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Ein Granatapfelhaus. Oscar WildeЧитать онлайн книгу.

Ein Granatapfelhaus - Oscar Wilde


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in einer kleinen Kammer in einem der nördlichen Türme des Palastes entdeckt worden, wie er gleich einem, der in Verzückung ist, auf eine griechische Gemme starrte, in die die Gestalt des Adonis geschnitten war. Man hatte ihn, so ging das Gerücht, gesehen, wie er seine warmen Lippen auf die marmorne Stirne einer antiken Statue gepresst hatte, die bei Gelegenheit des Baues einer steinernen Brücke im Flussbett gefunden worden war und der man den Namen des bithynischen Sklaven Hadrian gegeben hatte. Eine ganze Nacht hatte er dabei verweilt, die Wirkung des Mondscheins auf ein silbernes Bildnis Endymions zu beobachten.

      Alle seltenen und kostbaren Stoffe übten ohne Frage großen Zauber auf ihn aus, und in seinem Eifer, sie zu beschaffen, hatte er viele Kaufleute ausgesandt; etliche, um bei dem rauen Fischervolk des Nordmeers Bernstein einzuhandeln, etliche nach Ägypten, um nach dem seltsamen grünen Türkis zu suchen, der nur in den Gräbern der Könige gefunden wird und von dem es heißt, er besitze magische Eigenschaften, etliche nach Persien, um seidene Teppiche und gemalte Töpfereien, und andere nach Indien, um Gaze und geflecktes Elfenbein, Mondsteine und Armreife aus Nephrit, Sandelholz und blaue Emaille und Schals aus reiner Wolle zu holen.

      Aber was ihn am meisten beschäftigt hatte, das war das Gewand, das er bei seiner Krönung tragen sollte, das Gewand aus gewobenem Gold und die rubinenbesetzte Krone und das Zepter mit seinen Streifen und Ringen aus Perlen. Wirklich dachte er daran in dieser Nacht, als er auf seinem üppigen Lager hingestreckt lag und auf den großen kienenen Klotz blickte, der in dem offenen Kamin zu Ende brannte. Die Entwürfe, die von den Händen der berühmtesten Künstler jener Zeit stammten, waren ihm schon vor vielen Monaten vorgelegt worden, und er hatte den Befehl erteilt, die Künstler sollten Tag und Nacht arbeiten, um sie auszuführen, und die ganze Welt sollte nach Juwelen durchsucht werden, die köstlich genug für ihr Werk waren. Er sah sich in der Phantasie am Hochaltar des Münsters im schönen Königsgewande stehen, und ein Lächeln spielte um seine Knabenlippen und verweilte darauf und entzündete in schimmerndem Glanze seine waldesdunklen Augen.

      Nach einer Weile erhob er sich von seinem Lager und blickte, an den geschnitzten Kaminschirm gelehnt, in dem matt erleuchteten Gemach umher. An den Wänden hingen reiche Tapeten, die den Triumph der Schönheit darstellten. Ein breiter, mit Achat und Lapislazuli ausgelegter Schrank füllte eine Ecke, und dem Fenster gegenüber stand ein seltsam gearbeitetes Kästchen mit lackierten Füllungen aus Goldstaub und Goldmosaik, auf dem einige köstliche Kelche aus venezianischem Glas und ein Pokal aus dunkel geädertem Onyx standen. Bleiche Mohnblumen waren auf die silberne Bettdecke gestickt, als wären sie aus den müden Händen des Schlafgottes gefallen, und starke Pfeiler von geriffeltem Elfenbein trugen den samtenen Baldachin, aus dem große Büsche Straußfedern wie weißer Schaum zu dem matten Silber der mit Gitterwerk gezierten Decke emporragten. Ein lachender Narziss aus grüner Bronze hielt einen blanken Spiegel über seinem Haupt. Auf dem Tisch stand eine flache Schale aus Amethyst.

      Draußen konnte er die ungeheure Kuppel des Domes sehen, die wie eine schillernde Blase über die im Schatten liegenden Häuser aufstieg, und die müden Schildwachen, die auf der nebligen Terrasse am Fluss auf und ab schritten. Weit weg, in einem Garten, sang eine Nachtigall. Ein schwacher Duft von Jasmin kam durch das offene Fenster. Er strich seine braunen Locken von der Stirn zurück, nahm eine Laute zur Hand und ließ seine Finger über die Saiten gleiten. Seine schweren Lider sanken, und eine seltsame Sehnsucht kam über ihn. Nie vorher hatte er die Magie und das Geheimnis schöner Dinge so mächtig oder mit so inniger Freude gefühlt.

      Als es vom Glockenturm Mitternacht schlug, läutete er, und seine Pagen traten ein und entkleideten ihn mit großem Zeremoniell, sprengten Rosenwasser über seine Hände und streuten Blumen auf sein Kissen. Ein paar Augenblicke nachdem sie das Gemach verlassen hatten, überkam ihn der Schlaf.

      Und als er schlief, träumte er einen Traum, und dies war sein Traum.

      Ihm war, als stünde er in einer langen, niedrigen Dachkammer, unter dem Schwirren und Klappern vieler Webstühle. Ein kümmerliches Tageslicht drang durch die vergitterten Fenster und zeigte ihm die hageren Gestalten der Weber, die sich über ihre Stühle beugten. Blasse, kränklich aussehende Kinder kauerten auf den riesigen Kreuzbalken. Wenn die Weberschiffchen durch die Kette schlugen, hoben sie die schweren Laden heraus, und wenn die Weberschiffchen anhielten, ließen sie die Laden fallen und drückten die Fäden zusammen. Ihre Gesichter waren schmal vor Hunger, und ihre dünnen Hände bebten und zitterten. Einige hagere Frauen saßen an einem Tisch und nähten. Ein schrecklicher Geruch erfüllte den Raum. Die Luft war dick und schwer, und die Wände tropften und schwitzten den Dunst aus.

      Der junge König ging zu einem der Weber hinüber und blieb neben ihm stehen und sah ihm zu.

      Und der Weber sah ihn ärgerlich an und sagte: »Warum siehst du mir zu? Bist du ein Spion, den unser Meister auf uns gehetzt hat?«

      »Wer ist dein Meister?« fragte der junge König.

      »Unser Meister?« rief der Weber scharf und bitter. »Er ist ein Mensch wie ich. Wahrhaftig, es ist nur der eine Unterschied zwischen uns, dass er feine Kleider trägt, während ich in Lumpen gehe, und dass ich hungrig bin, er aber nicht ein bisschen unter seiner Gefräßigkeit leidet.«

      »Das Land ist frei«, sagte der junge König, »und du bist niemandes Sklave.«

      »Im Krieg«, antwortete der Weber, »macht der Starke die Schwachen zu Sklaven, und im Frieden macht der Reiche die Armen zu Sklaven. Wir müssen arbeiten, um zu leben, und sie geben uns so niedrige Löhne, dass wir sterben. Wir rackern uns den ganzen Tag für sie ab, und sie häufen das Gold in ihren Kästen, und unsere Kinder siechen vor der Zeit dahin, und das Antlitz derer, die wir lieben, wird hart und hässlich. Wir treten die Trauben, und ein anderer trinkt den Wein. Wir säen das Korn, und unser eigener Tisch ist leer. Wir tragen Ketten, wenn auch kein Auge sie sieht, und sind Sklaven, wenn auch die Menschen uns frei nennen.«

      »Ist es so mit allen?« fragte er.

      »Es ist so mit allen«, antwortete der Weber, »mit den Jungen wie mit den Alten, mit den Frauen wie mit den Männern, mit den kleinen Kindern wie mit denen, die hochbetagt sind. Die Kaufleute zerreiben uns, und wir müssen ihr Geheiß erfüllen. Der Priester reitet vorbei und betet seinen Rosenkranz, und niemand kümmert sich um uns. Durch unsere sonnenlosen Gassen kriecht die Armut mit ihren hungrigen Augen, und die Sünde mit ihrem aufgedunsenen Gesicht folgt ihr auf dem Fuße. Das Elend weckt uns am Morgen, und die Schande sitzt bei uns zur Nacht. Aber was sind diese Dinge dir? Du gehörst nicht zu uns. Dein Gesicht ist zu glücklich.« Und er wandte sich finster ab und warf das Schiffchen durch den Webstuhl, und der junge König sah, dass es mit einem Goldfaden bespult war.

      Und ein großer Schrecken überfiel ihn, und er sagte zu dem Weber: »Was webst du da für ein Gewand?«

      »Es ist das Gewand für die Krönung des jungen Königs«, antwortete er; »was liegt dir daran?«

      Und der junge König schrie laut auf und erwachte, und siehe, er war in seinem eigenen Gemach, und durch das Fenster sah er den großen honigfarbenen Mond in der trüben Luft hängen.

      Und wieder überkam ihn der Schlaf, und er träumte, und dies war sein Traum.

      Ihm war, er lag auf dem Deck einer großen Galeere, die von hundert Sklaven gerudert wurde. Auf einem Teppich, ihm zur Seite, saß der Herr der Galeere. Er war schwarz wie Ebenholz, und sein Turban war von karmesinroter Seide. Große silberne Ohrringe hingen an seinen dicken Ohrlappen, und in seinen Händen hielt er ein Paar Waagschalen aus Elfenbein.

      Die Sklaven waren nackt bis auf ein zerfetztes Lendentuch, und jeder war an seinen Nachbarn angekettet. Die heiße Sonne schien strahlend auf sie, und die Neger liefen den Gang zwischen den Reihen auf und ab und schlugen die Sklaven klatschend mit Ochsenziemern. Sie streckten ihre mageren Arme aus und schlugen die schweren Ruder durchs Wasser. Der salzige Schaum sprühte von den Ruderblättern.

      Zuletzt erreichten sie eine kleine Bucht und schickten sich an, vor Anker zu gehen. Ein leichter Wind blies vom Ufer und hüllte das Deck und das große Rahsegel in seinen roten Staub. Drei Araber, die auf wilden Eseln saßen, ritten heran und warfen Speere nach ihnen. Der Herr der Galeere nahm einen bemalten Bogen zur Hand und schoss einem von ihnen in die Kehle. Er fiel schwer in die Brandung hinein, und seine


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