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Flöten und Dolche. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Flöten und Dolche - Heinrich Mann


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      Flöten und Dolche

      HEINRICH MANN

      

      

      

       Flöten und Dolche, H. Mann

       Jazzybee Verlag Jürgen Beck

       86450 Altenmünster, Loschberg 9

       Deutschland

      

       ISBN: 9783849660062

      

       Grundlage dieser Ausgabe ist die Ausgabe des Jahres 1905, die auf GITENBERG (https://github.com/GITenberg/Fl-ten-und-Dolche--Novellen_31218) zur Verfügung steht. Der Text wurde überarbeitet und in großen Teilen der neuen, deutschen Rechtschreibung angepasst.

      

       www.jazzybee-verlag.de

       [email protected]

      

      

      INHALT:

       Pippo Spano. 1

       I. Die Komödie. 1

       II. Das Wunder 8

       III. Der Glaube. 13

       IV. Die Tat 24

       Fulvia. 30

       Drei-Minuten-Roman. 37

       Ein Gang vors Tor 41

      Pippo Spano

      I. Die Komödie

      „Und verratet mich nicht,“ sagte Mario Malvolto zu seinen zwei Freunden. „Lasst sie glauben, ich käme zurück.“

      „Du kommst nicht?“

      „Ich muss nach Hause. Ich habe Kopfschmerzen … Nein, ich will euch gestehen, ich muss allein sein.“

      „Deinen Triumph überdenken. Gute Nacht, glücklicher Dichter.“

      „Schlafen wirst du kaum.“

      „Wer weiß. Gute Nacht.“

      Die andern gingen hinein. Mario Malvolto stand noch einen Augenblick oben an der Treppe. Hinter ihm verhallte das Bankett zu seinen Ehren. Links und rechts neigten sich tief zwei Lakaien voll goldener Schnüre. Er hielt seine schmächtige Gestalt ganz steif und schritt hinab, über den blassen, dicken Teppich, zwischen den vergoldeten Geländern.

      „Diese Eitelkeit muss ausgekostet werden,“ dachte er dabei. „Drinnen arbeitete ich zu sehr an meiner Rolle. Jetzt beherrsche ich das Erlebnis.“

      „Wohin fahren wir, Herr Malvolto?“ fragte der Kutscher.

      „Nach Settignano.“

      „Warum fragte denn der. Meinte er, ich fahre jetzt noch zu Mimi? O Mimi, du hin und her wehendes Seidenfähnchen! Bald flattert es dem um den Hals, bald jenem. Ich hab’ es geküsst, so oft an mir die Reihe war, habe sogar Abenteuer hineingestickt. Ja, Mimi, kleine Kokotte mit flüchtigen Impulsen, aber ohne Spur von Größe in deiner Sinnlichkeit, ich habe dir Leidenschaften angedichtet, habe sie zu meiner eigenen Genugtuung, aus Eitelkeit, aus Sehnsucht, deinen ganzen Lebenslauf entlang aufgestellt, wie Puppen, die große Gebärden schleudern. Du warst nur ein Mädel. Adieu, Mimi.

      Wir wünschen mehr, wünschen Stärkeres. So etwas wie Mimi lässt sich noch neben einer Tragödie her lieben. Es nimmt so wenig Herz ein. Meine Tragödie hat heute Abend gesiegt. Ja, ich werde stark. Aber es heißt von den kleinen Genugtuungen ganz frei bleiben, die schwach erhalten, und die Der verbietet, der in meinem Zimmer über seine eiserne Schulter hinweg mich herausfordert!“

      Nahm dieses enge Florenz kein Ende? Es verlangte ihn auf einmal heftig nach der Luft von seinen Hügeln, nach der von Öllaub durchschimmerten, von Lorbeer gewürzten Luft, die ihn bitter und sanft auf den Mund küsste. Die Gassen ließen noch immer ihr nächtliches Echo klappern. Der Schatten von Pferd und Kutscher stieg die Mauern hinauf und hinab. Dann lichteten sich die Vorstadthäuser. In die ersten Gärten tauchte das Mondlicht.

      „Ich habe den Hügel dort hinten erobert, der mein Haus trägt. Und nicht bloß ihn — alle diese Hügel hab’ ich erobert.“

      Seine Hand formte in der Luft einen Halbkreis; sie glitt über das entfernte Bild eines Hügels, wie über eine Frauenbrust.

      „Dies ganze Land, alle seine Städte, jedes Haus, bis auf das letzte, hab’ ich erobern müssen. Denn mir gehörte keines. Kein heimlicher Feldweg in keinem Winkel des Landes kennt mich von meinem Anfang an. Bedenke das heute. Du bist auf dem Meer geboren, von einer Mutter aus fremdem Volk. Deine tragische Kunst hat um dieses Land, um jede seiner Ackerfurchen geworben, wie ein sehnsüchtiger Pilger im Kettenhemd, der aus Inbrunst Blut vergießt.

      Jetzt hab’ ich Fuß gefasst. Jeder in Italien weiß, in welchem Dorf und auf welchem Tisch das Blatt Papier liegt, das ich mit Zeichen bedecke. Heute Nacht sind die Besiegten an mir vorübergezogen, ein ganzer Theatersaal, von mir unterworfen. Was habe ich zu vermerken? Elf Hervorrufe. Die Worte der Königin. Den Händedruck des Grafen von Turin. Dann das Bankett. Die beiden Deputierten, das Telegramm des Ministers. Der Bürgermeister redet. Die Kollegen helfen sich mit Ironie. Was noch? Nichts; keine Frauen beim Bankett. Keine Frauen — was bleibt von allem also übrig.“

      Aus dem Wagen gelehnt, das Kinn in der Hand, sah Mario Malvolto zu, wie die Blütenbäume weithin in bleichem Lichte schwammen. Vor Ponte a Mensola meinte er einen Augenblick einen zweiten Wagen zu entdecken, dem seinigen voraus, in der Höhe. Er war gleich wieder verschwunden. Das Verdeck war aufgestellt gewesen. Der Kutscher hatte nichts gesehen, und wer sollte die Nacht auf der Landstraße verbringen.

      „Ob sie’s eigentlich wissen, die Frauen, dass alles im Grunde nur für sie geschieht? Manche tun, als ob sie an den Geist glaubten — an den Geist, das hilflose Kind, das ohne unsere Sinne nicht stehen und gehen kann. Wir haben nur unsere Sinnlichkeit; und wem gilt die, wie heißt ihr höchster Preis? O, eine Sitzung am Schreibtisch ist verschwendetes Werben um die Frau, eine durchdichtete Nacht ist eine fruchtlose Liebesnacht. Ob sie’s wissen? Was frag’ ich. Ihr Misstrauen gegen das Talent lehrt mich genug, und ihre Vorliebe für den Dummkopf, der nur ihnen gehört, und nicht dem Buch. Die Frau und das Buch, das sind Feinde.

      Ein Dichter von zwanzig Jahren, ich kann mich entsinnen, hat ihnen zu viel zu sagen — darum schweigt er linkisch; sucht zu viel Leidenschaft — das ist den Wesen unbequem, die keinen Rausch kennen als den der Eitelkeit. Ich habe damals von jeder einzelnen geträumt, so viele in einem Salon saßen, oder in den Wagen beim Korso. Mit fanatischer Entschlossenheit und fürs Leben hätte ich mich der zu Füßen geworfen, die mich erkannt hätte. Sie sind nicht so dumm. Keine einzige fühlt sich berufen, unsere neurasthenischen Überreiztheiten zu trösten. Sie gesellen sich niemals unsern einsamen Verfeinerungen, sondern unfehlbar dem wohlgelungenen Typus. Den erhalten sie, das ist ihre Bestimmung. Sie lassen es, unwissend über ihre Funktion, geschehen, dass wir schönen Krankhaftigkeiten uns an ihnen zugrunde richten. Sie aber sind von der Menschheit das Unverwüstliche. Und ich bete sie an, weil ich die Kraft anbete!

      Mitten aus meinen Schüchternheiten heraus entführte ich mich damals plötzlich — mich, und die


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