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Die Jugend des Königs Henri Quatre. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Die Jugend des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann


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mit aufgerissenen blauen Augen. Als Jeanne nahe genug beim Bette war, warf das Mädchen ihr beide Arme um den Nacken.

      »Angst, Mama! Ich hab Angst!«

      Die Briefe

      Später schrieb jede der beiden nach Pau, an Henri. Die Briefe wurden gewöhnlich in verschiedenen Zimmern des Schlosses von Blois geschrieben, und Catherine steckte dem Boten, den Jeanne abschickte, den ihren heimlich zu. Jeanne schrieb einmal: »Gehe oft in die Predigt und täglich zum Gebet! Bürste Deine Haare nach oben, aber nicht wie man sie früher trug! Der Eindruck, den Du hier sofort machen mußt, ist: Anmut und Keckheit. Aber rühr Dich nicht fort aus Béarn, bis ich Dir wieder schreibe!«

      Catherine meldete indessen ihrem Bruder: »Madame hat mir einen schönen kleinen Hund geschenkt, ich habe auch prächtig bei ihr gegessen. Sie hat mich gern. Wenn ich Dir jetzt sage, mein lieber Bruder, daß ich mich fürchte, dann weiß ich wohl, daß Du mich nicht verstehen kannst. Du hast mir aufgetragen: beim ersten Anzeichen von Gefahr einen Eilboten! Ich sehe kein Anzeichen, und schicke Dir dennoch den Eilboten. Gib acht! so hast Du mir bei meiner Abreise mit den Augen zugewinkt, gib acht auf unsere liebe Mutter! Unsere liebe Mutter reist jetzt bald mit dem ganzen Hof nach Paris, wo wir viele Feinde haben. Ich werde die Augen öffnen, aber wenn Du doch schon wieder bei uns wärest!«

      Jeanne d'Albret schrieb folgendes an ihren Sohn Henri im Mai aus Paris, wo sie im Hause des Prinzen von Condé wohnte. Sie schrieb es am Abend beim geöffneten Fenster, ihre Lampe flackerte in der warmen Luft.

      »Das Bild Madames habe ich Dir hier besorgt und schicke es Dir. Möge es Dich erfreuen! Mir gefällt hier, außer der Erscheinung Madames, die wirklich schön ist, nur weniges. Die Königin von Frankreich traktiert mich mit der Mistgabel, und Deine Margot bleibt eine Papistin, alle meine Anstrengungen waren umsonst. Nur die eine Genugtuung hatte ich, daß ich an Elisabeth nach England berichten konnte, Deine Heirat sei jetzt unwiderruflich beschlossen. Mein Sohn, ich weiß nicht, ob ich immer da sein werde, um Dich zu behüten vor den Versuchungen dieses Hofes. Laß Dich nicht verführen, nicht im Leben, nicht im Glauben!«

      In einem anderen Zimmer des Hauses kritzelte heimlich die Schwester: »Schnell ein Wort über etwas, das uns heute geschehen ist! Wir gehen hier in die Läden, wo Mama die Einkäufe macht für Deine Hochzeit. Heute waren wir bei dem Handwerker, der Bilder von Madame anfertigt, und wollten das hübscheste aussuchen, da sammelten sich draußen viele Leute an und murrten gegen uns. Sie wurden immer lauter und drohender, bis unsere Wache sie vertrieb. Mama sagte, es seien nur aufgeregte Gaffer, wie unvermeidlich in Paris: ich aber bin gewiß, daß sie Deine Heirat meinten. Dieses Volk will sie nicht, und überall sucht es Händel mit den Protestanten. Mehrere unserer Herren haben es mir gestanden, weil ich sie nötigte. Denn ich bin kein solches Kind, wie man meint. Die Ehrenfräulein der bösen alten Königin sind ein ganzes Regiment, sie haben viel Freunde überall und hetzen sie gegen uns, besonders aber gegen den Herrn Admiral. Er traf hier ein mit fünfzig Reitern. Madame Catherine ist wütend auf den Herrn Admiral, weil er mit Kraft unsere Sache vertritt. Ich darf nicht sagen: mit Unüberlegtheit, denn ich bin nur ein Mädchen. Dies alles mußte ich Dir ganz schnell aufschreiben, denn unter meinem Fenster im Hof wartet der reitende Bote, daß ich den Brief hinabwerfe, auch geht mein Licht aus, ich muß doch noch siegeln.«

      Während Catherine das Wachs auf das Papier auftrug, flackerte aus dem Schnabel der Lampe das Licht noch einmal hervor, und dann erlosch es. Die Lampe Jeannes leuchtete weiter, sie schrieb: »Coligny ist entschlossener als je, das tröstet mich. Er fordert den Krieg in Flandern, und die Königin kann ihm nicht widerstehen, wenn sie auch fälschlich einwendet, daß niemand mit uns gehen werde, weder England noch die protestantischen deutschen Fürsten. Sie ist schließlich nichts als ein altes Weib; ihr Sohn, der König, aber fürchtet den Herrn Admiral und liebt ihn darum, er nennt ihn seinen Vater. Bei ihrem ersten Wiedersehen ist Coligny hingekniet, aber in seinen Gedanken und Vorhaben demütigte er sich vor Gott - und keineswegs vor Karl dem Neunten, der im Gegenteil ihm ganz zu Willen ist, ihn mit Ehren überhäuft und ohne ihn nichts mehr beschließt. Der König hat dem Herrn Admiral hunderttausend Pfund geschenkt, damit er sein verbranntes Schloß Châtillon wiederherstellen kann. Dort befindet sich der Herr Admiral. Der König aber ist in Blois zurückgeblieben wegen einer Geliebten. Der Herr Admiral hat recht: das gibt uns die Gelegenheit, Madame Catherine aus der Macht zu drängen. Jetzt, mein Sohn, mach Dich auf und reise!«

      Dies schrieb Jeanne, und der Bote, ein Béarner Edelmann, brachte es in Sicherheit, um beim ersten Tagesgrauen damit abzureiten. Wenigstens glaubte er die beiden Briefe, der Königin und ihrer Tochter, sicher auf seinem Leibe tragen zu können. Indessen war er noch nicht angelangt bei dem Haus, wo er mit Kameraden wohnte, da wurde er angerannt von Betrunkenen; trotz der Dunkelheit erkannte er, daß sie zur Leibwache der Königin von Frankreich gehörten. Er erwehrte sich ihrer, bekam aber einen Schlag, der ihn zu Fall brachte. Als er aufstehen konnte, waren seine Angreifer fort und mit ihnen die anvertrauten Briefe.

      Sie kamen unverweilt in die Hände Katharinas von Medici und wurden vor ihr geöffnet, ohne daß sie die Siegel brach. Allein in ihrem Schlafzimmer, las sie, was ihre Feindin und die andere ihr wohl oder übel verrieten, und Madame Catherine freute sich. Sie war erfreut, weil entlarvte Verschwörungen sie zu beleben pflegten. Jede Bosheit des Lebens und der Menschen bestätigte ihre eigene Natur und Geistesart und ermunterte sie zu einer entscheidenden Tätigkeit. Sie saß in ihrem graden hölzernen Sessel ohne Bequemlichkeit, sah über das Geschriebene hinweg, denn sie wußte es auswendig, und zwei der weißen Wachskerzen, von denen sechs in ihrem Zimmer gebrannt hatten, beleuchteten sie noch: die anderen waren von ihren Fingerchen ausgelöscht. Der Lichtschein umrandete die gelb herabhängenden Massen des Kinns und der Wangen, das obere Gesicht lag unter einem Schatten, worin aber die Augen, sonst stumpf schwarz, wie angezündete Kohlen glommen. Was diese Augen im Innern der alten Königin auch erblicken mochten, außen im Zimmer sahen sie, von dem Dunkel freigelassen, nur gewisse Einzelheiten der bemalten Täfelungen, einmal einen schreiend aufgerissenen Mund, ein geschwungenes Messer. Die Flamme der Kerze wurde aber von Zugluft nach der anderen Seite gelegt, da erschien das fleischliche Lächeln einer Nymphe und die Hand, die nach ihr griff.

      Madame Catherine bedachte, daß sie nach den ausdrücklichen Worten ihrer Feindin sollte aus der Macht gedrängt werden. Schon bildete diese Unbesonnene sich ein, die Herrin zu sein, Madame Catherine aber wäre allein und verlassen und ihr Sohn, der König, nur noch das Werkzeug eines Aufrührers, den ihr Gericht verurteilt hatte, gehängt zu werden auf dem Grèveplatz! ›Das Urteil ist nicht aufgehoben, meine gute Freundin! Wissen Sie denn, ob meinen Sohn Karl nicht manchmal die Reue packt? Und wäre es nicht seine bessere Besinnung, dann hat er doch Furcht vor seinem Bruder d'Anjou, der mein Liebling ist, weil er keine Frauen mag. Ich drohe dem älteren mit dem nächsten. Er weiß, wie schnell man bei uns stirbt. Nein, gute Freundin, was Sie sich auch einbilden mögen, ich werde nicht den König von Spanien erzürnen und werde den holländischen Geusen durchaus nicht gegen ihn beistehen. Sonst gäbe Philipp meinen Thron den Guise, und ich wäre wahrhaftig verloren. Mit den Guise, diesen Erzkatholiken, muß ich so gründlich fertig werden wie mit euch Ketzern. Kommt eins nach dem andern. Lassen Sie mir nur noch wenig Zeit, gute Freundin! Sie sollen große und seltene Neuigkeiten erleben. Sagte ich: erleben?‹

      Madame Catherine dachte, ohne auch nur wahrzunehmen, daß sie dachte. Ihr Geist lebte in diesem Zeitraum herrlich, weil er gespannt war über die Angst hinweg bis zum ruchlosen Wagemut. Man geht dann in Gedanken weiter, als die Tat voraussichtlich jemals führen soll: und sie führt dahin dennoch.

      Sie war inzwischen keineswegs entrückt aus der Gegenwart, sondern nahm alles wohl wahr, was in ihrem Schloß zu dieser Stunde vor sich ging. Ihr Schloß Louvre wurde versperrt und verriegelt um elf Uhr, kurz vorher war ein großes Gelaufe von Höflingen, die rechtzeitig hinauswollten: sogleich mußte zum drittenmal gerufen werden, dann fielen die Tore zu. Noch marschierten schwer die Bogenschützen des Königs durch alle Gänge, um sie von Zurückbleibenden zu säubern. Waren sie aber vorüber, wurde dennoch an Türen, die nur anlehnten, heimlich verhandelt, und die Frauen ließen die Männer ein. Madame Catherine wußte es wohl und erlaubte es. Der Anführer der Leibwache des Königs trat bei ihr ein und fragte nach dem Losungswort für diese Nacht. »Amor«, beschied ihn Madame Catherine.

      Sie


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