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Der Schnupfen. Stanislaw LemЧитать онлайн книгу.

Der Schnupfen - Stanislaw Lem


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die Autorümpfe auf dem Parkplatz, mein Schritt, die Zeichnung des Pflasters, deshalb ärgerte es mich, dass ich ihnen nicht zuwinken konnte. Bisher hatte ich den Zeitplan eingehalten wie ein Musterschüler den Stundenplan, ich hatte nicht einmal an den Menschen gedacht, der vor mir denselben Weg gefahren und genauso aufgestanden war, der Kaffee getrunken hatte und von Hotel zu Hotel durch das nächtliche Rom gezogen war, um nicht nur diesen Weg im ›Hilton‹ zu beenden, denn er hatte es lebendig nicht mehr verlassen. Jetzt erschien mir die übernommene Rolle wie Hohn, als forderte ich das Schicksal heraus.

      Ein junger Boy, der sich bis zur Steifheit wichtig nahm, vielleicht aber nur seine Müdigkeit verdeckte, folgte mir hinaus zum Auto und nahm mit behandschuhten Händen die eingestaubten Koffer, ich lächelte gedankenlos seinen blitzenden Knöpfen zu. Das Foyer war leer, ein zweiter Bengel stellte mein Gepäck in den Aufzug, der sich mit den Klängen einer Spieluhr hob. In mir war noch der Rhythmus der Fahrt. Wie eine aufdringliche Melodie konnte ich ihn nicht loswerden. Der Boy hielt an, öffnete eine Doppeltür, schaltete Wand- und Deckenleuchten ein, Wohnzimmer, Schlafzimmer, er stellte meine Koffer ab, ich blieb allein. Von Neapel nach Rom kann man sozusagen mit der Hand hinüberreichen, dennoch spürte ich Müdigkeit, eine andere als gewöhnlich, eine gespannte Müdigkeit, und das war die nächste Überraschung. Als hätte ich teelöffelweise eine Dose Bier getrunken – eine etwas betäubende Nüchternheit. Ich ging die Zimmer ab, das Bett reichte bis zum Fußboden, das Spiel mit dem Druntergucken war nicht nötig, ich öffnete alle Schränke und wusste sehr gut, dass ich in keinem einen Meuchelmörder finden würde, wenn es doch so einfach wäre, aber ich tat alles, was ich tun sollte. Ich hob die Laken, die doppelte Matratze, die Höhenregelung des Kopfteils, irgendwie glaubte ich nicht, dass ich von diesem Bett nicht mehr aufstehen würde. Wie bitte? Der Mensch ist undemokratisch konstruiert, Stimmen von links, von rechts – das ist nur ein vorgetäuschtes Parlament, denn es gibt die Katakomben, die ihn schütteln. Das Evangelium nach Freud. Ich untersuchte die Klimaanlage, hob die Jalousien und ließ sie herunter, die Zimmerdecken waren glatt und hell. Nicht wie im Gasthaus ›Zu den Drei Hexen‹. Wie klar, wie redlich makaber ist dort die Gefahr, ein Baldachin, der auf den Schlafenden herabfällt und ihn erstickt, hier aber gab es weder einen Baldachin noch sonstige eingedickte Romantik. Sessel, Schreibtisch, Teppich, alles gut angeordnet, die übliche Komfortausstattung. Habe ich das Licht am Wagen ausgeschaltet? Die Fenster führten zur anderen Seite, deshalb konnte ich ihn nicht sehen. Vermutlich habe ich es ausgeschaltet, und wenn ich es vergessen habe, mag sich Hertz darum kümmern. Ich zog die Vorhänge zusammen, kleidete mich aus und warf dabei Hose und Hemd achtlos umher, als ich nackt war, löste ich vorsichtig die Elektroden. Nach dem Duschen würde ich sie wieder anlegen müssen. Ich öffnete den größeren Koffer, die Schachtel mit den Pflastern lag oben, aber ich fand die Schere nicht. Mitten im Zimmer stehend, spürte ich einen leichten Druck auf dem Kopf, unter den Füßen den flauschigen Teppich, ach ja, ich hatte sie in die Aktentasche getan. Ungeduldig zerrte ich am Schnappschloss, mit der Schere fiel eine Reliquie heraus – eine in Plexiglas eingegossene, saharagelbe Fotografie, der Sinus Aurorae, mein nicht realisierter Landeplatz Nummer eins. Sie lag auf dem Teppich neben meinen nackten Füßen, es war unangenehm, töricht und bedeutsam. Ich hob sie auf und betrachtete sie im weißen Licht der Deckenlampen, zehn Grad nördliche Breite und zweiundfünfzig Grad östliche Länge, oben der Fleck des Bosporus Gemmatus, weiter unten eine äquatoriale Formation. Die Stellen, die ich hätte betreten können. Ich stand da mit dem Foto in der Hand, statt es wieder in die Tasche zu schieben, legte ich es schließlich neben das Telefon auf den Nachttisch und ging ins Bad.

      Die Dusche war herrlich, das Wasser ergoss sich in hundert heißen Bächen. Die Zivilisation beginnt mit dem fließenden Wasser. König Minos’ Klosetts auf Kreta. Irgendein Pharao ließ aus dem Schmutz, der sein Leben lang von seinem Körper abgekratzt wurde, einen Stein für die Kopfstütze seines Grabes formen. Waschungen sind immer auch etwas Symbolisches.

      Als junger Mensch wusch ich mein Auto nicht, wenn es den kleinsten Defekt hatte, erst nach der Reparatur ließ ich ihm wieder Ehre angedeihen und wachste und polierte es. Und was konnte ich damals von der Reinheits- und Unreinheitssymbolik wissen, die zu allen Religionen gehört? In Appartements für zweihundert Dollar achte ich nur die Baderäume. Der Mensch fühlt sich so wie seine Haut. Im wandgroßen Spiegel sah ich meinen eingeseiften Körper mit dem Abdruck der Elektrode, als wäre ich wieder in Houston, die Hüften weißlich von der Badehose, ich verstärkte den Wasserzufluss, die Röhren heulten jämmerlich auf. Die Berechnung von Durchflusskurven, die keine Resonanz wecken, ist wohl eine fast unlösbare Aufgabe der Hydraulik. Was gibt es für unnötiges Wissen. Ich trocknete mich ab, ohne auf die Handtücher zu achten, und ging, nasse Spuren hinterlassend, ins Schlafzimmer. Dort klebte ich die Herzelektrode an und setzte mich auf das Bett, statt mich hinzulegen. Eine schnelle Berechnung ergab: Einschließlich des Inhalts der Thermosflasche mindestens sieben Tassen Kaffee. Früher wäre ich eingeschlafen wie ein Murmeltier, inzwischen aber kenne ich bereits das Wälzen von einer Seite auf die andere. Im Koffer hatte ich, vor Randy versteckt, Seconal, ein Mittel, das den Astronauten empfohlen wird. Adams besaß das nicht. Anscheinend schlief er vorzüglich. Jetzt etwas zu nehmen, wäre nicht loyal. Ich hatte vergessen, das Licht im Bad auszuschalten. Ich erhob mich, meine Knochen wollten nicht recht. Im Halbdunkel wurde das Appartement größer. Nackt, das Bett im Rücken, stand ich unentschlossen herum. Ach ja, ich muss die Tür schließen, der Schlüssel soll stecken bleiben. 303 – dieselbe Nummer. Darauf haben sie geachtet. Und was folgt daraus? Ich suchte die Angst in mir. Etwas Unbestimmtes, etwas Scham, doch was hilft’s, ich wusste nicht, woher die Unruhe kam, von der Aussicht auf eine schlaflose Nacht oder gar auf die Agonie? Alle sind abergläubisch, obwohl nicht alle es wissen. Noch einmal musterte ich im Licht der Nachttischlampe mit nun schon unverhohlenem Misstrauen die ganze Umgebung. Die Koffer standen halb offen, die Sachen lagen verstreut auf den Sesseln. Eine echte Generalprobe. Der Revolver? Unsinn. Genug. Ich schüttelte über mich selbst mitleidig den Kopf, legte mich hin, löschte das Licht, lockerte die Muskeln und begann, gleichmäßig zu atmen.

      Die Fähigkeit, zu einer bestimmten Stunde einzuschlafen, war ein wesentlicher Teil des Drills. Und saßen schließlich nicht unten im Auto zwei Menschen und schauten auf das Oszilloskop, auf dem meine Lunge und mein Herz in leuchtender Linie jede Bewegung aufzeichneten? Die Tür von innen verschlossen, hermetisch abgedichtete Fenster, was geht es mich an, dass er sich zur gleichen Stunde in dasselbe Bett gelegt hatte?

      Der Unterschied zwischen dem ›Hilton‹ und dem Gasthaus ›Zu den Drei Hexen‹ war unbestreitbar. Ich stellte mir meine Heimkehr vor. Unangemeldet halte ich vor dem Haus oder besser nur vor der Apotheke, ich gehe zu Fuß, als käme ich von einem Spaziergang, die Jungen sind schon aus der Schule zurück und sehen mich von oben, die Treppen dröhnen unter ihren Füßen – da fiel mir ein, dass ich noch etwas Gin trinken musste. Eine Weile lag ich auf die Ellbogen gestützt und zögerte, die Flasche war im Koffer geblieben, ich wälzte mich aus dem Bett, ging im Dunkeln zum Tisch, ertastete unter den Hemden die flache Form, goss etwas in den Verschluss, es lief mir über die Finger. Ich leerte den kleinen Metallbecher bis zur Neige – mit dem dummen Gefühl des Schauspielers in einem Amateurtheater. Ich tue, was ich kann, rechtfertigte ich mich vor mir selbst. Ich kehrte zurück ins Bett, unsichtbar, Körper, Arme, Beine verschwanden, die Sonnenbräune verfloss mit der Dunkelheit, nur die Hüften schimmerten als weißlicher Gürtel. Ich legte mich hin, der Alkohol wärmte den Magen, ich schlug mit der Faust auf das Kissen: Dorthin bist du gekommen, du Reservemann. Die Decke hochgezogen und wieder geatmet. Es kam der Halbschlaf, in dem nur Passivität die Reste des Wachseins fortblasen kann. Irgendwelche Phantome erschienen mir bereits. Ich flog durch die Luft. Interessant, von solchem Segeln träumte ich genauso wie vor dem Aufenthalt auf der Orbitalstation. Als ob die hartnäckigen Katakomben meines Gehirns Korrekturen durch die Erfahrung nicht zur Kenntnis nehmen wollten. Das Fliegen im Traum ist unwahr, denn der Körper behält seine normale Lage bei, und die Arm- und Beinbewegungen sind ebenso einfach wie im Wachen, nur flüssiger und leichter. In Wirklichkeit ist es ganz anders. Die Muskeln geraten völlig durcheinander. Du willst etwas fortschieben, stattdessen fliegst du selbst rückwärts, du willst dich setzen und ziehst stattdessen die Knie unter das Kinn, bei einer unvorsichtigen Bewegung kann man sich selbst mit den Knien k. o. schlagen. Der Körper benimmt sich wie besessen und ist nur enthemmt, befreit von dem segensreichen Widerstand, den ihm die Erde stets leistet.

      Ich erwachte halb erstickt. Etwas Weiches,


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