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Einfach mal die Klappe halten. Cornelia TopfЧитать онлайн книгу.

Einfach mal die Klappe halten - Cornelia Topf


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Er war ganz zerknirscht deshalb. Warum? Weil er sich selbst um den verdienten Lohn brachte. Und das jahrelang. Das geht vielen Menschen auch außerhalb des Managements so. Ich würde sagen, sogar den meisten. Ihnen auch?

      ÜBUNG

      Versuchen Sie sich zu erinnern: Bei welchen Gelegenheiten reden Sie mehr, als nötig ist? Mehr, als nützlich ist? So viel, dass Ihr Gegenüber sich totgeredet vorkommen könnte? Bitte keine Selbstvorwürfe: Das passiert allen Menschen. Das ist nicht schlimm. Schlimm ist lediglich, wenn Sie es nicht bemerken und abstellen.

      Warum ist es schlecht, wenn wir diesen Plapperdrang nicht abstellen? Weil wir uns damit selbst sabotieren. Wir bringen uns mit unserer ungezügelten Sprechflut selbst um unseren verdienten Lohn. Wie der Finanzvorstand: Er antwortet auf eine Frage mit ein, zwei gut gewählten Sätzen – aber anstatt danach zu schweigen und den Lohn dieser Sätze in Form von Anerkennung und Zustimmung seiner Kollegen einzustreichen, zerredet er buchstäblich seinen Erfolg. So lange, bis der Respekt seiner Kollegen sich in Verärgerung und die Anerkennung in Hohn verwandelt. Ein verbreitetes Phänomen.

      Wer quasselt, schadet sich selbst

      Die meisten Menschen bemerken ein Leben lang nicht, dass sie sich, ihr Image, ihre Karriere und ihre Erfolgschancen buchstäblich zerreden. Solange sie das nicht bemerken, werden sie es immer und immer wieder tun und ihrer Familie, den Kollegen, Mitarbeitern, Kunden und Vorgesetzten mit den Jahren so auf die Nerven gehen, dass diese nur noch ungern mit ihnen sprechen. Und dann wundern sich diese Quasselstrippen, warum sie unsympathisch wirken und von anderen gemieden werden oder ständig auf Einwände und Widerstände stoßen. Dabei sagt schon der Volksmund: »Weniger ist mehr.«

      Weniger Reden zeitigt mehr Wirkung. Das Schweigen gehört ebenso zur Kommunikation wie das Reden. Reden und Schweigen ergänzen sich. Nur Reden wirkt schwach, nur Schweigen ebenfalls. Es ist wie so oft im Leben: Die Mischung macht’s, die Ausgewogenheit, die Balance. Fehlt diese Balance, geht die Wirkung der Kommunikation fehl. Schweigen ist ein extrem wichtiges kommunikatives Element, weil es starke Wirkung erzielt. Eine dieser Wirkungen: Wer schweigt, wirkt intelligent. Das wusste schon der Volksmund, als er sagte: »Stille Wasser gründen tief.« Je weniger einer redet, desto tiefgründiger wirkt er: Die Aura des Tiefgründigen ist der Lohn des Schweigens.

      Stille Wasser gründen tief

      An anderen sehen wir unsere Fehler

      Dass im Laufe der Evolution einiges in unserem Kopf durcheinandergekommen ist, zeigen die Attributionen von Schweigen und Reden: Während wir ständig am Reden sind, weil wir glauben, uns verteidigen, rechtfertigen, durchsetzen, mitteilen, profilieren, sympathisch erscheinen lassen zu müssen, schätzen wir gleichzeitig Zeitgenossen wenig, die genau das auch tun. Wir verachten an anderen, was wir selbst falsch machen. (Freud hätte seine Freude an uns und würde das Transferenz nennen.) Daran liegt es, dass in allen Kulturen die Schweigsamen hoch geschätzt werden. Das Sprichwort mit den stillen Wassern dokumentiert das oder Redewendungen wie »Sie schwieg weise«. Schweigen wird mit Tiefgründigkeit, Weisheit, Souveränität, Bildung und Intelligenz in Verbindung gebracht. Wer schweigt, heimst sozusagen die Rendite des Schweigens, den Lohn der Stille ein. Wer schweigt, wirkt auf andere klug, souverän, selbstbewusst, gelassen, gebildet, erfahren, kompetent, glaub- und vertrauenswürdig. Auch wenn er oder sie das gar nicht ist! Wer das noch mit einem Lächeln kombiniert, wirkt gleich 20 Prozent intelligenter, wie Studien zeigen. Dieses Phänomen nennt der Psychologe Attribution (unbewusste Zuschreibung von Eigenschaften). Es ist dasselbe Phänomen, das Brillenträger intelligent erscheinen lässt. Oder das Menschen beim Jogging oder im Fitnessstudio sich schneller verlieben lässt: Sie verwechseln körperliche Aktivierung mit Liebe. »Liebe als Fehlattribution« lautet der Titel einer Studie über das Fitnessstudio-Phänomen. Umgekehrt gilt: Niemand mag Dauerredner. Sie wirken ordinär, unintelligent, rechthaberisch, aufdringlich und wenig vertrauenswürdig. Auch wenn sie keine einzige dieser schlechten Eigenschaften besitzen, sondern einfach bloß den Mund nicht halten können. Selbst Nobelpreisträger wirken so, wenn sie zu oft den Mund offen haben.

      Nobelpreisträger können schweigen

      Wobei mir kein einziger Nobelpreisträger einfällt, der auch nur halb so viel redet wie ein »normaler« Mensch. Irgendwie scheint unsere Wissenschaftselite den Nutzen und den Lohn des Schweigens bereits erkannt zu haben … Dasselbe kann ich nicht über die Wirtschaftselite sagen. Im Management gilt: »Lautsprecher werden bevorzugt befördert«, wie mir ein Ingenieur eines Weißwaren-Herstellers einmal versicherte und anfügte: »Fachkompetente werden bestraft, Quasseltanten befördert.« Das erklärt, warum wir eben in die schlimmste Wirtschaftskrise der Neuzeit gestürzt sind: Die meisten Manager (es gibt ungefähr 20 Prozent Ausnahmen) können besser reden als denken. Sie können sich mitteilen, aber nicht die Risiken ihrer Taten einschätzen. Sie sind gut im Karrieremanagement, schlecht beim Risikomanagement. Was uns das beschert, beschreibt das Peter-Prinzip: »Jeder steigt auf bis zum Level seiner maximalen Unfähigkeit.« Sein Korrelat lautet: Ab einer bestimmten Hierarchieebene werden wir in Wirtschaftsorganisationen nur noch Nieten im Nadelstreif finden (Ausnahmen bestätigen die Regel). Sozialwissenschaftler nennen das »Adverse Selection«: Es werden genau jene befördert, die der Organisation am meisten Schaden zufügen. Der Volksmund sagt das einfacher: den Bock zum Gärtner machen. Und alles nur, weil die Wirtschaft als eine der ganz wenigen Ausnahmen nicht glauben mag, dass Reden Silber und Schweigen Gold ist (warum sie das nicht glaubt, ist mir ein Rätsel).

      Trotzdem sollten Sie jetzt nicht zu der Schlussfolgerung gelangen, dass es am Arbeitsplatz immer besser ist, pausenlos dummes Zeug zu quasseln. Das ist möglicherweise gut für die Karriere, weil Vorgesetzte darauf hereinzufallen scheinen (wiederum: Ich weiß nicht, weshalb). Aber es ist ganz schlecht für Image, Respekt und den Kontakt auf kollegialer Ebene. Betrachten wir ein Beispiel.

      Wer schweigt, wirkt weise

      Ich kenne eine Akademikerin, die als Quereinsteigerin in einem Pharma-Unternehmen die ersten Wochen im neuen Job nur Bahnhof verstand. Sie ahnte, dass sie mit ein paar coolen Sprüchen ihre Vorgesetzten wohl hätte beeindrucken können. Doch dafür hätte sie sich vor den Kolleginnen und Kollegen geschämt: »Die kennen sich in der Regel besser mit der Materie aus als das Management und hätten meinen Bluff sicher durchschaut. Und ich will es mir auf keinen Fall mit den Kollegen und Kolleginnen verscherzen.« Deshalb hielt sie sich in Meetings und Besprechungen am Anfang mit Wortmeldungen zurück. »Aus vorübergehender Inkompetenz«, verriet sie mir. Ihre Kolleginnen und Kollegen sagten etwas ganz anderes über sie: »Die Neue hat was drauf!«, »Sehr angenehm, sehr kompetent.« Obwohl sie gerade nicht kompetent war! Wie kamen die anderen zu diesem Fehlschluss? Weil die Neue sich in Meetings zwar vornehm zurückhielt, aber den Gesprächen aufmerksam folgte und das in ihrer Mimik und mit nonverbalen Äußerungen (»Reassuring Noises«) auch deutlich signalisierte. Sie hielt sich instinktiv an die alte Empfehlung: Bevor ich etwas Dummes sage, sage ich lieber nichts – und strich den Lohn für ihr Schweigen in Form der Anerkennung ihrer Kollegen ein. Kennen Sie jemanden, der sich noch an diese Empfehlung hält? Eben. Die Leute um uns herum scheinen oft nur dummes Zeug zu reden. In bestimmten Bereichen wie Politik und Management scheint sogar das Gegenteil zu gelten: Lieber etwas Dummes als gar nichts gesagt. Und dann wundern sich (einige) Politiker und Manager noch, warum sie so ein schlechtes Image haben …

      Wer schweigt, wirkt intelligent. Wirkt intelligent? Tatsächlich ist er oder sie auch wirklich intelligent. Die naiven Zeitgenossen geben unreflektiert dem Impuls nach: »Ich habe keine Ahnung, aber ich muss doch hier etwas sagen!« Intelligente Menschen verspüren diesen Impuls auch. Doch sie geben ihm nicht nach. Sie widerstehen der Versuchung. Und dafür benötigt es ein beträchtliches Maß an Intelligenz. Intelligenz, die ich vielerorts vermisse. Vor allem in Autowerkstätten.

      Können Kfz-Mechaniker schweigen?

      Wenn das Auto einer Frau liegen bleibt und sie in einer Werkstatt vorstellig wird, wird sie manchmal mit Sprüchen aus der Steinzeit traktiert: »Sicher haben Sie vergessen zu tanken!« Selbst Akademikerinnen geht das so. Die Logik dahinter ist offensichtlich: Da promoviert eine in Bankbetriebswirtschaftslehre und führt ein Familienunternehmen, ist aber zu blöd, um einen Benzintank zu füllen?


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