Die Unerwünschten. Owen JonesЧитать онлайн книгу.
merkte sich alles.
Als Wan das Fleisch auf den Grill legte, nahm Heng die Sonnenbrille ab, um im schnell abnehmenden Tageslicht besser sehen zu können. Seine Augen glühten wie leuchtend rotes Signalfeuer und die Kinder schauderten vor Angst und Unverständnis.
Alle waren der Meinung, dass das köchelnde Gemüse und das bratende Fleisch herrlich rochen, aber Heng ergriff das Wort zuerst.
„Zicklein riecht jetzt köstlich! Nicht das Blut verbrennen. Heng will sein Fleisch blutig … kein Gemüse, riecht furchtbar.“
„Ja, Heng, ich weiß, blutig, aber nicht roh. Es ist noch roh, es braucht noch ein paar Minuten.“
„Nein, Mud, ich will so essen. Es riecht jetzt so gut, aber jede Minute wird der Geruch weniger. Ich will meines jetzt.“
„Also gut, Heng, wie du willst. Magst du etwas Gemüse zu deinen Koteletts oder ein paar Nudeln?“
„Nein, nur Fleisch, will Ziege, kein Kaninchenfutter.“
Wan nahm die beiden Koteletts vom Feuer, gab eines auf den Teller reichte ihn Heng.
„Hier, Paw, aber ich finde es immer noch schrecklich blutig. Du wolltest dein Fleisch immer gut durchgegart, so wie wir.“
Heng nahm den Teller und hielt ihn unter seine Nase, die wie bei einem Kaninchen zuckte und schnüffelte. Dann stellte er den Teller auf seinen Schoß, nahm das kleine Kotelett in beide Hände und hielt es sich wieder unter die Nase.
„Wunderbar”, sagte er. „Etwas zu viel gegrillt, aber sehr fein.“
Heng bemerkte nicht, dass seine Bewegungen von allen genau beobachtet wurden. Er biss ein winziges Stück Fleisch ab und kaute es mit den Schneidezähnen. Wan zumindest hatte erwartet, dass er das ganze Fleisch auf einmal abbeißen würde. Dann nahm er das Kotelett in eine Hand und zupfte mit der anderen Hand winzige Fleischstückchen ab. Als er ein wenig von dem blutigen Inneren freigelegt hatte, hielt er es an die Lippen und saugte.
Seine Familie sah sich völlig verblüfft an, als er mit seinen roten und rosa Augen wie ein Habicht das Fleisch beäugte.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte er seine Frau, wobei er seinen Kopf in einer schnellen Bewegung zur Seite neigte.
„Nein, Heng, alles klar. Es ist schön zu sehen, dass du feste Nahrung zu dir nimmst, das ist alles. Wir freuen uns einfach für dich, nicht wahr?“
„Ja“, stimmten alle sofort zu, aber Da hatte Vorbehalte, obwohl sie momentan nicht vorhatte, sie mit jemandem zu teilen.
„Gut! Dann ist alles in Ordnung“, sagte Heng und zupfte mit offensichtlichem Vergnügen weiter an seinem Fleisch.
Heng brauchte eine ganze halbe Stunde, um das etwa 36 Quadratzentimeter große Fleischstückchen zu essen, dann nahm er sich den Knochen vor, den er säuberlich abzupfte und trockensaugte. Für alle anderen war es fast unmöglich, sich auf das eigene Essen zu konzentrieren. Das führte dazu, dass in der Mulde des ‚Grill‘-Behälters das Wasser verdampfte und das Fleisch ein paar Mal anbrannte. Ihre Mahlzeit war also beinahe ruiniert, obwohl sie sie trotzdem aßen, weil man Essen nicht verschwendete.
Als er sein erstes Kotelett verzehrt hatte, wischte sich Heng mit dem Handrücken den Mund ab, dann leckte und saugte er ihn trocken. Ein Außenstehender hätte meinen können, dass Heng gerade aus jahrelanger Einzelhaft in einem Konzentrationslager entlassen worden war, wo er nur Wasser und Brot bekommen hatte. Niemand aus der Familie hatte jemals einen Menschen gesehen, dem ganz offensichtlich das Essen so gut schmeckte.
„Magst du jetzt das andere Stück, Paw?“, fragte Din.
Heng ergriff das Laken um seine Schultern, schüttelte es zurecht und versuchte, es sich bequemer zu machen. Den rettete den Teller von seinem Schoß, bevor er herunterfiel.
„Warten wir, bis das verdaut ist“, sagte Heng, „und dann mehr essen. Sehr gutes Essen. Heng sehr gut schmeckt.“
Den sah seine Mutter an und sie wusste, was er meinte. Heng benutzte eine Art Kauderwelsch-Thai, niemand hatte ihn je zuvor so falsch reden hören, obwohl sein Thai noch nie perfekt gewesen war, weil er chinesische Eltern hatte.
Gerade als alle anfingen, sich wieder ihrem eigenen Essen zu widmen und Heng still dasaß, ertönte eine Art dumpfes Rumpeln aus seiner Richtung. Alle wussten, was passiert war, aber aus Höflichkeit taten sie so, als hätten sie es nicht gehört. Dann hörte man das nächste Gegurgel zusammen mit einem grauenhaften Gestank.
Nur Wan und Da wagten es, Heng anzusehen, der unter seinen dunklen Brillengläsern breit grinste.
Den begann zu kichern. Zuerst leise, aber dann konnte er sich nicht mehr zurückhalten und gleich darauf hatte er Din mit seinem Gelächter angesteckt.
„Ruhe, Kinder! Euer Vater kann nichts dafür. Er ist krank“, sagte Wan „Die feste Nahrung muss einfach durch ihn hindurch gerutscht sein.“
Trotzdem konnten sich Den und Din nicht beherrschen. Heng saß einfach da und hatte ein zufriedenes Grinsen auf dem Gesicht. Als der Gestank nach ein paar Minuten immer noch nicht nachgelassen hatte, sagte Wan zu Den:
„Hilf deinem Vater auf die Toilette, Den, damit er sich saubermachen kann. Wenn es ein Problem gibt, ruf einfach, dann komme ich und helfe ihm. Heng, gib deine Unterhose in den Wäschekorb, ich kümmere mich morgen darum.“
Als sie weg waren, sagte Wan:
„Oh je! Du lieber Himmel, was hältst du davon, Tante Da?“
„Seltsam, nicht wahr? Aber das Verhalten von Heng erinnert mich an einen Vogel. Ich kann es noch nicht genau erklären, aber denke an die Art, wie er gekrümmt dagehockt ist, wie er gegessen und gleich danach gekackt hat … das machen Vögel – ich glaube, viele andere Tiere auch, aber schau dir mal deine Hühner im Hof an. Ich kann mir nicht helfen, es sah aus als ob er mit seinem Tuch und der Brille auf einer Stange hockte, nachdem er das Kotelett gegessen hat.“
„Denkst du etwa, dass er jetzt inkontinent ist? Ich mache mir ein bisschen Sorgen um unser Bett … wir haben erst vor einigen Wochen eine neue Matratze gekauft … Es wäre wirklich schade darum. Meinst du es ist in Ordnung, wenn wir ihn in der Scheune schlafen lassen, bis wir sicher sind?“
„Nein, mach dir keine Sorgen! Nicht mal Vögel kacken in ihr eigenes Nest, obwohl du ihm vielleicht eine Windel anziehen solltest, bis wir besser verstehen, was eigentlich Sache ist … Oder Inkontinenzhosen, wenn er so weitermacht, aber um die zu kaufen, musst du in die Stadt fahren.“
Als Heng mit Den zurückkam, sah er etwas niedergeschlagen, sogar ein wenig verlegen aus.
„Bist du in Ordnung, Heng?“, fragte seine Frau.
„Ja, Unfall. Nicht Sorgen machen, kein Problem. Heute nicht mehr. Ich jetzt Bett gehen.“
„Ja, gute Idee. Tante Da, was ist mit seinem Milchshake?“
„Ich glaube, er sollte etwas trinken, bevor er ins Bett geht. Zerbrich dir nicht den Kopf über das neue Bett, er hat es ja vorher auch nicht vollgemacht, also glaube ich nicht, dass er es heute Nacht tut. Aber wenn ich mit ihm zusammenleben würde, würde ich nicht wollen, dass er mitten in der Nacht aufsteht und nach etwas Essbarem sucht.“
„Nein, da hast du wahrscheinlich recht. Den, setz deinen Vater kurz auf den Tischrand. Din, hol bitte ein Glas Milchshake, ja?“
Als er es hinuntergestürzt hatte und keine verdächtigen Geräusche oder Gerüche folgten, sagte Wan den Kindern, sie sollten ihren Vater ins Bett bringen.
„Ich komme bald nach oben und sehe nach, ob alles in Ordnung ist, aber ich glaube, er wird jetzt schlafen. Ja sowas, Tante Da, was für ein Theater! Jetzt haben wir einen Vogelmann im Haus! Was meinst du dazu?“
„Ich weiß noch nicht genau, Wan, aber dein Scherz könnte der Wahrheit näherkommen als du denkst. Wir müssen abwarten und sehen, was passiert. Schauen wir mal, ob er im Winter als erstes in den Süden ziehen will.“
Wan