Sammelband 5 eisenharte Western Juni 2019. Pete HackettЧитать онлайн книгу.
Toms vom Schmerz gezeichnetes Gesicht stahl sich ein Lächeln.
„Sie sind ein feiner Kerl, Dreek. Das werde ich Ihnen nie vergessen!“, sagte er dankbar.
Cory wandte sich abrupt um und verließ den Raum. Das Mädchen folgte ihm mit hängenden Schultern.
„Und nun schlafen Sie, Calhoun“, sagte der Kutscher. „Ich werde aufpassen.“
Tom Calhoun hatte sich etwas aufgerichtet.
„Unter diesen Umständen können Sie die Tasche natürlich wieder losmachen“, sagte er.
Dreek band die Tasche los. Unentschlossen hielt er sie in der Hand.
„Wenn Sie sie auf den Tisch legen, kann sie von allen beobachtet werden. Wie ist es mit Kieler?“
„Er hat es nicht leicht gehabt im Leben und ist immer arm gewesen, Calhoun. Aber nach fremdem Eigentum würde er nie seine Hand ausstrecken.“
Aufatmend sank Tom auf sein Lager zurück.
Dreek ging zum Tisch und ließ die Tasche darauf fallen. Dann verließ auch er das Haus.
*
„Mach Platz, verdammt!“, knurrte der Kutscher und drückte den Kopf des Pferdes mit der Schulter zur Seite, um die Futterkrippe füllen zu können. Mit dem leeren Eimer ging er zurück und verließ den Stall. Er sah, dass das Tor noch offenstand.
Arglos ging er weiter. Dem Mädchen, das an der Hauswand lehnte, warf er nur einen kurzen Blick zu.
Dann war er im Schuppen. Dämmriges Halbdunkel umgab ihn. Ein schwacher Lichtschimmer kroch durch das kleine, von Spinnweben überzogene Oberlicht.
Dreek klappte den Deckel der großen Futterkiste auf und füllte den Eimer mit der linken Hand. Von irgendwo drang ein Knistern an seine Ohren. Als er sich umwandte, schien es ihm, als würde die vom Rost schon fast zerfressene Kelte, die von einer Dachstrebe hing, wackeln. Wachsam glitt sein Blick weiter. Aber nirgends war etwas Verdächtiges zu sehen.
Da wandte er sich wieder dem Futterkasten zu und füllte den Eimer bis zum Rand. Brummend ging er zur Tür. Er hatte sie schon fast erreicht, als er wieder ein Geräusch hörte. Jetzt war es direkt hinter ihm. Er wollte den Eimer absetzen und sich umwenden, als etwas Hartes auf seinem Kopf explodierte und er zur Seite geschleudert wurde.
Dreek taumelte an die Wand und brach zusammen. Scheppernd rollte der Zinkeimer über den Boden.
„Was nun?“, fragte Lola Starr mit bebenden Lippen, als sie den Spieler sah, der auf sie zukam.
Cory grinste. Vor ihr blieb er stehen und öffnete die Hand. In ihr lag der kleine Schlüssel, der für Ben Warthon die Freiheit bedeutete.
„Was ist mit Dreek?“, fragte sie.
„Was soll schon mit ihm sein? Er schläft. In einer Stunde ist er wieder fit."
Erleichtert atmete das Mädchen auf.
„Und was ist mit Calhoun?“
„Ich glaube, er schläft.“
„Wo steckt der Stationer?“
„Er ist in der Küche. Wenn wir noch etwas warten, wird er Dreek suchen. Ich glaube, im Haus macht es sehr viel Krach.“
„Ich werde im Stall warten“, sagte Cory und wandte sich ab.
Lola gab sich Mühe ruhig zu sein. Doch es gelang ihr nicht. Ihr Atem ging stoßweise, und auf einmal beschlich sie das eigenartige Gefühl, dass es besser wäre, aus diesem gnadenlosen Spiel auszusteigen. Zugleich aber dachte sie daran, dass es dazu schon zu spät war. Die ganze Sache war schon zu weit gediehen.
Die lähmende Stille überall zerrte an ihren Nerven. Plötzlich hörte sie Schritte, und ihr Herz begann rasend zu schlagen. In ihren Ohren rauschte das Blut, dass sie glaubte, kein anderes Geräusch mehr hören zu können.
Der Stationer stand in der Tür. Noch einmal wandte er sich um, als müsste er sich versichern, dass die Tasche noch an ihrem Platz lag. Dann wandte er sich ab.
„Haben Sie Dreek gesehen?“, fragte er.
„Ja. Er ist in den Stall gegangen.“
„Wann?“
„Vor etwa zehn Minuten.“
Kieler blickte sie aus schmalen Augen an, dann ging er weiter.
Ein Frösteln kroch über Lolas Rücken, obwohl sie im grellen Sonnenlicht stand Sie sah, dass Kieler zum Stall ging und darin verschwand. Kurz darauf ertönte ein dumpfes Geräusch.
Wieder lag das zufriedene Grinsen in Corys Gesicht, als er aus dem Stall kam und den Hof überquerte.
„Du brauchst keine Angst haben“, sagte er leise. „Es ist schon vorbei. Was nun noch kommt, ist nicht schwierig.“
„Ich habe aber Angst, Sam.“
„Dann musst du sie vergessen. Ich sage dir, er wird Warthon verfolgen.“
„Kieler wird wissen, dass es nicht Warthon war, der ihn niederschlug.“
„Er wird es nicht glauben.“
„Er kann aber nichts anderes beweisen. Wir haben es doch genau besprochen. Ein Zurück gibt es jetzt nicht mehr!“
*
Sam Cory hatte sich davon überzeugt, dass Tom Calhoun fest schlief. Dann winkte er Warthon zu und zeigte ihm den kleinen Schlüssel in der hohlen Hand.
Wie einem fremden Zwang folgend stand Ben auf.
Tom Calhoun bewegte sich immer noch nicht.
Als Ben Warthon vor ihm stehenblieb, öffnete er ihm die Handschellen und zog den Jungen hinaus.
„Ich weiß, dass Sie das nur machen, um den Verdacht auf mich zu lenken“, sagte Ben.
„Es ist nur ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, mein Junge. Oder willst du dich von ihm nach Shelton Falls schleppen lassen? Du weißt, was dort auf dich wartet!“
Bens Kopf sank herab.
„Du hast eine gute Chance und brauchst keine Angst zu haben“, redete Cory schnell weiter. „Calhoun ist verwundet. Wenn er versuchen will, dich zu verfolgen, wird er nicht weit kommen. Aber das solltest du selbst wissen. Du musst immer nach Westen reiten. Nach hundert Meilen bist du schon in einer Gegend, in der sein Stern keinerlei Bedeutung hat.“
„Er wird sich nicht darum kümmern.“
„Schon möglich. Die Frage ist nur, ob er in seinem Zustand überhaupt hundert Meilen weit kommen kann. Wir werden alle Pferde mitnehmen.“
„Ich hatte die ganze Zeit gedacht, dass Sie ihn töten wollen, Cory.“
„Dann hast du dich geirrt, mein Junge. Das wirbelt mir viel zuviel Staub auf. Außerdem bin ich kein Killer wie du.“
„Ich habe keinen ...“
Cory unterbrach den Jungen mit einer raschen Handbewegung. Um seine Mundwinkel lag ein höhnisches Grinsen.
„Das interessiert mich nicht. Du wirst dir jetzt ein Pferd holen und reiten. Beeile dich. Ich habe den Kutscher und Kieler gefesselt. Also brauchst du keine Angst zu haben. Und denke immer an Shelton Falls.“
Ben blickte noch einmal in Lolas bleiches Gesicht. Er sah, dass ihre Hände zitterten. Er hätte gern etwas zu ihr gesagt, doch da er wusste, dass es Cory sicher nicht gefallen würde, unterließ er es. Rasch wandte er sich ab und ging zum Stall. Kurz darauf kam er mit einem gesattelten Pferd wieder heraus und