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Ein Kommissar läuft Amok: Ein Kubinke Krimi. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.

Ein Kommissar läuft Amok: Ein Kubinke Krimi - Alfred Bekker


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      An diesem Morgen fuhren mein Kollege Rudi Meier und ich nach Quardenburg. Von Berlin aus kann man die Strecke in einer Dreiviertelstunde schaffen. Zumindest sagt das der Routenplaner. Man sollte aber besser die doppelte Zeit einplanen und das hatten wir auch.

      In Quardenburg arbeitete das Ermittlungsteam Erkennungsdienst, dessen Dienste uns in unserer Funktion als BKA-Kriminalinspektoren zur Verfügung standen. Ihre Labore waren der Akademie des Bundeskriminalamtes inQuardenburg angegliedert.

      Kriminaldirektor Hoch hatte uns auf einen neuen Fall angesetzt, der wirklich rätselhaft war und selbst für uns, die wir täglich mit alle nur erdenkliche Arten des Verbrechens konfrontiert sind, eine Besonderheit.

      Das Besondere war: Täter wie Opfer waren Kollegen.

      Das kam nicht oft vor.

      Ein besonderer Fall also.

      Sehr besonders.

      Kevin Marenberg war wild um sich schießend durch ein Einkaufszentrum in Essen gelaufen, hatte dabei einen Menschen getötet und mehrere verletzt. Einem Amokläufer gleich hatte er scheinbar wahllos auf alles gefeuert, was sich bewegte.

      Marenberg war allerdings nicht nur irgendein Kriminalhauptkommissar. Er war der Chef der Kriminalpolizei Essen gewesen. Und ausgerechnet einer seiner Kollegen, ein gewisser Kriminalhauptkommissar Gerd Thormann, hatte seinen Amoklauf mit mehreren Schüssen gestoppt.

      Niemand hatte bisher eine plausible Erklärung für die Hintergründe dieses Dramas. Was hatte Kevin Marenberg dazu veranlasst, sich scheinbar völlig unkontrolliert und enthemmt in einer Orgie der Gewalt zu ergehen? Ein Mann immerhin, der sein ganzes bisheriges Leben dem Einsatz gegen das Verbrechen gewidmet hatte.

      Hatte er unter Drogen gestanden? Gab es Anzeichen für eine unerkannte psychische Erkrankung? All das würden wir überprüfen müssen. Die Medien ergingen sich schon jetzt in Spekulationen aller Art. Eine Reihe von spektakulären Fällen von ungerechtfertigter Polizeigewalt haben in letzter Zeit in Deutschland Schlagzeilen gemacht. Die Medien waren natürlich entsprechend sensibilisiert und auch in diesem Fall sofort eingestiegen, auch wenn er mit dieser Art von Vorkommnissen wohl nicht vergleichbar war.

      Ich beschleunigte den Dienst-Porsche etwas, aber nur bis zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Strecken, auf denen man so ein Fahrzeug richtig ausfahren kann, gibt es so gut wie nirgendwo.

      „Kollege Kevin Marenberg wurde immer als ruhiger, besonnener Typ beschrieben“, sagte Rudi, der während der Fahrt ein paar Unterlagen auf seinem Laptop gelesen hatte. Insbesondere natürlich das, was man inzwischen über das Datenverbundsystem des BKA zu diesem Fall abrufen konnte, aber zusätzlich auch die ersten Vernehmungsprotokolle, dazu dienstliche Beurteilungen von Vorgesetzten und was es sonst noch so gab. „Also, wenn du mich fragst, dann liegt eine pharmakologische Erklärung für diesen Ausbruch von Irrsinn am nächsten.“

      „Du meinst, eine Medikamenten- beziehungsweise Drogenvergiftung“, sagte ich.

      „Du kannst dieser Sache verschiedene Namen geben, aber es läuft immer auf dasselbe hinaus, Harry.“

      „Also falls so etwas vorliegen sollte, dann wird unser bayerischer Alm-Doktor das sicherlich schon herausbekommen.“

      Der Gerichtsmediziner des Ermittlungsteams war der Bayer Gerold M. Wildenbacher, der diese Bezeichnung vermutlich nicht einmal als Beleidigung aufgefasst hätte. Andererseits - Wildenbacher wurde von vielen als jemand beschrieben, dem das Gemüt eines Schlachtergesellen eigen war und mit seiner groben Hemdsärmeligkeit in schöner Regelmäßigkeit bei Kollegen und Vorgesetzten aneckte.

      Rudi und ich kamen allerdings gut mit ihm klar. Man musste ihn eben nur richtig zu nehmen wissen, und an seiner Qualifikation als exzellenter Gerichtsmediziner gab es nun wirklich nicht den geringsten Zweifel.

      Wir erreichten schließlich Quardenburg.

      Nachdem ich den Dienst-Porsche auf einem der Parkplätze abgestellt hatte, begaben Rudi und ich uns zu den Laboren und Sektionsräumen.

      Dr. Wildenbacher erwartete uns nicht. Wir mussten also eine Viertelstunde auf ihn warten, weil er gerade eine feingewebliche Untersuchung begonnen hatte und dabei nicht unterbrochen werden wollte. Jedenfalls ließ er uns das durch eine Praktikantin ausrichten.

      „Hatte nichts mit Ihrem Fall zu tun“, begrüßte er uns schließlich. „Ich arbeite ja nicht nur für Sie beide. Es gibt zum Glück noch andere Morde aufzuklären.“ Als er Rudis etwas irritierten Blick sah, schien er es für nötig zu halten, seine Bemerkung zu erklären. „Das war Ironie, Rudi. Anscheinend bin ich zu häufig mit FGF zusammen. Da färbt sein hamburgischer Humor eben etwas zu sehr auf mich ab.“

      FGF war die Abkürzung für Friedrich G. Förnheim, einen Naturwissenschaftler und Forensiker in den Reihen des Ermittlungsteams, dessen Hilfe wir ebenfalls sehr häufig in Anspruch nahmen. Förnheims distinguierte Art und sein unverkennbar hamburgischer Akzent bildeten immer so etwas wie den personifizierten Gegensatz zu dem Bayer Wildenbacher.

      „Gut, dass Sie das gleich erläutert haben, ich hätte es sonst kaum verstanden“, meinte Rudi.

      „Was jetzt vermutlich keine Ironie war“, sagte Wildenbacher. „Aber jetzt mal völlig ernsthaft, dieser amoklaufende Kommissar, den ich auf den Tisch des Hauses bekommen habe, gibt mir ein paar Rätsel auf.“

      „Uns ebenfalls“, sagte ich.

      „Kommen Sie, ich zeig Ihnen mal was!“

      Dr. Gerold M. Wildenbacher führte uns in den Sektionsraum. Kevin Marenberg lag auf dem Tisch. Wildenbacher schlug die grüne Einweg-Decke zur Seite.

      „Also es ist so: Die Leiche hat ein paar Einstichstellen. Der Tote hat noch zu Lebzeiten mehrere Injektionen bekommen, die er sich unmöglich selbst beigebracht haben kann. Das geht einfach nicht, zumindest, wenn man nicht biegsame Tentakelarme oder ähnliches hat.“

      „Sie meinen, ihm wurden vielleicht gewaltsam Drogen verabreicht, die ihn zum Amokläufer gemacht haben?“, hakte ich nach.

      Dr. Wildenbacher nickte. „Es gibt einige weitere Merkmale, die für diese Hypothese sprechen. Erstens wurden die Injektionen an Stellen angesetzt, wo sie möglichst nicht auffallen, Hautfalten zum Beispiel. Sowas wird selbst von halbwegs sorgfältigen Kollegen, von denen es ja wenig genug gibt, gerne mal übersehen. Hier zum Beispiel und hier.“ Wildenbacher fasste entschlossen zu und drehte die Leiche um. „Und hier auch.“

      „Ja, ich glaube, wir können uns durchaus vorstellen, was Sie meinen, Gerold“, sagte Rudi.

      „Die Vorstellung reicht nicht. Man muss sich der Wirklichkeit stellen, Rudi. Aber es kann durchaus sein, dass das unter verweichlichten Haupstädtern inzwischen aus der Mode gekommen ist.“

      „Können Sie uns noch mehr sagen?“, fragte ich.

      Wildenbacher nickte.

      „Ja, sehen Sie diese Hämatome? An den Handgelenken, den Fußgelenken und unter den Achseln ...”

      „Wenn Sie sagen, dass das Hämatome sind”, meinte Rudi.

      „Ja, kann schon sein, dass die sich etwas verändern, wenn ein Toter schon länger tot ist. Aber ich versichere Ihnen, es sind welche. Und zwar sehr typische.”

      „Typisch? Wofür?”, fragte ich.

      „Dafür, dass Herr Marenberg getragen worden ist. Jetzt fragen Sie mich nicht, was das im Einzelnen bedeutet, aber eigentlich spricht die Spurenlage für folgendes: Marenberg wurde überwältigt, betäubt und anschließend wurden ihm bisher noch unbekannte Substanzen injiziert, die seinen Amoklauf ausgelöst haben.”

      „Fragt sich, wer das getan haben könnte und aus welchem Grund”, meinte ich. „Aber das ist auf jeden Fall schon mal ein Ansatz.”

      „Es ist nur eine Hypothese, Harry”, dämpfte Wildenbacher sogleich meine Freude darüber, in diesem Fall zumindest einen Ansatzpunkt zu haben.

      „Sicher,


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