Zwischen den Rassen. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.
Heinrich Mann
Zwischen den Rassen
Roman
Heinrich Mann
Zwischen den Rassen
Roman
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2021
EV: Albert Langen, München, 1907
1. Auflage, ISBN 978-3-962818-39-5
null-papier.de/711
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Anmerkungen zur Bearbeitung
Erster Teil
Zweiter Teil
Dritter Teil
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Ihr
Jürgen Schulze
Anmerkungen zur Bearbeitung
Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen; offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert.
Die Orthografie wurde der heutigen Schreibweise behutsam angeglichen.
Grundlage dieser Veröffentlichungen bilden folgende Ausgaben:
Albert Langen, München, 1907
Kurt Wolff Verlag, Leipzig, 1910
Aufbau-Verlag, Berlin, 1954
I
Die Schwarzen, die das Pferd am Zaum geführt hatten, mussten ihre Herrin auffangen: ihr ward schwach – und dann lag sie in Farren1 versteckt; ein Palmenblatt ward bewegt über ihrem dunkeln Scheitel; der große, hellhaarige Mann beugte sich zu seiner bleichen Gefährtin, und das Kind kam zur Welt. Die Bäume des Urwaldes standen starr und übermächtig daneben. Dorther, wo er sich lichtete, kam das Schlagen des Ozeans, und von drüben, aus der Finsternis das wilde Geschrei der Papageien und der Brüllaffen.
Das Kind lernte sprechen von seiner schwarzen Amme und laufen auf dem Sand zwischen Wald und Meer. Vom Rande des Meeres holte es Muscheln, die es von großen Steinen löste; und am Waldsaum erntete es abgefallene Kokosnüsse: daraus zogen ihm die Diener mit glühenden Spießen die süße Milch. Große, zuckerige Früchte hingen überall bei seinen Händchen; im Garten ertrank es in Blumen, und als goldene Funken schossen Kolibris um seinen Kopf.
Dann ward Brüderchen Nene groß genug, dass sich mit ihm spielen ließ. Man suchte zwischen Mauerritzen nach den winzigen runden Eidechseneiern und den Natterneiern, rund und weich. Vom Schwanz des Gürteltieres brachten einem die Neger die kleinsten Ringe: damit schmückte Nene der Schwester und sich selbst alle Finger; und dann fuhr man in einem Zuber den Bach hinab, und die schwarzen Kurubus auf ihren Büschen sahen einem, über ihre feuerroten Krummschnäbel hinweg, hoheitsvoll nach.
Und man erlebte in der Hauptstadt den Tropenregen: in den Straßen fuhren Kanus, und unablässig mussten die Schwarzen mit Schaufeln das Wasser aus den Zimmern stoßen – und den Karneval! An der Jalousietür saß man auf einem Stühlchen, über dem Gewimmel der Masken, und die schöne Mama warf Wachsbälle hinab: die platzten und tränkten die bunten Trachten mit flüssigem Duft. Aber aus einer Muschel, die ein ganz roter Mann an den Mund setzte, fuhr ein so schrecklicher Ton, dass man ihn nicht ertragen konnte, sondern sich mit seinem Stuhl zurückwarf und auch Nene mit umriss.
Und auf der Großen Insel – das Haus der Großeltern schwamm im Duft der Orangenblüten – sog man inmitten eines Heeres erntender Neger an einem Stückchen Zuckerrohr. Und zitternden, schreienden Laufes kam man von einer Begegnung mit der Boa heim! Und schaute, mit allen schwarzen, gelben und weißen Kindern der Pflanzung, erregten Auges und jubelnd zu, wie der Großvater viele Papierröllchen anzündete und sie in weiten, leuchtenden und zischenden Bögen über das Meer schoss. Das Meer schob einem lange, laue Schlangen über die bloßen Füßchen; im Hemdchen, das ein Gürtel enger schloss, fing sich ein Stoß warmen Nachtwindes; und hob man den Blick, schwindelte es einem, so voll war er auf einmal von Sternen!
Es war herrlich: man war wie alle anderen Kinder – und doch nicht ganz so. Vornehmer war man. Man hatte blondes Haar; nicht einmal Nene hatte es; und die schwarze Anna war sehr stolz darauf und konnte nicht genug Locken daraus wickeln. Man hatte auch einen blonden Papa: wer hatte den noch? Und kam er zu Besuch auf die Insel der Großeltern, und ging man an seiner Hand umher: viel größer war er als alle Menschen und immer ernst – und sah man alle ihn bewundern, dann durchrann einen selbst ein Schauer von stolzer und ehrfürchtiger Liebe.
Da aber – was bedeutete dies? – saß eines Nachmittags im Saal, wo Großmutter klöppelte, Mama, die schöne Mama, und weinte, ja, weinte laut. Kaum aber hatte sie ihr kleines Mädchen erblickt, stürzte sie darauf los, riss es an sich, fiel vor ihm auf die Knie, rief und rang das Schluchzen nieder:
»Lola! Meine Lola! Sag: bist du nicht mein?«
Mit einem Finger vor den Lippen, erschrocken fragend sah das Kind nach der Großmutter: die saß da, grade und streng wie immer, und klöppelte.
»Bist du nicht mein?« flehte die Mutter.
»Ja,