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Die Jugend des Königs Henri Quatre. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Die Jugend des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann


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hierüber wie bei einem Witz. Man hätte erkennen müssen, daß die kleine Gestalt nur selten laut und glücklich war.

      Hoch über den Kindern hing das Laub eines Baumes, darin schrie ein Vogel, alle drei wendeten die Gesichter hinauf. Dann stellten sie fest, daß der König seinen Weg fortsetzte, alle Herren hinter ihm. Die beiden Begleiter des Prinzen von Navarra befanden sich im Gespräch mit den Leuten vom Hofe Frankreichs, sie wurden abgelenkt. Henri flüsterte: »Man muß sich die Schuhe ausziehen.«

      Er tat es schon und begann den Stamm zu erklettern. Unter der Krone angelangt, erklärte er den beiden anderen: »Ich werde gleich verschwunden sein. Ihr wagt das wohl nicht?«

      Als dann der Wipfel ihn wirklich ganz verbarg, wollten sie doch nicht zurückstehen, auch sie stellten ihre Schuhe in das Gebüsch und folgten ihm auf den Baum. Henri erklärte ihnen:

      »Hier können sie uns nicht finden. Sie werden uns überall suchen, inzwischen führt ihr mich, ich weiß schon wohin. Nein! Nehmt nicht das Nest aus. Seht ihr nicht, daß es Vögel mit gelben Schnäbeln sind? Solche nisten vor meinem Fenster, zu Hause in Pau.«

      Mehrere Herren kehrten zurück, spähten umher, berieten sich und schlugen eine andere Richtung ein. Sofort stiegen die drei Knaben herab, und endlich gelangte Henri an den verabredeten Ort, es war der Gemüsegarten. Die ersehnten Früchte lagen auf der schwarzen Erde, er setzte sich hin, wühlte die Hände, die bloßen Füße hinein und jauchzte leise:

      »Hier ist es schön!«

      Denn Kräuter würzten die Luft, er schmeckte sie, genoß auf den Lippen alles, Zwiebel, Lattich, Lauch. »Na, und ihr?« fragte er.

      Sie standen und sahen auf ihre halbvergrabenen Füße. »Erde ist Schmutz«, meinten sie. Aber Henri hatte einen Gärtner entdeckt. Der gemeine Mann wollte sich in Sicherheit bringen, sobald er die Prinzen erkannte. Henri rief: »Komm her, oder es geht dir schlecht!« Da schlich der Tölpel gebückt herbei.

      »Zieh dein Messer! Schneide die reifste Melone auf!« Erst nachdem er schon die Hälfte verschlungen hatte, erklärte er sie für wässerig und sauer. »Das ist das Beste, was ihr habt?«

      Der Bursche entschuldigte sich damit, daß es zuviel geregnet habe. Henri sagte: »Ich verzeihe dir.«

      Hierauf stellte er die Fragen über den Garten und über die Lebensverhältnisse des Gärtners, wobei er weiteraß. »Du kannst nach Navarra kommen«, sagte er dann, »dort gebe ich dir Melonen zu essen! Sieh nicht so dumm aus! Kennst du Navarra nicht? Es ist ein Land, größer als Frankreich. Auch die Melonen sind größer.«

      »Und dein Bauch!« bemerkte der zweite Henri, der Monsieur genannt wurde. Denn sein fremder Vetter hatte die Frucht ganz allein beendet. »Wenn ich aber noch eine anfange?« fragte er sogar.

      »Vielfraß«, äußerte Henri von Valois, aber es bekam ihm nicht gut. Henri von Bourbon rief:

      »Du kriegst meinen Fuß in den Hintern«, und er holte seinen Fuß auch schon aus der Erde. Bevor er aufrecht stand, lief der andere fort und sein kleiner Bruder weinend hinterher. Henri behauptete das Feld.

      Ein Kaninchen sprang an ihm vorbei, er hinterher. Es verkroch sich, er störte es auf, aber fangen ließ es sich nicht. Er war schon atemlos von der Jagd. »Henri!« Da stand seine kleine Schwester und neben ihr ein anderes Mädchen. Es war größer als Catherine und ungefähr in seinem eigenen Alter. Er konnte sich denken, wer es war, sagte aber zuerst gar nichts vor Erstaunen. Seine kleine Schwester erklärte: »Wir sind gekommen. Margot war neugierig.«

      »Sind Sie immer so schmutzig?« fragte Marguerite von Valois, die Schwester des Königs.

      »Ich wollte Melonen essen«, erwiderte er und fühlte sich beschämt. »Warten Sie, ich gebe Ihnen auch eine.«

      »Danke, das geht nicht.«

      »Ich verstehe. Ihr schönes Kleid könnte Flecken bekommen.«

      Sie lächelte, weil sie dachte: ›Und auch mein Gesicht. Ich bin geschminkt, das sieht dieser Bauer nicht.‹

      Was für ein Mädchen! Er hatte ihresgleichen nie erblickt. Seine kleine Catherine, die er so sehr liebte, erschien daneben wie eine Gänsemagd, trotz ihrem Sonntagsstaat. Marguerite hatte Farben wie Rosen und Nelken, und die hätten noch froh sein dürfen. Ihr weißes Kleid lag bis zu den Hüften eng an, dann begann es sich weit und steif zu entfalten, schimmernd von Goldstickerei und bunten Steinen. Auch ihre Schuhe waren weiß, etwas Erde hing daran. Henri folgte einer Eingebung; er kniete hin, und mit seinen Lippen entfernte er die Erde. Dann stand er auf und sagte:

      »Meine Hände waren nicht sauber genug.«

      Sein Ton wurde hierbei unfreundlich, weil das Mädchen überheblich lächelte. Daher nahm er seine Schwester beiseite und flüsterte ihr zu, aber die andere konnte es sicherlich hören:

      »Jetzt hebe ich ihr den Rock auf, ich muß doch herausbekommen, ob sie Beine hat wie alle Mädchen.« Das Lächeln der kleinen Prinzessin wurde starr. Er bemerkte noch: »Ihre Nase ist zu lang. Kathrin, du kannst sie wieder mitnehmen.«

      Da verzog sie das Gesicht zum Weinen. Sogleich wurde Henri sehr höflich. »Fräulein, ich bin nur ein dummer Junge vom Lande, und Sie sind ein feines Fräulein«, sagte er bereitwilligst. Seine Schwester berichtete: »Sie kann Lateinisch.«

      Er redete sie in der alten Sprache an und fragte, ob sie schon verlobt sei mit einem Prinzen. Sie antwortete: »Nein«; so erfuhr er, daß die Geschichte, die seine liebe Mutter ihm erzählt hatte, wohl nur ein Märchen war, und sie hatte es geträumt. Indessen dachte er: ›Was nicht ist, kann noch werden.‹ Vorläufig stellte er fest:

      »Ihre beiden Brüder sind vor mir davongelaufen.«

      »Meine Brüder werden sich vor Ihrem Geruch gefürchtet haben. So riecht kein Prinz«, sagte Marguerite von Valois und rümpfte die zu lange Nase. Henri von Bourbon fühlte sich gekränkt, er fragte heftig:

      »Wissen Sie, was das heißt: Aut vincere aut mori?« Sie antwortete: »Nein. Aber ich werde meine Mutter fragen.«

      Herausfordernd sahen die beiden Kinder einander an. Die kleine Catherine sagte ängstlich: »Achtung, da kommt jemand.«

      Es war eine Dame, jedenfalls eine vom Hof, vielleicht sogar die Erzieherin der Prinzessin, denn sie äußerte ihre Mißbilligung.

      »Was ist das für ein schmutziger Junge, mit dem Sie sprechen, Fräulein?«

      »Es scheint, daß es der Prinz von Navarra ist«, erwiderte Marguerite.

      Sofort machte die Dame einen tiefen Knicks. »Ihr Vater ist angekommen, mein Herr, und will Sie sehen. Aber zuerst müssen Sie sich waschen.«

      Die Feindinnen

      Indessen dies geschah, hatte seine Mutter Jeanne d'Albret ihre Unterredung mit Katharina von Medici. Diese zeigte sich ungemein freundlich, bereit zur Verständigung und abgeneigt allen Streitfragen. Die Protestantin in ihrem Eifer bemerkte es gar nicht, oder sie hielt es für Tücke.

      »Die Religion und ihre Feinde werden nie zusammenkommen!« behauptete sie hartnäckig. Sie verschwur sich: ›Und hätte ich an der einen Hand mein Königreich und an der anderen meinen Sohn, lieber versenkte ich beide auf dem Meeresgrund, als daß ich nachgäbe.‹

      »Was ist Religion?« sagte die dicke schwarze Medici zu der magern blonden d'Albret. »Es wird Zeit, daß wir Vernunft annehmen. Durch unseren ewigen Bürgerkrieg verlieren wir Frankreich, denn ich muß die Spanier hereinlassen, um mit euch Protestanten fertig zu werden. Dabei hasse ich euch nicht, und wenn ich könnte, möchte ich euch eure Religion abkaufen.«

      »Sie sind die würdige Tochter eines Florentiner Wechslers«, erwiderte Jeanne mit Verachtung. Was sie selbst hatte hören müssen, erschien ihr noch viel beleidigender. Katharina ließ sich nicht beirren.

      »Seien Sie froh, daß ich eine Italienerin bin! Keine französische Katholikin würde Ihnen so günstige Friedensbedingungen anbieten.


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