Gesammelte Werke. AristotelesЧитать онлайн книгу.
und Verantwortlichkeit des Menschen kaum anders als Aristoteles gedacht haben. Er unterschied erstens zwischen schlecht sein und schlechtes tun und meinte, wer schlechtes tue, wolle doch nicht schlecht sein. Er nahm zweitens das Wort Freiheit und Freiwilligkeit in dem idealen Sinne, in dem eigentlich nur das frei und freiwillig ist, was der höhere, von Leidenschaft, Begierde und Zorn, unberührte und unbewegte Wille beschließt. Er nahm drittens das Wort Wissen, επιστήμη, im Sinne des vollkommenen Wissens, das wirklich mit keinem überlegten Fehltritt vereinbar ist, da das Fehlen vielmehr voraussetzt, daß das Wissen entweder schon anfangs unvollkommen war, oder in der Folge durch eigene Schuld, unter dem Einflüsse der Begierde, getrübt und gestört wird. – Vgl. über Plato bezw. Sokrates weiter unten III, 11, 1116b 4, wo sich Aristoteles auf den Schluß des Protagoras bezieht, ebd. VI, 13. 1144b. 17-28.
66.Vgl. Politik, Schluß des 2. Buches: »Dem Pittakus ist das Gesetz eigentümlich, nach dem die Betrunkenen, wenn sie jemanden geschlagen haben, strenger bestraft werden sollen, als die Nüchternen. Denn da Ruchlosigkeiten häufiger von Betrunkenen verübt werden als von Nüchternen, so wollte er die Rücksicht auf den Zustand der Trunkenheit als Entschuldigungsgrund weniger gelten lassen als den Nutzen, der in der Verhütung der Exzesse liegt.« Vgl. auch Rhetorik II, 25: »Wenn einer das Enthymema vorgebracht hat: den Betrunkenen muß man verzeihen; denn sie fehlen, ohne es zu wissen, so lautet der Einwurf: dann wäre also Pittakus nicht zu loben; denn hätte er so gedacht, so würde er nicht in seinen Gesetzen auf Vergehen eines Betrunkenen größere Strafen gesetzt haben.«
67.Vgl. Anm. 66.
68.Hier sind Sklaven gemeint.
69.Jede Kraft wird nach dem Letzten und Höchsten bestimmt, was sie leisten kann.
70.Nämlich für den Todten haben alle Güter und Übel des gegenwärtigen Lebens ein Ende. Vielleicht ist auch daran gedacht, daß für Sinn und Erfahrung mit dem Tode alles aus ist, und darum Mut dazu gehört, mit guter Hoffnung zu sterben.
71.Der Tod im Kriege wird hier besonders genannt, weil der Tod am häufigsten in dieser Gestalt die Mannhaftigkeit auf die Probe stellt. Indessen gilt gleiches von jedem Tode, der für ideale Güter erlitten wird.
72.Ilias XXII, 100.
73.Ilias VIII, 148.
74.Ilias II, 391. Nicht Hektor, sondern Agamemnon spricht diese Worte, wie es auch Politik III, 14 richtig heißt.
75.Letzthin wollte Sokrates wohl sagen, rechter Mut sei, das nicht zu fürchten, was es nicht verdient, wenn auch die törichte Menge es für furchtbar halte, während es mit Mut gar wohl zusammengehe, das zu fürchten, was auch dem weisen und klugen Mann Furcht einflößen muß. Vgl. Kapitel 7, Anm. 66.
76.Dort blieben im letzten Heiligen Kriege die Bürger von Koronea sämtlich auf dem Platze, während die Hilfstruppen das Heil in der Flucht suchten.
77.Vgl. Ilias XVI, 529; V, 510; Odyssee XXIV, 318. Das an 4. Stelle angeführte Wort steht nicht in unserem Homer.
78.Die Begebenheit erzählt Xenophon, Hellenica IV, 4. Sie fällt in das Jahr 392 v. Chr.
79.Aristoteles redet hier wider die später besonders von den Stoikern verfochtene Meinung, als sei der Tugendhafte gegen den Schmerz unempfindlich und halte ihn für kein Übel. Daß der Tugendhafte, wie Sokrates, in der Hoffnung auf die jenseitige Vergeltung auch gern sterben kann, läßt er unberücksichtigt, entweder weil das auch die von ihm befehdeten Gegner taten, oder weil die Dinge der anderen Welt für die gegenwärtige Erörterung außer Acht bleiben müssen.
80.Aristoteles scheint sagen zu wollen, nach dem Obigen könne es nicht schwer fallen, eine förmliche Definition des Mutes zu geben. Daher dürfte es auch nicht angehen, den Anfang des 3. Absatzes dieses Kapitels: έστι μὲν ου̃ν η ανδρεία τοιου̃τον τι zu übersetzen: »das ist also das Wesen des Mutes«.
81.Mit Mäßigkeit geben wir σωφροσύνη wieder; vgl. oben II. Buch, 7. Kapitel, Anm. 48; wobei wir uns freilich der Inkongruenz der Begriffe wohl bewußt sind. Unter unvernünftigem Seelenteil ist nach I, 13 das sinnliche Strebevermögen zu verstehen, das im Menschen der Vernunft gehorchen soll und so an der Tugend teil haben kann. Die Mäßigkeit kommt gegenüber den Dingen zur Geltung, die das menschliche Leben erhalten, sei es das individuelle, sei es das der Gattung, also gegenüber dem, was der Ernährung und Fortpflanzung dient; der Mut seinerseits zeigt sich gegenüber den Dingen, die das Leben mit Zerstörung bedrohen. Man bemerke aber, daß beide, Mäßigkeit und Mut, es mit solchen suchenden und fliehenden Strebungen zu tun haben, die uns mit den unvernünftigen Tieren gemeinsam sind. Denn auch bei ihnen findet sich der Zug zur Befriedigung des Nahrungs- und Geschlechtstriebes und die Flucht vor dem Tode. Daher ist speziell gesagt, daß Mäßigkeit und Mut die Tugenden des unvernünftigen Seelenteils sind; sie sind es nicht blos mit Rücksicht auf die Affekte, die ja immer die Beteiligung der Sinnlichkeit voraussetzen, sie sind es auch mit Rücksicht auf deren Gegenstände, die auch die Tiere berühren. Gibt es doch Affekte, deren Gegenstände die Tiere nicht berühren, z. B. Ehrgeiz und Habsucht.
82.Aristoteles sagt: »jeder von diesen beiden (auf die mit den Bezeichnungen Ehrgeiz und Wißbegierde hingewiesen worden) freut sich.« – Wenn es heißt, daß von Ehre und Wissenszunahme nicht der Leib, sondern der Geist oder vielmehr das Denkvermögen, die διάνοια, affiziert wird, πάσχει, so ist das so zu verstehen, daß die Ehre und die Wissenschaft vom Verstande, der leidend sein Objekt aufnimmt, erfaßt werden, nicht so, als ob die freudige Erregung über empfangene Ehre oder neu erlangtes Wissen nicht auch sinnlich wäre. Jede Gemütsbewegung setzt die Tätigkeit der ganzen strebenden Kraft im Menschen, der höheren und der niederen, voraus.
83.Das Gefühl sitzt nämlich auch im Schlunde, während der Geschmack nur in der Zunge sitzt.
84.Ilias, XXIV, 129.
85.Die bisher behandelten Tugenden des Mutes und der Mäßigkeit beziehen sich auf die Güter und Übel, die das menschliche Leben direkt erhalten oder zerstören. Die nun zu behandelnden Tugenden beziehen sich auf Güter und Übel zweiter Ordnung, die nicht in derselben Weise zum Leben notwendig sind oder es in Frage stellen, so die Freigebigkeit auf das Geld, das Ehrgefühl auf Ansehen und guten Namen, die Wahrhaftigkeit auf die Erhaltung von Treue und Glauben unter den Menschen.
86.Diese Restriktion geht auf den Mut, vgl. III, 12. Absatz 2.