Kritik der reinen Vernunft. Immanuel KantЧитать онлайн книгу.
auchu n g l e i c h a r t i g e rErkenntnisstücke in einem Bewusstsein durch die Qualität eines Erkenntnisses als Prinzips verwandeln. So ist das Kriterium der Möglichkeit eines Begriffs (nicht des Objekts desselben die Definition, in der dieE i n h e i td e sB e g r i f f s,die Wahrheit alles dessen, was zunächst aus ihm abgeleitet werden mag, endlich dieV o l l s t ä n d i g k e i tdessen, was aus ihm gezogen worden, zur Herstellung des ganzen Begriffs das Erforderliche desselben ausmacht; oder so ist auch dasK r i t e r i u me i n e rH y p o t h e s edie Verständlichkeit des angenommenenE r k l ä r u n g s g r u n d e soder dessenE i n h e i t(ohne Hilfshypothese), dieW a h r h e i t(Übereinstimmung unter sich selbst und mit der Erfahrung) der daraus abzuleitenden Folgen, und endlich dieV o l l s t ä n d i g k e i tdes Erklärungsgrundes zu ihnen, die auf nichts mehr noch weniger zurückweisen, als in der Hypothese angenommen worden, und das, was a priori synthetisch gedacht war, a posteriori analytisch wieder liefern und dazu zusammenstimmen. – Also wird durch die Begriffe von Einheit, Wahrheit und Vollkommenheit die transzendentale Tafel der Kategorien gar nicht, als wäre sie etwa mangelhaft, ergänzt, sondern nur, indem das Verhältnis dieser Begriffe auf Objekte gänzlich beiseite gesetzt wird, das Verfahren mit ihnen unter allgemeine logische Regeln der Übereinstimmung der Erkenntnis mit sich selbst gebracht.
Der transzendentalen Analytik
Z W E I T E SH A U P T S T Ü C K
Von der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe
E R S T E RA B S C H N I T T
§ 13
Von den Prinzipien einer transzendentalen Deduktion überhaupt
Die Rechtslehrer, wenn sie von Befugnissen und Anmaßungen reden, unterscheiden in einem Rechtshandel die Frage über das, was rechtens ist (quid juris), von der, die die Tatsache angeht (quid facti), und indem sie von beiden Beweis fordern, so nennen sie den ersteren, der die Befugnis oder auch den Rechtsanspruch dartun soll, dieD e d u k t i o n.Wir bedienen uns einer Menge empirischer Begriffe ohne jemandes Widerrede und halten uns auch ohne Deduktion berechtigt, ihnen einen Sinn und eingebildete Bedeutung zuzueignen, weil wir jederzeit die Erfahrung bei der Hand haben, ihre objektive Realität zu beweisen. Es gibt indessen auch usurpierte Begriffe, wie etwaG l ü c k,S c h i c k s a l,die zwar mit fast allgemeiner Nachsicht herumlaufen, aber doch bisweilen durch die Frage: quid juris, in Anspruch genommen werden, da man alsdann wegen der Deduktion derselben in nicht geringe Verlegenheit gerät, indem man keinen deutlichen Rechtsgrund weder aus der Erfahrung noch der Vernunft anführen kann, dadurch die Befugnis ihres Gebrauchs deutlich würde.
Unter den mancherlei Begriffen aber, die das sehr vermischte Gewebe der menschlichen Erkenntnis ausmachen, gibt es einige, die auch zum reinen Gebrauch a priori (völlig unabhängig von aller Erfahrung) bestimmt sind, und dieser ihre Befugnis bedarf jederzeit einer Deduktion; weil zu der Rechtmäßigkeit eines solchen Gebrauchs Beweise aus der Erfahrung nicht hinreichend sind, man aber doch wissen muss, wie diese Begriffe sich auf Objekte beziehen können, die sie doch aus keiner Erfahrung hernehmen. Ich nenne daher die Erklärung der Art, wie sich Begriffe a priori auf Gegenstände beziehen können, diet r a n s z e n d e n t a l eD e d u k t i o nderselben und unterscheide sie von dere m p i r i s c h e nD e d u k t i o n,welche die Art anzeigt, wie ein Begriff durch Erfahrung und Reflexion über dieselbe erworben worden und daher nicht die Rechtmäßigkeit, sondern das Faktum betrifft, wodurch der Besitz entsprungen.
Wir haben jetzt schon zweierlei Begriffe von ganz verschiedener Art, die doch darin miteinander übereinkommen, dass sie beiderseits völlig a priori sich auf Gegenstände beziehen, nämlich die Begriffe des Raumes und der Zeit, als Formen der Sinnlichkeit und die Kategorien, als Begriffe des Verstandes. Von ihnen eine empirische Deduktion versuchen wollen, würde ganz vergebliche Arbeit sein; weil oben darin das Unterscheidende ihrer Natur liegt, dass sie sich auf ihre Gegenstände beziehen, ohne etwas zu deren Vorstellung aus der Erfahrung entlehnt zu haben. Wenn also eine Deduktion derselben nötig ist, so wird sie jederzeit transzendental sein müssen.
Indessen kann man von diesen Begriffen, wie von allem Erkenntnis, wo nicht das Prinzipium ihrer Möglichkeit, doch die Gelegenheitsursachen ihrer Erzeugung in der Erfahrung aufsuchen, wo alsdann die Eindrücke der Sinne den ersten Anlass geben, die ganze Erkenntniskraft in Ansehung ihrer zu eröffnen und Erfahrung zustande zu bringen, die zwei sehr ungleichartige Elemente enthält, nämlich eineM a t e r i ezur Erkenntnis aus den Sinnen und eine gewisse Form, sie zu ordnen, aus dem inneren Quell des reinen Anschauens und Denkens, die, bei Gelegenheit der ersteren, zuerst in Ausübung gebracht werden und Begriffe hervorbringen. Ein solches Nachspüren der ersten Bestrebungen unserer Erkenntniskraft, um von einzelnen Wahrnehmungen zu allgemeinen Begriffen zu steigen, hat ohne Zweifel seinen großen Nutzen, und man hat es dem berühmtenL o c k ezu verdanken, dass er dazu zuerst den Weg eröffnet hat. Allein eineD e d u k t i o nder reinen Begriffe a priori kommt dadurch niemals zustande, denn sie liegt ganz und gar nicht auf diesem Wege, weil in Ansehung ihres künftigen Gebrauchs, der von der Erfahrung gänzlich unabhängig sein soll, sie einen ganz anderen Geburtsbrief, als den der Abstimmung von Erfahrungen, müssen aufzuzeigen haben. Diese versuchte physiologische Ableitung, die eigentlich gar nicht Deduktion heißen kann, weil sie eine quaestionem facti betrifft, will ich daher die Erklärung desB e s i t z e seiner reinen Erkenntnis nennen. Es ist also klar, dass von diesen allein es eine transzendentale Deduktion und keineswegs eine empirische geben könne, und dass letztere, in Ansehung der reinen Begriffe a priori, nichts als eitle Versuche sind, womit sich nur derjenige beschäftigen kann, welcher die ganz eigentümliche Natur dieser Erkenntnisse nicht begriffen hat.
Ob nun aber gleich die einzige Art einer möglichen Deduktion der reinen Erkenntnis a priori, nämlich die auf dem transzendentalen Wege, eingeräumt wird, so erhellt dadurch doch eben nicht, dass sie so unumgänglich notwendig sei. Wir haben oben die Begriffe des Raumes und der Zeit vermittelst einer transzendentalen Deduktion zu ihren Quellen verfolgt und ihre objektive Gültigkeit a priori erklärt und bestimmt. Gleichwohl geht die Geometrie ihren sicheren Schritt durch lauter Erkenntnisse a priori, ohne dass sie sich, wegen der reinen und gesetzmäßigen Abkunft ihres Grundbegriffs vom Raume, von der Philosophie einen Beglaubigungsschein erbitten darf. Allein der Gebrauch des Begriffs geht in dieser Wissenschaft auch nur auf die äußere Sinnenwelt, von welcher der Raum die reine Form ihrer Anschauung ist, in welcher also alle geometrische Erkenntnis, weil sie sich auf Anschauung a priori gründet, unmittelbare Evidenz hat, und die Gegenstände durch die Erkenntnis selbst, a priori (der Form nach) in der Anschauung, gegeben werden. Dagegen fängt mit denr e i n e nV e r s t a n d e s b e g r i ff e ndas unumgängliche Bedürfnis an, nicht allein von ihnen selbst, sondern auch vom Raum die transzendentale Deduktion zu suchen, weil, da sie von Gegenständen nicht durch Prädikate der Anschauung und Sinnlichkeit, sondern des reinen Denkens a priori reden, sie sich auf Gegenstände ohne alle Bedingungen der Sinnlichkeit allgemein beziehen, und, sie da sie nicht auf Erfahrung gegründet sind, auch in der Anschauung a priori kein Objekt vorzeigen können, worauf sie vor aller Erfahrung ihre Synthesis gründeten, und daher nicht allein wegen der objektiven Gültigkeit und Schranken ihres Gebrauchs Verdacht erregen, sondern auch jenenB e g r i f fd e sR a u m e szweideutig machen, dadurch, dass sie ihn über die Bedingungen der sinnlichen Anschauung zu gebrauchen geneigt sind; weshalb auch oben von ihm eine transzendentale Deduktion vonnöten war. So muss denn der Leser von der unumgänglichen Notwendigkeit einer solchen transzendentalen Deduktion, ehe er einen einzigen Schritt im Felde der reinen Vernunft getan hat, überzeugt werden; weil er sonst blind verfährt und nachdem er mannigfaltig umhergeirrt hat, doch wieder zu der Unwissenheit zurückkehren muss, von der er ausgegangen war. Er muss aber auch die unvermeidliche Schwierigkeit zum Voraus deutlich einsehen, damit er nicht über Dunkelheit klage, wo die Sache selbst tief eingehüllt ist, oder über die Wegräumung der Hindernisse zu früh verdrossen werde, weil es darauf ankommt, entweder alle Ansprüche zu Einsichten der reinen Vernunft, als das beliebteste Feld, nämlich dasjenige über die Grenzen aller möglichen Erfahrung hinaus, völlig aufzugeben oder diese kritische Untersuchung zur Vollkommenheit zu bringen.