiflung fallen dürfe noch sich wundern über die Hitze des Kampfes, der nicht sowohl durch den Eifer der Anstrengung als durch Gottes Barmherzigkeit und Gnade siegreich überstanden würde. Er verlangte von ihm nur einen Tag Waffenstillstand, bat ihn, in seine Zelle zurückzukehren, und ging dann in aller Eile zu dem Kloster des obengenannten Greises. Als er sich demselben genähert hatte, goß er mit ausgebreiteten Händen unter Thränen sein Gebet aus und sprach: „Herr, der du allein der liebevolle Richter und geheime Arzt der verborgenen Kräfte und der menschlichen Schwäche bist, wende die Anfechtung jenes Jünglings auf diesen Greis, damit er noch im Alter belehrt werde, herabzusteigen zu der Schwäche der Streitenden und Mitleid zu haben mit der Gebrechlichkeit der Jüngern.“ Als er nun dieß Gebet mit Seufzen geschlossen hatte, sah er einen schwarzen Äthiopier der Zelle von jenem gegenüber stehen und feurige Pfeile auf ihn richten. Als dieser sogleich durch dieselben verwundet worden war und aus der Zelle tretend dahin und dorthin wie ein Wahnsinniger und Trunkener lief und bald heraus bald hineingehend sich in ihr gar nicht mehr halten konnte, begann er aufgeregt auf demselben Wege fortzugehen, auf welchem jener Jüngling hinweggegangen war. Als ihn nun Vater Apollo erblickte, wie er gleichsam wahnsinnig geworden und von Furien getrieben war,


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