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Die Elixiere des Teufels. Nachgelassene Papiere des Bruders Medardus eines Kapuziners. E. T. A. HoffmannЧитать онлайн книгу.

Die Elixiere des Teufels. Nachgelassene Papiere des Bruders Medardus eines Kapuziners - E. T. A. Hoffmann


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schloss Reinhold seine Erzählung, die mich auf mannigfache Weise gefoltert hatte, indem die seltsamsten Widersprüche in meinem Innern sich durchkreuzten. Mein eignes Ich, zum grausamen Spiel eines launenhaften Zufalls geworden und in fremdartige Gestalten zerfließend, schwamm ohne Halt wie in einem Meer all der Ereignisse, die wie tobende Wellen auf mich hineinbrausten. – Ich konnte mich selbst nicht wiederfinden! – Offenbar wurde Viktorin durch den Zufall, der meine Hand, nicht meinen Willen leitete, in den Abgrund gestürzt! – Ich trete an seine Stelle, aber Reinhold kennt den Pater Medardus, den Prediger im Kapuzinerkloster in . . r –, und so bin ich ihm das wirklich, was ich bin! – Aber das Verhältnis mit der Baronesse, welches Viktorin unterhält, kommt auf mein Haupt, denn ich bin selbst Viktorin. Ich [83]bin das, was ich scheine, und scheine das nicht, was ich bin, mir selbst ein unerklärlich Rätsel, bin ich entzweit mit meinem Ich!

      Des Sturms in meinem Innern unerachtet gelang es mir, die dem Priester ziemliche Ruhe zu erheucheln, und so trat ich vor den Baron. Ich fand in ihm einen bejahrten Mann, aber in den erloschenen Zügen lagen noch die Andeutungen seltner Fülle und Kraft. Nicht das Alter, sondern der Gram hatte die tiefen Furchen auf seiner breiten, offnen Stirn gezogen und die Locken weiß gefärbt. Unerachtet dessen herrschte noch in allem, was er sprach, in seinem ganzen Benehmen eine Heiterkeit und Gemütlichkeit, die jeden unwiderstehlich zu ihm hinziehen musste. Als Reinhold mich als den vorstellte, dessen Ankunft die Baronesse angekündigt, sah er mich an mit durchdringendem Blick, der immer freundlicher wurde, als Reinhold erzählte, wie er mich schon vor mehreren Jahren im Kapuzinerkloster zu . . r – predigen gehört und sich von meiner seltnen Rednergabe überzeugt hätte. Der Baron reichte mir treuherzig die Hand und sprach, sich zu Reinhold wendend: »Ich weiß nicht, lieber Reinhold! wie so sonderbar mich die Gesichtszüge des ehrwürdigen Herrn bei dem ersten Anblick ansprachen; sie weckten eine Erinnerung, die vergebens strebte, deutlich und lebendig hervorzugehen.«

      Es war mir, als würde er gleich herausbrechen: »Es ist ja Graf Viktorin«, denn auf wunderbare Weise glaubte ich nun wirklich Viktorin zu sein, und ich fühlte mein Blut heftiger wallen und aufsteigend meine Wangen höher färben. – Ich baute auf Reinhold, der mich ja als den Pater Medardus kannte, unerachtet mir das eine Lüge zu sein schien: nichts konnte meinen verworrenen Zustand lösen.

      [84]Nach dem Willen des Barons sollte ich sogleich Hermogens Bekanntschaft machen, er war aber nirgends zu finden; man hatte ihn nach dem Gebürge wandeln gesehen und war deshalb nicht besorgt um ihn, weil er schon mehrmals tagelang auf diese Weise entfernt gewesen. Den ganzen Tag über blieb ich in Reinholds und des Barons Gesellschaft, und nach und nach fasste ich mich so im Innern, dass ich mich am Abend voll Mut und Kraft fühlte, keck all den wunderlichen Ereignissen entgegenzutreten, die meiner zu harren schienen. In der einsamen Nacht öffnete ich das Portefeuille und überzeugte mich ganz davon, dass es eben Graf Viktorin war, der zerschmettert im Abgrunde lag, doch waren übrigens die an ihn gerichteten Briefe gleichgültigen Inhalts, und kein einziger führte mich nur auch mit einer Silbe ein in seine nähere Lebensverhältnisse. Ohne mich darum weiter zu kümmern, beschloss ich, dem mich ganz zu fügen, was der Zufall über mich verhängt haben würde, wenn die Baronesse angekommen und mich gesehen. – Schon den andern Morgen traf die Baronesse mit Aurelien ganz unerwartet ein. Ich sah beide aus dem Wagen steigen und, von dem Baron und Reinhold empfangen, in das Portal des Schlosses gehen. Unruhig schritt ich im Zimmer auf und ab, von seltsamen Ahnungen bestürmt, nicht lange dauerte es, so wurde ich herabgerufen. – Die Baronesse trat mir entgegen – ein schönes, herrliches Weib, noch in voller Blüte. – Als sie mich erblickte, schien sie auf besondere Weise bewegt, ihre Stimme zitterte, sie vermochte kaum Worte zu finden. Ihre sichtliche Verlegenheit gab mir Mut, ich schaute ihr keck ins Auge und gab ihr nach Klostersitte den Segen – sie erbleichte, sie musste sich niederlassen. Reinhold sah mich an, ganz froh [85]und zufrieden lächelnd. In dem Augenblick öffnete sich die Türe, und der Baron trat mit Aurelien herein.

      Sowie ich Aurelien erblickte, fuhr ein Strahl in meine Brust und entzündete all die geheimsten Regungen, die wonnevollste Sehnsucht, das Entzücken der inbrünstigen Liebe, alles, was sonst nur gleich einer Ahnung aus weiter Ferne im Innern erklungen, zum regen Leben; ja das Leben selbst ging mir nun erst auf, farbicht und glänzend, denn alles vorher lag kalt und erstorben in öder Nacht hinter mir. – Sie war es selbst, sie, die ich in jener wundervollen Vision im Beichtstuhl geschaut. Der schwermütige, kindlich fromme Blick des dunkelblauen Auges, die weichgeformten Lippen, der wie in betender Andacht sanft vorgebeugte Nacken, die hohe, schlanke Gestalt, nicht Aurelie, die heilige Rosalie selbst war es. – Sogar der azurblaue Shawl, den Aurelie über das dunkelrote Kleid geschlagen, war im phantastischen Faltenwurf ganz dem Gewande ähnlich, wie es die Heilige auf jenem Gemälde und eben die Unbekannte in jener Vision trug. – Was war der Baronesse üppige Schönheit gegen Aureliens himmlischen Liebreiz. Nur sie sah ich, indem alles um mich verschwunden. Meine innere Bewegung konnte den Umstehenden nicht entgehen. »Was ist Ihnen, ehrwürdiger Herr?« fing der Baron an; »Sie scheinen auf ganz besondere Weise bewegt!« – Diese Worte brachten mich zu mir selbst, ja ich fühlte in dem Augenblick eine übermenschliche Kraft in mir emporkeimen, einen nie gefühlten Mut, alles zu bestehen, denn sie musste der Preis des Kampfes werden.

      »Wünschen Sie sich Glück, Herr Baron!« rief ich, wie von hoher Begeisterung plötzlich ergriffen, »wünschen Sie sich Glück! – Eine Heilige wandelt unter uns in diesen [86]Mauern, und bald öffnet sich in segensreicher Klarheit der Himmel, und sie selbst, die heilige Rosalia, von den heiligen Engeln umgeben, spendet Trost und Seligkeit den Gebeugten, die fromm und gläubig sie anflehten. – Ich höre die Hymnen verklärter Geister, die sich sehnen nach der Heiligen und, sie im Gesange rufend, aus glänzenden Wolken herabschweben. Ich sehe ihr Haupt strahlend in der Glorie himmlischer Verklärung, emporgehoben nach dem Chor der Heiligen, der ihrem Auge sichtlich! – Sancta Rosalia, ora pro nobis!«

      Ich sank mit in die Höhe gerichteten Augen auf die Knie, die Hände faltend zum Gebet, und alles folgte meinem Beispiel. Niemand frug mich weiter, man schrieb den plötzlichen Ausbruch meiner Begeisterung irgendeiner Inspiration zu, so dass der Baron beschloss, wirklich am Altar der heiligen Rosalia, in der Hauptkirche der Stadt, Messen lesen zu lassen. Herrlich hatte ich mich auf diese Weise aus der Verlegenheit gerettet, und immer mehr war ich bereit, alles zu wagen, denn es galt Aureliens Besitz, um den mir selbst mein Leben feil war. – Die Baronesse schien in ganz besonderer Stimmung, ihre Blicke verfolgten mich, aber sowie ich sie unbefangen anschaute, irrten ihre Augen unstet umher. Die Familie war in ein anderes Zimmer getreten, ich eilte in den Garten hinab und schweifte durch die Gänge, mit tausend Entschlüssen, Ideen, Plänen für mein künftiges Leben im Schlosse arbeitend und kämpfend. Schon war es Abend worden, da erschien Reinhold und sagte mir, dass die Baronesse, durchdrungen von meiner frommen Begeisterung, mich auf ihrem Zimmer zu sprechen wünsche.

      Als ich in das Zimmer der Baronesse trat, kam sie mir einige Schritte entgegen, mich bei beiden Armen fassend, [87]sah sie mir starr ins Auge und rief: »Ist es möglich – ist es möglich! – Bist du Medardus, der Kapuzinermönch? – Aber die Stimme, die Gestalt, deine Augen, dein Haar! Sprich, oder ich vergehe in Angst und Zweifel.« – »Viktorinus!« lispelte ich leise, da umschlang sie mich mit dem wilden Ungestüm unbezähmbarer Wollust, – ein Glutstrom brauste durch meine Adern, das Blut siedete, die Sinne vergingen mir in namenloser Wonne, in wahnsinniger Verzückung; aber sündigend war mein ganzes Gemüt nur Aurelien zugewendet, und ihr nur opferte ich in dem Augenblick durch den Bruch des Gelübdes das Heil meiner Seele.

      Ja! Nur Aurelie lebte in mir, mein ganzer Sinn war von ihr erfüllt, und doch ergriff mich ein innerer Schauer, wenn ich daran dachte, sie wiederzusehen, was doch schon an der Abendtafel geschehen sollte. Es war mir, als würde mich ihr frommer Blick heilloser Sünde zeihen und als würde ich, entlarvt und vernichtet, in Schmach und Verderben sinken. Ebenso konnte ich mich nicht entschließen, die Baronesse gleich nach jenen Momenten wiederzusehen, und alles dieses bestimmte mich, eine Andachtsübung vorschützend, in meinem Zimmer zu bleiben, als man mich zur Tafel einlud. Nur weniger Tage bedurfte es indessen, um alle Scheu, alle Befangenheit zu überwinden; die Baronesse war die Liebenswürdigkeit selbst, und je enger sich unser Bündnis schloss, je reicher an frevelhaften Genüssen es wurde, desto mehr verdoppelte sich ihre Aufmerksamkeit für den Baron. Sie gestand mir, dass nur meine Tonsur, mein natürlicher Bart sowie mein echt klösterlicher


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