Sechs Romane Die Raumflotte von Axarabor - Der unendliche Ozean. W. A. HaryЧитать онлайн книгу.
Er hob die Hände und betrachtete sie. Ja, das waren Hände. Hatten Bären denn nicht tödliche Pranken?
Ja, gewiss, Bären, aber keine Raumbären!
Wieso hatte er bis vor einer Minute geglaubt, ein Mensch zu sein, um jetzt festzustellen, dass er kein Mensch, sondern ein Raumbär war?
Es verwirrte ihn zutiefst.
Und dann erinnerte er sich daran, dass er doch soeben erst am Boden erwacht war. Wie aus einem Traum.
Dann hatte er wohl nur geträumt, ein Mensch zu sein?
Immer noch verwirrt schaute er umher und stellte endlich fest, sich auf einer kleinen Insel zu befinden. Er stand inmitten dieser Insel, auf einer blühenden Wiese. Es gab geduckte Büsche, wie zufällig verteilt. Eine wahre Idylle.
Irgendetwas war ungewöhnlich. Obwohl näher betrachtet eigentlich die gesamte Situation mehr als ungewöhnlich war, aber diese eine Tatsache, dieser eine Fakt, war noch ungewöhnlicher als alles andere: Es gab keinerlei Insekten!
Und gerade Insekten waren die größte Plage überhaupt auf der Welt, von der er stammte. Deshalb hatten Raumbären in erster Linie ihr eigenes Fell. Nicht um sich damit vor Kälte zu schützen, obwohl das sogar nahe des Äquators die meiste Zeit des Jahres von Nutzen war, sondern weil das Fell den aggressiven Insektenbiestern kaum Gelegenheit gab, sie zu pieksen, zu beißen oder sonst wie zu quälen.
Immerhin gab es auf seiner Welt Insekten, die sogar bei klirrender Kälte putzmunter sein konnten, weil sie wesentlich robuster waren als auf allen anderen Welten, die er jemals besucht hatte.
»Eigentlich sind wir Raumbären Menschen mit Fell!«, pflegte er zu sagen. Daran erinnerte er sich recht deutlich. »Wir sehen durch unser Fell nur völlig anders aus.«
Kam daher der seltsame Traum, ein Mensch zu sein, der auf dieser Insel lebte, in friedlicher Koexistenz mit anderen Menschen auf den umgebenden Inseln?
Sein Blick fiel in eine bestimmte Richtung. Nicht zufällig, denn er hatte aus den Augenwinkeln eine Bewegung erkannt.
Darin waren Raumbären besonders gut, denn nur so konnten sie verhindern, dass die Insektenbiester ihre Augen versuchten zu malträtieren. Obwohl diese Augen nicht ganz so ungeschützt waren wie sie erschienen. Es gab eine dicke Hornschicht, die so stabil war, als würde sie aus Glas bestehen. Das ließ ihre Augen unmenschlich erscheinen und dabei beinahe wie hinter einer Brille verborgen, obwohl sie hinter der glasartigen und verzerrenden Hornsubstanz kaum anders waren als die eines normalen Menschen.
Die Bewegung entpuppte sich bei näherem Hinsehen als ein Boot mit mehreren Menschen an Bord und mit Kurs auf seine Insel.
Per-nat setzte sich in Marsch, um diesen Menschen entgegen zu gehen. Er wollte schon am Ufer stehen, bevor das Boot anlegte. Nicht aus Freundlichkeit, sondern einfach nur, weil er endlich wissen wollte, was hier überhaupt vor ging.
13
»Verdammte Hurenscheiße!«, fluchte Sergeant Proll, als er feststellte, dass seine Waffe weg war.
Das war schließlich nicht nur irgendeine Waffe, sondern das war seine heiß geliebte Susi! Die einzige Frau, die er jemals in seinem Leben gehabt hatte. Keine andere Frau wollte sich jemals mit ihm einlassen. Susi war ihm stets treu, und wenn es jemand wagte, danach zu grapschen, bekam er kräftig eins aufs Maul.
»Susi!« Beinahe weinte er. Aber natürlich nur beinahe. Schließlich war er ein Mann. Mehr noch: Ein unbesiegbarer Kämpfer. Das hing zwar damit zusammen, weil er grundsätzlich nur gegen jemanden kämpfte, den er auch besiegen konnte, aber immerhin: Unbesiegbar blieb unbestreitbar unbesiegbar!
Und wie, zum verfickten Raumteufel, war er auf diese verkackte Insel gekommen? Eine so langweilige Insel wie sie langweiliger gar nicht sein konnte? Ohne Weiber, die vor ihm flohen, ohne Müll, Gestank und Dreck, sondern wie die Idylle aus einem Sommertraum?
Er spuckte verächtlich zu Boden.
Da sah er das Boot, das von der Nachbarinsel aus kommend sich seiner Insel näherte.
Er runzelte die Stirn und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.
»Wart ihr das, ihr beschissenen Hurensöhne, die mir Susi geklaut haben, als ich bewusstlos war?«
Er war bewusstlos gewesen?
Genau das wurde ihm jetzt erst klar.
Ja, richtig, er hatte sich am Boden liegend wiedergefunden, war aufgesprungen, hatte nach seiner Waffe, seiner Susi, greifen wollen...
»Wo bin ich?«
Ein Traum war dem Erwachen voraus gegangen. Irgendwo ein absurder Traum von einem Raumschiff, das schwer beschädigt war. Zwei seltsame Wesen mit an Bord. Ein Raumbär und ein Rieseninsekt, so groß wie ein Mensch.
»Posh!«, entfuhr es ihm. Ja, genau, dieses Rieseninsekt nannte sich Posh. Dabei wusste doch jeder, dass seine Rasse so hieß. Also konnte das gar nicht sein richtiger Name sein.
Ach so, er nannte sich deshalb einfach nur Posh, weil es von seiner Sorte sowieso kaum einen gab innerhalb des Bereiches des Imperiums. Er war so eine Art Ausnahme, weil er seinen Heimatplaneten verlassen hatte. Das gelang nur denjenigen normalerweise, die im besonderen Auftrag von seinem Volk ausgesendet worden waren. Zum Beispiel, um diplomatische Beziehungen mit den Menschen oder anderen Völkern zu unterhalten.
Posh war einfach nur abgehauen. Er war eigentlich schon auf der Flucht gewesen, als er auf ihn, der sich Sergeant Proll nannte, und diesen Raumbären Per-nat gestoßen war.
Hieß der Raumbär tatsächlich so?
Sergeant Proll hatte das bis heute nicht herausgefunden, nicht nach Jahrzehnten des Zusammenseins.
»Verdammt und noch eins, das sind meine Kumpels. Schon so lange. Wir sind wie eine Familie. Und wo stecken sie jetzt?«
Halt, war das denn nicht einfach nur ein Traum gewesen, den er vor dem Erwachen gehabt hatte?
Nein, da war noch ein Traum. Erst der an Bord des Schiffes. Und dann war alles irgendwie dunkel geworden. Nicht lange. Die Insel. Er hatte sich plötzlich auf der Insel befunden und sich als normaler Mensch gefühlt.
Als normaler Mensch!
»Igitt!«
Er, Sergeant Proll, ein normaler Mensch? Also das, was er sein Leben lang mit aller Macht zu verhindern gewusst hatte?
Er griff wieder nach Susi, nur um erneut festzustellen, dass sie nicht mehr da war.
Hatte er sie an Bord des Schiffes zurückgelassen? Und was war aus dem Schiff überhaupt geworden, nachdem er von Bord gegangen war?
Nicht freiwillig!
Dieser Gedanke elektrisierte ihn regelrecht: Er war nicht freiwillig von Bord gegangen. Das Schiff hatte sich mit vollem Tempo jenem Planeten mit dem Namen Epiphanee genähert. Ohne sie an Bord war es an der Planetenoberfläche zerschellt.
Andererseits, selbst wenn das Schiff es geschafft hätte, darauf zu landen, wäre es vernichtet worden von der unbarmherzigen Hitze auf dieser Welt, auf der die Meere nicht aus Wasser bestanden, sondern aus flüssiger Lava.
Dazu kam die ultrahohe Strahlung, deren Ursache niemand kannte. Die energetischen Vorgänge auf Epiphanee waren ein unlösbares Rätsel und würden es nach Lage der Dinge auch für immer bleiben, denn es hieß, niemals sei ein Raumschiff von hier zurückgekehrt.
»Genauso wenig wie wir!«
Dies war eine Erkenntnis, die ihm vorübergehend den Atem raubte. Aber nur vorübergehend, denn das Boot erreichte inzwischen seine Insel.
Langsam schritt er den Insassen