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Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen. Selma LagerlöfЧитать онлайн книгу.

Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen - Selma Lagerlöf


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dachte er.

      Er hatte jetzt vor nichts Angst, als nach Hause geschickt zu werden; aber auch am Mittwoch mahnten die Wildgänse nicht an die Abreise. Der Tag verging wie der vorhergehende, und dem Jungen gefiel das ungebundene Leben im Freien immer besser.

      Er war der Meinung, er habe den einsamen Park, der so groß war wie ein Wald, ganz für sich allein, und er fühlte durchaus keine Sehnsucht nach der engen Stube und den kleinen Äckerchen seiner Heimat.

      Am Mittwoch glaubte er, die Wildgänse hätten die Absicht, ihn bei sich zu behalten, aber am Donnerstag hatte er diese Hoffnung nicht mehr. Der Donnerstag begann ganz wie der vorhergehende Tag. Die Wildgänse weideten auf den großen Äckern, und der Junge ging im Park auf die Nahrungssuche. Nach einiger Zeit gesellte sich Akka zu ihm und fragte, ob er etwas Eßbares gefunden habe. Nein, das hatte er nicht. Da stöberte Akka eine vertrocknete Kümmelstaude auf, an der noch alle die kleinen Früchte unversehrt hingen. Aber nachdem der Junge gegessen hatte, sagte Akka zu ihm, sie finde, er streife viel zu verwegen im Park umher, ob er denn nicht wisse, vor wie vielen Feinden sich so ein kleines Geschöpf, wie er eines sei, zu hüten habe? Nein, das wisse er nicht, sagte der Junge, und darauf begann Akka ihm die Feinde aufzuzählen.

      Wenn er in den Wald gehe, sagte sie, solle er sich vor dem Fuchs und dem Marder in acht nehmen, wenn er sich am Ufer aufhalte, dürfe er die Fischotter nicht vergessen, wenn er auf einem Steinmäuerchen sitze, müsse er an das Wiesel denken, das durch das kleinste Loch hindurchschlüpfen könne, und wenn er sich auf einen Laubhaufen niederlegen wolle, um zu schlafen, müsse er zuerst untersuchen, ob nicht etwa eine Kreuzotter in eben diesem Haufen ihren Winterschlaf halte. Sobald er aufs offne Feld hinauskomme, solle er sich vor Habicht und Geier, vor Adler und Falken, die droben in der Luft schwebten, hüten. Im Haselnußgebüsch könne er vom Sperber gefangen werden. Dohlen und Krähen fänden sich überall, und ihnen solle er nur nicht zu viel trauen. Und sobald die Dämmerung hereinbreche, solle er die Ohren spitzen und auf die großen Eulen aufpassen, die mit lautlosem Flügelschlag daherschwebten, so daß sie schon ganz dicht bei ihm seien, ehe er ihre Nähe nur ahne.

      Als der Junge von so vielen Feinden hörte, die ihm mit dem Tode drohten, erschien es ihm ganz unmöglich, mit dem Leben davonzukommen. Er fürchtete sich zwar nicht besonders vor dem Sterben, wollte aber doch lieber nicht aufgefressen werden. Er fragte deshalb Akka, was er tun müsse, um den Raubtieren zu entgehen.

      Und Akka antwortete sogleich, er müsse versuchen, sich mit dem kleinen Tiervolk in Wald und Feld, mit den Eichhörnchen und den Hasen, mit den Finken, Meisen, Spechten und Lerchen auf guten Fuß zu stellen. Wenn er sich die zu Freunden mache, dann würden sie ihn vor Gefahren warnen, ihm Schlupfwinkel zeigen und in der höchsten Not sich zusammentun, ihn zu verteidigen.

      Als sich dann aber der Junge später am Tag diesen Rat zunutze machen wollte und sich an Sirle, das Eichhörnchen, um gütigen Beistand wandte, da zeigte es sich, daß dieses ihm nicht helfen wollte. „Von dem kleinen Tiervolk darfst du dir keine Hoffnung auf Hilfe machen,“ sagte Sirle. „Meinst du, wir wüßten nicht, daß du Nils, der Gänsejunge bist, der im vorigen Jahr die Schwalbennester herunterriß, die Stareneier zerbrach, die jungen Krähen in die Mergelgrube warf, Drosseln in Schlingen fing und Eichhörnchen in Käfige sperrte? Du mußt dir selber helfen, so gut du kannst, und mußt noch froh sein, wenn wir uns nicht zusammentun und dich zu den Deinen zurückjagen.“

      Das war gerade so eine Antwort, die der Junge früher nicht ungestraft hätte hingehen lassen. Jetzt aber bekam er nur Angst, auch die Wildgänse möchten erfahren, wie böse er sein konnte. Seither war er in beständiger Angst gewesen, die Wildgänse würden ihm am Ende die Erlaubnis, bei ihnen zu bleiben, verweigern, und er hatte sich deshalb, seit er in ihrer Gesellschaft war, nicht die kleinste Unart erlaubt. Viel Böses hätte er freilich, da er doch so klein war, nicht anstellen können, aber er hätte doch Gelegenheit genug gehabt, Vogelnester auszunehmen und die Eier zu zerbrechen. So aber war er immer nur ganz artig gewesen, hatte keiner Gans eine Feder aus dem Flügel gerupft, keine einzige unhöfliche Antwort gegeben, und wenn er Akka guten Morgen wünschte, nahm er jedesmal die Mütze ab und verbeugte sich dazu.

      Den ganzen Donnerstag hindurch dachte er, die Wildgänse wollten ihn gewiß nur seiner Schlechtigkeit wegen nicht mit nach Lappland nehmen, und als er am Abend hörte, daß das Weibchen des Eichhörnchens Sirle geraubt worden sei und dessen neugeborenen Jungen nun verhungern müßten, beschloß er, ihnen zu helfen, und es ist schon berichtet worden, wie gut das Nils Holgersson gelang.

      Als der Junge am Freitag wieder in den Park kam, hörte er die Buchfinken in jedem Gebüsch davon singen, wie das Weibchen des Eichhörnchens Sirle durch grimmige Räuber von ihren neugeborenen Jungen weg geraubt worden sei und wie der Gänsejunge Nils sich zwischen die Menschen hineingewagt und ihr ihre Kleinen gebracht hätte.

      „Wer ist nun im Park von Övedskloster so gefeiert,“ sangen die Buchfinken, „wie Däumeling, den alle fürchteten, so lange er der Gänsejunge Nils war? Sirle, das Eichhörnchen, gibt ihm Nüsse, die armen Hasen machen Männchen vor ihm, die Rehe nehmen ihn auf den Rücken und laufen mit ihm davon, wenn der Fuchs Smirre in seiner Nähe auftaucht, die Meisen warnen ihn vor dem Sperber, und die Finken und Lerchen singen von seiner Heldentat!“

      Der Junge war ganz sicher, daß Akka und die andern Wildgänse alles dies gehört hatten, aber trotzdem verging der ganze Freitag, ohne daß ihm gesagt worden wäre, er dürfe jetzt bei ihnen bleiben.

      Bis zum Samstag durften die Wildgänse auf den Äckern bei Öved weiden, ohne von Smirre gestört zu werden. Aber als sie am Samstag früh auf das Feld hinüberkamen, lag er da im Hinterhalt und verfolgte sie von einem Acker zum andern. Als nun Akka sah, daß er sie durchaus nicht in Ruhe lassen wollte, faßte sie einen raschen Entschluß, sie erhob sich hoch in die Luft und flog mit ihrer Schar mehrere Meilen weit über die Ebenen von Färs und dem Linderöder Bergrücken hin. Dort ließen sie sich in der Gegend von Vittskövle nieder. Dann wurde es wieder Sonntag. Eine ganze Woche war nun vergangen, seit der Junge verzaubert worden war, und noch immer war er ebenso klein wie am ersten Tage.

      Aber es sah nicht aus, als ob ihm das großen Kummer machte. Am Sonntagnachmittag saß er auf einem großen, dichten Weidenbusch am Seeufer und blies auf einer Weidenpfeife. Ringsumher saßen so viele Meisen und Buchfinken und Stare, als auf dem Gebüsch Platz hatten, und zwitscherten ihre Weisen, die der Junge nachzublasen versuchte. Aber der Junge verstand sich nicht besonders auf diese Kunst; er blies so falsch, daß sich den kleinen Lehrmeistern alle Federn sträubten und sie in hellem Entsetzen schrien und mit den Flügeln schlugen. Der Junge aber lachte so herzlich über ihren Eifer, daß ihm die Pfeife entfiel.

      Wieder begann er zu blasen, aber auch diesmal ging es nicht besser, und die ganze Vogelschar jammerte: „Heute spielst du noch schlechter als sonst, Däumling! Du bringst keinen reinen Ton heraus. Wo hast du nur deine Gedanken, Däumling?“

      „Die sind anderswo,“ antwortete der Junge. Und das war ganz wahr. Er mußte immerfort daran denken, wie lange er wohl noch bei den Wildgänsen bleiben dürfte, und ob er am Ende schon an diesem Tage noch fortgeschickt werde.

      Doch plötzlich warf der Junge die Pfeife weg und sprang von dem Weidenbusch herunter, denn er sah Akka und alle Gänse in einer langen Reihe auf sich zukommen. Sie schritten ungewöhnlich langsam und feierlich daher, und dem Jungen wurde sogleich klar, daß er jetzt erfahren werde, was sie mit ihm zu tun gedächten.

      Als die Gänse schließlich vor ihm stehen blieben, sagte Akka:

      „Du hast allen Grund, dich über mich zu verwundern, weil ich mich noch nicht bei dir bedankt habe, daß du mich aus Smirres Klauen errettet hast. Aber ich gehöre zu denen, die lieber mit Taten als mit Worten danken. Und ich glaube, lieber Däumling, daß es mir gelungen ist, dir einen großen Dienst zu erweisen. Ich habe nämlich an das Wichtelmännchen, das dich verzaubert hat, Botschaft geschickt. Zuerst wollte es nichts davon hören, dich wieder in deine alte Gestalt zu verwandeln, aber ich habe eine Botschaft um die andre geschickt und ihm mitteilen lassen, wie gut du dich hier bei uns aufgeführt hast. Jetzt läßt es dich grüßen und dir sagen, daß du, sobald du wieder nach Hause zurückgekehrt seiest, wieder ein Mensch werden würdest.“

      Aber


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