Große Errungenschaften der Antike. Holger SonnabendЧитать онлайн книгу.
an dem Sinn dieses ganzen Aufwandes etwas gezweifelt haben: Das persische Invasionsheer erlitt in Griechenland bei Salamis und Plataiai historische Niederlagen. Wenigstens aber den Bau einer grandiosen Schiffsbrücke konnte er auf seinem Erfolgskonto verbuchen.
Das Beispiel macht Schule
Und seine Tat geriet nicht in Vergessenheit. Der römische Kaiser Caligula (37–41 n. Chr.), soll, wie sein Biograph Sueton ausdrücklich bezeugt, Xerxes und den Hellespont im Sinn gehabt haben, als er in Italien aus 3600 Schiffen eine Brücke zwischen Baiae und Puteoli anlegen ließ. Von überall her mussten Lastschiffe geholt werden, es wurde eine Erdschicht darüber gelegt, die man wie die Via Appia befestigte (also mit Pflastersteinen). Die Einweihung des technischen Kunstwerks gestaltete der exzentrische Caligula ganz nach dem Vorbild des Perserkönigs, er selbst überquerte die Brücke mit Lederschild, Schwert und goldenem Mantel auf einem herausgeputzten Pferd. Sueton mag allerdings nicht ganz glauben, dass es dabei nur um die Nachahmung des Xerxes gegangen sei. Sein Großvater habe ihm etwas anderes erzählt: Caligulas Vorgänger Tiberius sei von der Sorge geplagt gewesen, Caligula könne einmal sein Nachfolger werden. Der Hofastrologe habe ihn mit der Versicherung beruhigt, Caligula werde ebenso wenig Kaiser werden, wie er die Bucht von Baiae zu Pferd überqueren könne. Auf diese Weise habe Caligula die Prognose des Astrologen gleich zweifach widerlegt.
Caesars Gallischer Krieg
So, wie der Perserkönig Xerxes sein Unternehmen angelegt hatte, handelte es sich nicht allein um eine militärisch notwendige Aktion. Vielmehr ging es auch um das Prestige. 425 Jahre später handelte ein nicht unbekannter römischer Feldherr aus ganz ähnlichen Motiven. Generationen von Lateinschülern haben sich mit dem Bellum Gallicum des Gaius Iulius Caesar herumplagen müssen. Das ist ein Werk, in dem Caesar alle intellektuellen und stilistischen Energien aktivierte, um seinen Zeitgenossen klarzumachen, welch unsterbliche Verdienste er sich während des Krieges in Gallien (58–51 v. Chr.) um Rom und das Reich erworben habe. Nüchterne Zeitgenossen und moderne Historiker sehen in dem Werk allerdings mehr eine – freilich brillante – Selbstdarstellung des großen Militärs Iulius Caesar. Und so konnte er auch nicht der Versuchung widerstehen, eine allerdings tatsächlich bemerkenswerte Pioniertat ins rechte Licht zu rücken: den Bau einer Brücke über den Rhein im Jahre 55 v. Chr.
Eine Brücke macht Eindruck
So ausführlich, leider aber auch etwas verwirrend hat Caesar seine Brücke beschrieben, dass Generationen von Modellbauern sich herausgefordert fühlten, sie en miniature nachzubauen (ein schönes und dem wirklichen Aussehen wohl ziemlich nahekommendes Exemplar befindet sich heute im Rheinischen Landesmuseum in Bonn, ein anderes im Museum von Andernach). Gerne weisen caesarfreundliche Technikhistoriker auch darauf hin, dass die Dienstanweisungen der Pioniere des deutschen Heeres noch nach dem Ersten Weltkrieg die gleiche Bauweise vorschrieben. Schon die antiken Autoren waren gebührend beeindruckt. Der Biograph Sueton schreibt: »Die Germanen, die auf der anderen Rheinseite wohnten, hat Caesar als erster Römer angegriffen, nachdem er eine Brücke hat bauen lassen. Er brachte ihnen sehr schwere Niederlagen bei.« Etwas euphorischer war der Grieche Plutarch – für ihn war Caesars Rheinbrücke ein Werk, »das die kühnsten Erwartungen übertraf«, zumal man für die Fertigstellung nicht mehr als zehn Tage brauchte. Freilich vergisst er nicht hinzuzufügen, dass es die »Sucht nach Ruhm« gewesen sei, die Caesar dazu getrieben habe, »als erster von allen Menschen mit einem Heer den Rhein zu überschreiten«.
Im Bellum Gallicum liest sich das erwartungsgemäß ganz anders. Häufig seien Germanenstämme über den Rhein gekommen, um den Galliern zu helfen, und da sei es an der Zeit gewesen, den Barbaren einmal zu zeigen, worauf man sich einlässt, wenn man Roms Feinden hilft. Natürlich hätte Caesar auch einfach mit Schiffen über den Rhein fahren können, aber solchen kleinlichen Einwänden begegnete der Feldherr mit dem stolzen Hinweis, dies entspreche nicht »seiner und des römischen Volkes Würde«.
Caesars Rheinbrücke
Der Ort des Geschehens war vermutlich Neuwied, nördlich von Koblenz. Ganz sicher ist das nicht, aber jedenfalls zeigt man im Museum von Neuwied Teile von Holzpfosten, die man im Rhein gefunden hat und die man für Relikte von Caesars Brücke hält. Den Modellbauern bereiten Caesars Ausführungen zum Bau der Brücke vor allem deswegen Kopfschmerzen, weil er nicht die gesamte Konstruktion beschrieben hat, sondern nur einige technische Neuerungen, auf die die Ingenieure in seiner Armee gekommen waren. Bei diesem Werk handelte es sich um eine sogenannte Jochbrücke, im technischen Sinn spricht man von einem Pioniersteg. Falls die Lokalisierung bei Neuwied stimmt, musste die Brücke den Rhein über eine Distanz von 400 Metern überspannen. Nach Caesars eigenen Angaben wurden je zwei Pfähle in einem Abstand von je 0,60 Metern miteinander verbunden. Jedes Pfahlpaar wurde dann ins Flussbett gesetzt und durch Rammen eingetrieben, aber nicht, wie Caesar betont, in der üblichen Weise senkrecht, sondern schräg in der Richtung der Strömung. Weiter stromabwärts wurde diesen Pfählen gegenüber in einer Entfernung von zwölf Metern ein weiteres Pfahlpaar in den Fluss gesenkt. Beide Pfahlpaare wurden durch 0,60 Meter dicke Balken auseinandergehalten. Durch der Länge nach aufgelegte Balken verband man die einzelnen Pfahlpaare miteinander und belegte die Balken mit Stangen und Flechtwerk. Um die Stabilität des Bauwerkes noch zu vergrößern, setzten die Ingenieure schräge Pfähle an dem flussabwärts stehenden Pfahlpaar ein, die einen Gegendruck zur Strömung erzeugen sollten. Und auch für den Fall möglicher Sabotageakte der Barbaren wurden Vorsichtsmaßnahmen ergriffen: Oberhalb der Brücke und in geringer Entfernung zu ihr rammte man weitere Pfähle in den Fluss, die dazu dienten, Baumstämme aufzuhalten, die missgünstige und brückenfeindliche Germanen in zerstörerischer Absicht stromabwärts treiben lassen könnten.
Traians Donaubrücke
Späteren Modellbauern hätte Caesar die Arbeit erheblich erleichtert, wenn er von seiner Rheinbrücke eine bildliche Darstellung hinterlassen hätte. Doch man darf hier nicht zu viel verlangen, schließlich war Caesar gerade in dieser Zeit sehr beschäftigt (obwohl er, wie wir von Sueton wissen, in der beneidenswerten Lage war, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun). Andere Brückenbauer waren entgegenkommender. Auf dem Forum des römischen Kaisers Traian (98–117 n. Chr.) in Rom steht eine 33 Meter hohe Säule. Diese ließ der Kaiser als Siegesmonument für seine erfolgreichen Kriege in Dakien, dem heutigen Rumänien, aufstellen. Auf einem 200 Meter langen Reliefband sind Szenen aus diesen Kriegen abgebildet – eine einzigartige Bildquelle für das römische Militärwesen und für die römische Repräsentationskunst. Man erkennt dort etwa Legionäre, die eine Schiffsbrücke überqueren – eine Darstellung, an der Dareios und Xerxes ihre Freude gehabt hätten. Und man erkennt eine große, stabile Pfeilerbrücke, die als eine der grandiosen technischen Monumente der römischen Kaiserzeit gilt. Bezeichnet wird sie in der Regel als »die Traiansbrücke« – dabei hatte auch Traian seinen Mandrokles, der für die eigentliche Ausführung verantwortlich gewesen ist: Apollodoros, ein berühmter Ingenieur und Architekt aus dem syrischen Damaskus. Bei den Eisernen Toren in den Südkarpaten, in der Nähe der heutigen Stadt Drobeta-Turnu Severin, führte diese Steinbrücke auf 20 Pfeilern über eine Distanz von 1,1 Kilometern über die Donau. Die Bauzeit betrug insgesamt zwei Jahre (103–105 n. Chr.).
Brückenzerstörer Hadrian
Für seine Donaubrücke hat Traian schon in der Antike die gebührende Anerkennung erfahren. Der griechische Historiker Cassius Dio geriet gar ins Schwärmen: »Traian baute über die Donau eine Steinbrücke, eine Leistung, für die ich ihn gar nicht genug bewundern kann. Zwar sind auch seine anderen Werke grandios, diese Großtat aber übertrifft sie alle.« Als Cassius Dio dies schrieb (zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr.), war dieses technische Meisterwerk aber nur noch ein Torso. Traians Nachfolger Hadrian (117–138 n. Chr.) hatte den ganzen Holzbelag entfernen lassen, und einsam standen seitdem nur noch die Pfeiler im Wasser, als stumme, aber arg amputierte Zeugen römischer Brückenbautechnik. Dabei war Hadrians Motivation gar nicht so unvernünftig gewesen. Er hatte