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Die großen Reden der Weltgeschichte. Martin KaufholdЧитать онлайн книгу.

Die großen Reden der Weltgeschichte - Martin Kaufhold


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andere, die all das nicht so haben, und um zugleich den Lobspruch auf die, denen meine Rede gilt, durch Beweise einleuchtend zu machen. Ja zum wichtigsten Teil ist er schon gesprochen: denn was ich an unsrer Stadt pries, damit haben diese und solche Vortrefflichen sie geschmückt, und nicht bei vielen Hellenen wird man so wie bei ihnen Lob und Leistung im Gleichgewicht finden. Mich dünkt, den Wert dieser Männer offenbart als erste Verkündung und als letzte Bekräftigung ihr jetziger Untergang. Denn selbst wenn einige sonst minder taugten, darf man ihren im Krieg für die Heimat bewiesenen Mannesmut höher stellen: Schlimmes durch Gutes tilgend haben sie gemeinsam mehr geholfen als im einzelnen geschadet. Von ihnen aber hat keiner wegen seines Reichtums, um ihn lieber noch zu genießen, sich feig benommen, keiner hat in der Hoffnung der Armut, er könne, wenn er davonkäme, vielleicht noch reich werden, Aufschub der Gefahr gesucht; weil ihnen verlockender als all das die Rache an den Feinden war, von allen Wagnissen dies als das schönste galt, so erwählten sie dieses und damit Rache an ihnen, Verzicht auf das andere; der Hoffnung überließen sie das Ungewisse des Erfolges, im Handeln aber für die sichtbare Gegenwart mochten sie auf sich selber trauen, und indem sie hier das Sichwehren und Erleiden für schöner hielten als weichend sich zu retten, haben sie schimpflicher Nachrede sich entzogen, aber die Tat mit ihrem Leibe bestanden: und in kürzestem Augenblick sind sie, auf der Höhe ihres Geschicks, nicht aus der Furcht so sehr als von ihrem Ruhme geschieden.

      So haben sich also diese Männer, wie es unsrer Stadt würdig ist, wohl gehalten; die übrigen aber müssen um besseres Heil beten, aber keine minder mutige Gesinnung gegen unsre Feinde haben wollen, und darum nicht nur in Gedanken auf den Nutzen schauen, von dem euch einer lang ausführen könnte, was ihr selbst gerade so gut wisst, wie viel Gutes die Abwehr des Feindes mit sich bringt, sondern müssen viel mehr noch Tag für Tag die Macht unsrer Stadt in der Wirklichkeit betrachten und sich in sie verlieben, und wenn sie euch groß erscheint, daran denken, dass Männer voll Wagemut und doch mit Einsicht in das Nötige und voll Ehrgefühl beim Handeln das erworben haben, die, wenn sie einmal bei einer Unternehmung Unglück hatten, den Staat wenigstens ihren hohen Mut nicht vermissen lassen wollten und ihm das schönste Opfer brachten. Denn indem sie gemeinsam ihre Leiber hingaben, empfingen sie jeder den nicht alternden Lobpreis und ein weithin leuchtendes Grab, nicht das worin sie liegen, meine ich, sondern dass ihr Ruhm bei jedem sich gebenden Anlass zu Rede oder Tat unvergessen nachlebt. Denn hervorragender Männer Grab ist jedes Land: nicht nur die Aufschrift auf einer Säule zeugt in der Heimat von ihnen, auch in der Fremde wohnt, geistig nicht stofflich, in jedermann ungeschriebenes Gedächtnis. Mit solchen Vorbildern sollt auch ihr das Glück in der Freiheit sehn und die Freiheit im kühnen Mut und euch nicht zuviel umblicken nach den Gefahren des Krieges. Nicht der Elende nämlich, der auf kein Gut mehr hoffen kann, hat soviel Grund, sein Leben hinzugeben, als wem der umgekehrte Umschwung im Leben noch droht, und bei wem der Unterschied am größten ist, wenn er einmal stürzt. Denn schmerzhafter ist für einen Mann, der Stolz besitzt, wenn er sich feige zeigt, die Schmach als der in Kraft und gemeinsamer Hoffnung treffende, kaum gespürte, Tod.

      Darum will ich jetzt auch die Eltern der Gefallenen, so viele von euch da sind, weniger beklagen als trösten. Sie wissen ja, in wie wechselvollen Geschicken sie groß geworden sind, und dass die glücklich heißen, die des rühmlichsten Todes – wie diese jetzt – oder Kummers – wie ihr – teilhaftig wurden, und denen für ihr Leben, drin glücklich zu sein und drin zu sterben, das gleiche Maß gesetzt ward. Es ist freilich schwer, das zu glauben, ich weiß, und noch oft werdet ihr euch an sie gemahnt fühlen bei anderer Segen, mit dem ihr einst auch pranget, und schmerzlich ist nicht dies, Güter, die man nie gekostet hat, zu vermissen, aber wenn einem ein Liebgewordenes genommen wird. Doch muss man es ertragen, auch in der Hoffnung auf andere Söhne, wer noch in dem Alter steht, Kinder zu zeugen; denn im Haus werden sie, die nicht mehr sind, bei manchen in Vergessenheit sinken über den Nachgeborenen, und der Stadt bringt es doppelten Vorteil: weil sie nicht entvölkert wird, und wegen ihrer Sicherheit; es kann nämlich keiner mit gleichem und gerechtem Sinn zum Rat beitragen, der nicht auch mit dem Einsatz von Kindern an den Gefahren sein Teil trägt. Ihr andern aber, die ihr über das Alter hinaus seid, achtet das größere Stück des Lebens, worin ihr glücklich wart, für Gewinn, und dass das übrige kurz sein wird, und richtet euch auf an Eurer Söhne Ruhm. Denn die Ehrliebe allein altert nicht, und im nutzlosen Rest des Lebens ist nicht das Gewinnmachen, wie manche sagen, die größte Freude, sondern geehrt zu werden.

      All ihr Söhne nun und Brüder unsrer Helden, für Euch sehe ich einen harten Wettkampf voraus. Wer nicht mehr ist, wird ja gern von jedermann gelobt, und kaum mit überschwänglich großen Taten werdet ihr – nicht gleich wie sie, aber als doch nur ein wenig geringer gelten. Denn Eifersucht trifft die Lebenden von ihren Gegenspielern, was aber aus der Bahn ausschied, wird mit unumstrittener Gunst geehrt. Soll ich nun auch der Tugend der Frauen noch gedenken, die jetzt im Witwentum leben werden, so wird mit kurzem Zuspruch alles gesagt sein: für euch ist es ein großer Ruhm, unter die gegebene Natur nicht abzusinken, und wenn eine sich mit Tugend oder Tadel unter den Männern möglichst wenig Namen macht.

      Gesagt ist nun die Rede, die der Brauch will, was ich Geeignetes wusste, und auch getan ist bereits ein Teil zur Ehre der Begrabenen; zum andern wird die Stadt ihre Söhne von heut an auf öffentliche Kosten aufziehn, bis sie mannbar sind, womit sie einen nutzbringenden Kranz den Gefallenen und den Überlebenden für solche Kämpfe aussetzt; denn wo die größten Preise der Tapferkeit lohnen, da hat eine Stadt ja auch die besten Bürger. Und nun erhebt den Klageruf, jeder um den er verlor und dann geht.

      SOKRATES

       Apologie

      (IM JAHR 399 V. CHR.)

      EINFÜHRUNG

      Der Auftritt des Sokrates vor dem Gericht in Athen gehört zu den großen Momenten der europäischen Geistesgeschichte. Ein alter Mann verteidigt sein Leben, verteidigt das, was ihn über Jahrzehnte angetrieben hat, und angesichts der Verurteilung und des Todesurteils schließt er mit einer gelassenen Meditation über sein baldiges Sterben. Schauplatz der Handlung war der große Gerichtshof der Fünfhundert, durch das Los ausgewählte Richter aus dem größeren Kreis der gerichtsfähigen Bürger von Athen. Sie mussten die Anklage gegen Sokrates prüfen und ein Urteil fällen. Das Urteil fiel schließlich knapp aus, 280 zu 221 Stimmen, da die einfache Mehrheit für eine Entscheidung ausreichte, war das Gericht so zusammengesetzt, dass keine Stimmengleichheit entstehen konnte (501 Richter). Die Richter waren Bürger Athens, keine Berufsrichter, also konnte Sokrates seine Verteidigung in der einfachen und allgemeinverständlichen Weise vortragen, die er während all der Jahre seiner „Nachforschungen“ auf dem Markt von Athen gesprochen hatte, als er die Bürger in Gespräche über ihr Tun verwickelte und sie dazu anzustiften suchte, ihre Handlungen zu hinterfragen. Nicht jedem hatte das gefallen, und die drei Ankläger sahen in Sokrates einen Unruhestifter, der die Jugend verführe und neue Gottheiten in Athen verehre, die alten Gottheiten der Stadt aber missachte.

      Die Anklage wurde von drei Männern vorgetragen, dem jüngeren Dichter Meletos, dem reichen Anytos, einem Gerber und mächtigem Mann, und von Lykon, einem Redner, über den man ansonsten kaum etwas weiß. Wir kennen die Anklagepunkte nur aus der Verteidigung des Sokrates, der seine Ankläger ausführlich zitiert, um ihnen kräftig zu entgegnen. Dabei legt er Wert auf Authentizität. Er verzichtet darauf, einen geübten Verteidiger für sich sprechen zu lassen, wie es ihm seine reichen Schüler geraten hatten, die ihm ihre Unterstützung anboten. Sokrates trat vor seine Richter in der Weise, in der man ihn in Athen kannte: nachdenklich, neugierig, hintersinnig, mit feiner Ironie. Zumindest lässt ihn die Apologie des Platon, die uns diesen Auftritt lebensvoll überliefert, so erscheinen. Ein solcher Auftritt war nicht ohne Risiko. Es konnte klüger sein, die Stimmung im Gericht, die ja in gewisser Weise ein Abbild der Stimmung in der Stadt war, durch einen Fachmann für den Angeklagten einzunehmen. Es war nicht ausgeschlossen, dass die Hintersinnigkeit des alten Philosophen, die seine Ankläger so provoziert hatte, dass sie seinen Tod forderten, auch die Gerichtsversammlung überfordern würde. Sokrates war sich des Risikos bewusst: Jetzt zum erstenmal trete ich vor Gericht, da ich über siebzig Jahre alt bin; tatsächlich bin ich nicht vertraut mit der hier üblichen Art zu reden. Als aktiver


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