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Fettnäpfchenführer Thailand. Daniel MullerЧитать онлайн книгу.

Fettnäpfchenführer Thailand - Daniel  Muller


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      Eigentlich ist es nicht sonderlich kompliziert: Es gibt eine Reihe von Eigentümlichkeiten anderer Völkerschaften, über die sollte man schlicht und ergreifend Bescheid wissen. Besonders dann, wenn man für längere Zeit seine Zelte im Ausland aufschlagen will, ist es mehr als vorteilhaft, diesbezügliche Erkundungen einzuholen. Halbwegs sattelfeste Grundlagenkenntnisse über die herausstechendsten Kuriositäten, Stolperfallen und kulturellen Tretminen des Gastlandes helfen eminent dabei, lauernde Fauxpas-Gruben geschickt zu überspringen. Der Sinn der Übung: Es geht darum, sich – und anderen – nicht unnötig das Leben schwer zu machen. Gewusst wie, spart Energie! Ein vergleichsweise harmloses Beispiel hierfür ist die Spitznamen-Marotte der Thais. Als Faustformel kann dabei gelten, dass Namensangaben, die nur aus einer Silbe bestehen, auf einen Spielnamen hindeuten. Häufig wird dabei vom regulären Namen lediglich die erste oder letzte Silbe verwendet.

      Da Thais sich manchmal Spitznamen geben, weil sie mit ihren etwas obskuren, etwa aus dem Reich der wilden Tiere stammenden Originalnamen unzufrieden sind, sollte man hier keinen detektivischen Spürsinn walten lassen und nicht endlos nachbohren. Denn dann würde ja der mühsam erdachte Parallelname seinen Charme verlieren. Vielleicht legt man sich für den Aufenthalt in Thailand ja vorübergehend auch selbst einen inspirierenden Alias-Namen zu. Etwas unübersichtlich kann es jedoch werden, wenn sich am Telefon jemand mit einem in Thailand weithin beliebten Spitznamen wie Jum, Lek, Ken oder Toy meldet und man mehrere gleichnamige Personen kennt. Dann sind gewisse ermittlungstechnische Fähigkeiten unerlässlich.

      3

       HÄNDE GEFALTET, NICHT GESCHÜTTELT

      Die unvorteilhaften Schwingungen der etwas verkorksten Vorstellungsrunde sind genauso schnell verflogen, wie sie gekommen sind. Die Thais scheinen kein nachtragendes Volk zu sein. Heiter und beschwingt geht es zum Parkplatz. Herr Srinath verstaut die Kofferkollektion der Meyers umsichtig im Kofferraum. Auf geht’s, die ersten Impressionen warten! Die Fahrt verläuft auf einer achtspurigen, auf langen Stelzen gebauten Schnellstraße in Richtung City. Beiderseits wird zwischen den haushohen, Billboards genannten Reklametafeln ein dichter Wald aus saftig-grünen Bananenstauden sichtbar. Auf den Plakaten sind attraktive junge Menschen zu sehen, die nachdrücklich auf die Vorzüge ausgewählter Sanitärartikel, Tütensuppen und Smartphones aufmerksam machen.

      »Ich frage mich, warum die Models alle so westlich aussehen, die haben ja eine fast weiße Haut«, denkt Susanne laut nach.

      »Ich glaube gelesen zu haben, dass die Thais nicht so auf Sonnenbaden stehen«, sagt Martin.

      Die in der Ferne aufragenden Wolkenkratzer Bangkoks rücken mit jeder Reifenumdrehung näher. Ratatat, ratatat, ratatat. Nach nicht allzu langer Zeit geht es von der Schnellstraße ab, zuvor ist noch eine Maut zu entrichten. Wie menschliche Roboter nehmen die Kassierer den fälligen Betrag entgegen. Jeder Handgriff sitzt, ist schon tausendmal erprobt. Und ratzfatz befindet man sich mittendrin im quirligen Großstadtdschungel.

      »Hier geht ja richtig die Post ab! Ein einziges Gewusel«, bringt Lisa die Szenerie prägnant auf den Punkt.

      Martialisch gekleidete Polizisten mit weißem OP-Mundschutz dirigieren mit gebieterischen Gesten den Verkehr. Nachtschwarz abgedunkelte und hermetisch von der Außenwelt abgeschottete Toyota-Pick-ups fädeln sich behände wie frisch geschlüpfte Kaulquappen in den Verkehr ein. Motorrad-Taxis nutzen noch die schmalste Gasse, weichen, wenn es sein muss, auf den Bürgersteig aus. Wobei von Bürgersteigen nicht so recht die Rede sein kann, da die meisten Straßen links und rechts von Warenständen, Garküchen und fliegenden Händlern flankiert werden.

       STADT DER (GEFALLENEN) ENGEL

      Bangkok lässt niemanden kalt. Hier hat man Stellung zu beziehen. In Thailands Hauptstadt findet sich so ziemlich alles, was man mag oder verachtet. Die Stadt ist wie eine charmante Mischung aus einer Streicheleinheit und einem Kinnhaken. Schönes vermählt sich mit Unansehnlichem. Die Thais benutzen für Bangkok den hübschen Namen Krung Thep, »Stadt der Engel«. Es fragt sich nur, ob sich die Himmelswächter ausgerechnet hier niederlassen würden. Zumindest würden sie wohl einen großen Bogen um die Rotlichtdistrikte mit ihren dubiosen Gewächsen machen.

      Zwölf Millionen Menschen leben im Großraum Bangkok, wobei nicht ganz klar ist, wo die Metropole eigentlich anfängt und wo sie endet. Gegensätze prägen jede Großstadt. In Bangkok ist jedoch alles eine Spur intensiver: Die Stadt ist zum einen eine gigantische Orgie aus Glas, Stahl und Beton, zum anderen finden sich auch (kleine) Refugien der Ruhe und Einkehr. Hippe Gutverdiener treffen auf bettelarme Zuwanderer vom Land. Einerseits geht es in Bangkok um den schnellen Profit, andererseits gibt es auch hier Raum für Moral und Zuwendung.

      Doch egal, wie man zu Bangkok steht, eines ist Fakt: Die auf flachem Sumpfland erbaute Stadt verliert zusehends ihr Fundament. Denn infolge des gigantischen Wasserbedarfs sinkt der Grundwasserspiegel fortwährend. Da hierdurch der Gegendruck im Boden gemindert wird, sackt auch die Stadt immer weiter ab.

      Experten haben einen Wert von zehn Zentimetern pro Jahr seit Ende der 1970er-Jahre errechnet. Und da die Stadtfläche weitgehend zubetoniert ist und das Regenwasser nicht mehr im Boden versickern kann, nehmen die Überschwemmungen in der Regenzeit immer schwerere Ausmaße an. Einige Politiker haben deshalb bereits die Idee einer Stadt-Verlegung oder die Errichtung einer zweiten Hauptstadt ins Spiel gebracht.

      Herr Srinath teilt den Meyers mit, dass es nun nicht mehr weit bis zu ihrem neuen Domizil ist.

      »Ich bin echt auf unsere Haushälterin gespannt«, sagt Lisa. »Das ist auch wieder so ein komischer Name: Madame Sopapun.«

      Herr Srinath schweigt.

      »Jedenfalls haben die Leute von der Agentur gesagt, dass sie eine Seele von Mensch sei und auch Erfahrung mit Ausländern hat. Hoffentlich stellen wir uns nicht allzu dusselig an«, merkt Martin an.

      »Madame Sopapun – ich finde, das hat etwas von Flaubert«, meldet sich Susanne zu Wort.

      Sie erreichen den Apartmentkomplex. Gärtner sind emsig zugange, den natürlichen Wildwuchs der Pflanzen im angeschlossenen Garten in ästhetische Formen zu kanalisieren.

      Der Immobilienmakler erwartet sie schon. Sie steigen aus und verabschieden sich, wobei Herr Srinath zahlreiche Halb-Verbeugungen macht. Martin will dem Makler die Hand geben, muss aber feststellen, dass dieser erst stutzt, dann etwas erschrocken einen halben Meter Abstand nimmt und ihn anschaut, als hätte er sich ihm auf ungebührliche Weise genähert. Martin zieht seine Hand zurück und versucht es mit einem Nicken, das der Makler nun sichtlich erleichtert erwidert. Er führt die Meyers zu ihrer Etagenwohnung und schließt die Tür auf. Eine Wohlfühloase kommt zum Vorschein. Hell, geräumig mit einladenden Rattan-Möbeln eingerichtet. Lisa nimmt umgehend das für sie reservierte Zimmer in Beschlag.

      Es klingelt. Und da ist sie: ihre Haushälterin, ihre Verbündete, ihr Fels in der Brandung des thailändischen Alltags. Die Chemie stimmt auf Anhieb, ohne dass auch nur ein Wort gewechselt wurde. Andächtig stehen die Meyers vor Madame Sopapun, die eine angenehme und zutiefst beruhigende Aura verströmt. Ein menschliches Konzentrat aus Jahrtausenden asiatischer Weisheit, Heiterkeit und Kontemplation. Eine einigermaßen exakte Altersangabe ist kaum möglich. Sie könnte vierzig, aber genauso gut auch sechzig sein. Die Uhren in Asien sollen ja bekanntlich anders ticken, was das zeitlose Aussehen vieler Asiaten erklären könnte. Die vielen Lachfältchen um die wachen Augen zeugen jedenfalls von einem uneingeschränkt fröhlichen Naturell. Die beiden Parteien stehen sich erwartungsvoll gegenüber.

      Ein herzliches Lächeln aus den Tiefen ihres Gemütes huscht über die Lippen der Haushälterin. Dann faltet sie die Hände wie im Gebet zusammen und hält sie sich vor die Brust. Was hat das nun wieder zu bedeuten? Lisa, die sich mit einigem Nachdruck durch ihre Eltern hindurchgezwängt hat, weiß, was es mit dieser Geste auf sich hat. Genau das ist ein wai! So begrüßt man sich Thailand, im Land von Mangos und Chilis, der buddhistischen Tempel, lächelnden Menschen


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