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Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane. Pete HackettЧитать онлайн книгу.

Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane - Pete Hackett


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      17

      Collin Brat hatte erreicht, was er erreichen wollte. Er war Marshal von Gibsonville. Die Bürger hatten ihn für dieses Amt bestimmt, ohne dass er sie darum gebeten hatte. Niemand schöpfte einen Verdacht. Niemand ahnte, dass jetzt der Anführer der Schattenbande für Recht und Ordnung sorgen sollte. Er war entschlossen, seine Aufgabe ernst zu nehmen. Er würde für das Recht kämpfen. Allerdings bestimmte er selbst, was unter Recht zu verstehen war.

      Wenn ein alter Cowboy, der ohnehin nur noch ein paar Jahre gelebt hätte, in eine heimtückische Kugel lief, dann war das in seinem Sinne auch Recht. Wenn Andie Morton von den Männern dieser Stadt für den Mörder Lamonts gehalten wurde, obwohl er das energisch bestritt, dann war auch das Recht. Wenn dagegen ein dahergelaufener Bastard herumschnüffelte, sich zum Marshal machen lassen wollte und sich für Jerome interessierte, dann war das nicht Recht. Dann müsste man etwas dagegen unternehmen.

      „Du hörst dir an, was er von dir will“, befahl er.

      „Und wenn er ulkig wird, Boss?“

      „Dir wird schon eine spaßige Antwort einfallen, Jerome. Aber erledige es so, dass es nicht nach Mord stinkt.“

      „Ich bin ja kein Anfänger.“

      Collin Brat lachte gutgelaunt.

      „Nein, das bist du wirklich nicht. Aber was du tust, ist nicht immer besonders gut überlegt. Vergiss nicht, dass ich dir in meiner Eigenschaft als Marshal nur helfen kann, wenn du dich verteidigt hast.“

      „Klar, Boss. Ich habe große Lust, mich zu verteidigen. Du weißt, dass ich nie zuerst ziehe.“

      „Das weiß ich. Die Hauptsache ist ja auch, dass man zuerst schießt. Ich sehe, wir verstehen uns. Aber sei vorsichtig! Vielleicht will der Rote nur, dass du ihm deine Flamme abtrittst. Dann mache nicht unnötiges Theater.“

      „Lola? Von der soll er gefälligst seine dreckigen Pfoten lassen, sonst klopfe ich sie ihm so breit, dass er sie als Pfannkuchen essen kann.“

      Jerome Bibbs fand Chaco ohne Mühe. Der Halbindianer hielt sich absichtlich den ganzen Tag in der Main Street auf, weil er hoffte, dass Lola Winters dem Langen seinen Gruß ausgerichtet hatte. Chaco hockte auf der Veranda vor dem Store von Mitch Roller. Mitch Roller lebte nicht mehr. Die Schattenbande hatte mit ihm kurzen Prozess gemacht, als er mit dem Gewehr in der Hand verhindern wollte, dass sie seinen Laden ausraubte. Nun führte seine Frau den Store weiter, doch es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Shadows ein zweites Mal zuschlagen würden, um das gutgehende Geschäft endgültig in ihre verbrecherischen Hände zu bekommen.

      Jerome Bibbs ging schnurgerade auf das Halbblut zu. Er zwang sich zu einem freundlichen Gesicht.

      „Lola hat mir verraten, dass du was von mir willst.“

      „Lola scheint ein zuverlässiges Mädchen zu sein. Und vor allem ungeheuer schnell. Ich hätte nicht gedacht, dass sie dich schon getroffen hat, weil du doch gestern ausnahmsweise nicht im Saloon warst.“

      „Spionierst du mir nach? Natürlich war ich im Saloon. Nur ein bisschen später als sonst.“

      „Siehst du, und da wären wir schon bei dem Rat, den ich dir geben wollte.“

      „Ich bin gespannt.“

      „Es ist ungeschickt, wenn man jeden Abend der Erste an der Theke ist und sich ausgerechnet an einem Tag verspätet, an dem die Schattenbande unterwegs ist. Das muss doch dem Dümmsten auffallen.“

      „Und du hältst dich für einen der Dümmsten.“ Jerome Bibbs grinste. Doch sein Grinsen war nur eine Maske. Dahinter kochte er. Collin hatte recht gehabt. Dieser rote Bursche war gefährlich. Er war deshalb gefährlich, weil er das Maul so weit aufriss, dass es die anderen hören konnten. Das war nicht üblich in Gibsonville. Dort hatte zwar auch der eine oder andere einen Verdacht, aber er sprach nicht darüber. Er hatte Angst. Angst davor, dass es ihn beim nächsten Mal treffen könnte. Und diese Angst war nicht unbegründet.

      Chaco beobachtete den Langen aufmerksam. Er ahnte, was in ihm vorging, und das gefiel ihm. Er hatte sich vorgenommen, für Unruhe zu sorgen. Er wollte die Halunken aufscheuchen. Andie Morton hatte ihm von seinem Verdacht gegen Jerome Bibbs erzählt. Er hielt ihn für den Boss der maskierten Banditen. Chaco glaubte das nicht. Der Mann schien ihm nicht raffiniert genug. Hinter den Shadows stand einer, der weniger mit den Fäusten als mit dem Kopf arbeitete, und das waren die Gefährlichsten.

      „Ich weiß natürlich, dass ich nicht zu den Klügsten gehöre“, gab er ruhig zu. „Aber ich kann zwei und zwei zusammenzählen.“

      „Interessant! Willst du mir Rechenunterricht erteilen?“

      „Es ist deine Sache, wie du das nennst. Heute Nacht wurde im Lagerhaus von Wynter eingebrochen, und du warst dabei. Das ist eigentlich alles, was ich dir sagen wollte, bevor ich zum Marshal gehe.“

      Chaco wollte sich abwenden, aber Jerome Bibbs sprang ihn wie ein Stier an. Er riss ihn mit seinen dürren Fäusten herum und packte ihn bei der Weste.

      „Du gehst zu keinem Marshal“, schrie er. „Ich schlage dir den Schädel für deine Frechheit ein! Ich und ein Shadow! Das hat Andie Morton auch behauptet, dabei ist er selbst ein Mörder. Vielleicht gehört er sogar zu der Bande.“

      Chaco riss sich mit einer schnellen Handbewegung los.

      „Kann schon sein“, entgegnete er. „Frage doch mal deinen Boss! Der wird es am besten wissen.“

      „Ich bringe dich um, Bastard!“

      „Doch nicht etwa bei Tageslicht und von vorn? Du willst doch nicht, dass ich an deiner Schlechtigkeit zu zweifeln beginne?“

      Jerome Bibbs stieg das Blut in den Kopf. Er dachte an Collin Brats Worte. Es durfte nicht wie Mord aussehen. Mist! Am liebsten hätte er den Kerl auf der Stelle abgeknallt. Der riskierte eine zu große Lippe. Es war ein Fehler, dass er Morton nicht gleich umgelegt hatte. Jetzt lief er herum und erzählte jedem von seinem Verdacht. Auch diesem Roten. Nur gut, dass Collin Marshal war.

      Es war noch sehr früh. Auf der Straße befanden sich wenig Menschen. Im Store stand nur die alte Roller und wartete noch auf Kundschaft. Schräg gegenüber vor dem Post Office lungerten ein paar Kerle, die mit ihrer Zeit nichts anzufangen wussten. Das waren geeignete Zeugen, dass er in Notwehr gehandelt hatte,

      Jerome Bibbs schickte seine Faust auf die Reise. Sie kam nie an. Die Endstation, Chacos Kinn, befand sich nicht mehr dort, wo es noch vor wenigen Augenblicken gewesen war. Dafür erwiderte der Halbindianer jetzt seine Annäherungsversuche. Und er traf besser. Das machte Jerome fuchsteufelswild. Er fand, dass er sich nun genügend Zurückhaltung auferlegt hatte, und er marschierte vorwärts. Chaco spürte sofort, dass er mit dem Hageren keine Schwierigkeiten haben würde, wenn es beim Faustkampf blieb. Aber das würde es wohl kaum. Jerome Bibbs hatte vermutlich andere Qualitäten, und er würde nicht zögern, davon Gebrauch zu machen.

      Der Lange flog ein paar Schritte zurück. Die Männer vor dem Post Office waren längst aufmerksam geworden. Träge hatten sie sich erhoben, um nichts von der Auseinandersetzung zu versäumen. Es machte Spaß, bei einer Schlägerei zuzusehen. Noch mehr Spaß machte es allerdings, selbst mitzumischen. Sie warteten auf eine günstige Gelegenheit. Für welche Seite sie Partei ergreifen wollten, war ihnen im Grunde egal.

      Jerome Bibbs war nicht besonders kräftig, dafür aber um so beweglicher. Er wartete auf Chacos nächste Schlagkombination, federte leichtfüßig zurück und ließ den Halbindianer ins Leere sausen.

      Sofort hatte er ein langes Messer in der Hand, das er augenblicklich warf. Er hatte Chacos Rücken breit vor sich. Er konnte ihn überhaupt nicht verfehlen, denn der Kerl hatte ja hinten keine Augen.

      Die hatte Chaco aber anscheinend doch. Er fiel buchstäblich in sich zusammen, so dass die tödliche Klinge knapp über ihn hinweg wirbelte. Ungefähr zwanzig Yards hinter ihm grub sie sich in den Sand.

      Chaco zuckte herum.


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