I L.I.K.E. my job. Reinhard LindnerЧитать онлайн книгу.
diese vorzuleben? Diese Buchhalterin wurde eine meiner loyalsten Mitarbeiterinnen.
Andrerseits kann es auch immer wieder vorkommen, dass wir enttäuscht werden: In meinem Unternehmen ließ ich eine Psychologiestudentin auf Werksvertragsbasis zehn Stunden pro Woche arbeiten, weil sie den Job unbedingt haben wollte, da die Tätigkeit mit ihren Studien sehr gut vereinbar war. Während der Sommermonate hatten wir einen Monat Betriebsferien und demzufolge auch das Büro geschlossen. Ich teilte der Studentin mit, dass sie in dieser Zeit nicht zur Arbeit kommen brauche. Worauf sie nachfragte, ob sie dann auch nichts verdiene. Nachdem sie auf Werksvertragsbasis für mich arbeitete und nicht angestellt war und damit auch nicht arbeitete, hatte sie natürlich keinen Anspruch auf ein Gehalt oder Honorar. Sie betonte ihre Fixkosten, derenthalben sie auf das Geld angewiesen sei, und bat mich, doch irgendeine Tätigkeit zu finden, damit sie auch in dieser Zeit ein Einkommen hätte. Ich ließ mich erweichen und beauftragte sie mit der nicht notwendigen Überarbeitung der Datenbank. Froh über mein Entgegenkommen ersuchte sie mich überdies, statt der viermal zehn Stunden pro Woche einmal vierzig Stunden innerhalb einer Woche zu arbeiten, damit sie sich auch Urlaub nehmen könne. Dieser Bitte kam ich ebenso nach wie jener, das Honorar gleich nach dem Ableisten der vierzig Stunden zu begleichen und nicht wie üblich am Monatsende, in diesem Fall Ende August. All dies gestand ich ihr zu im Sinne einer guten Zusammenarbeit. Der September ist meist unser stärkster Umsatzmonat, also eine Zeit, in der wir die Studentin auch für das Tagesgeschäft im Unternehmen gut einsetzen konnten. Am 31 August erhielt ich eine Mail, dass sie ab September nicht mehr bei uns arbeiten möchte, da sie einen anderen Job gefunden habe, bei dem die Wegzeit etwas kürzer war. Sie können sich bestimmt vorstellen, was in diesem Moment in mir vorging. Zahlt sich Loyalität also wirklich aus? Ich behaupte immer noch, ja. Auch wenn ich in diesem Augenblick verärgert war, gelang es mir, gelassen zu bleiben. Nach dem Motto „no chicken fight“, also keine Energie verschwenden, wo es sich nicht lohnt, ignorierte ich dieses Erlebnis und konzentrierte mich auf Themen, die ich beeinflussen konnte und die mein Unternehmen vorantrieben.
Solche Enttäuschungen sind allerdings eher Ausnahmen. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass sich Menschen tendenziell loyal verhalten. Nicht zuletzt, weil Loyalität auch ein Gefühl der Sicherheit und der Zugehörigkeit gibt, und daraus wiederum resultiert Stabilität. Der Spruch: „Gemeinsam sind wir stärker“ ist keineswegs eine hohle Phrase. Es ist tatsächlich so, dass wir uns im Kollektiv stärker und auch mutiger fühlen. Persönliche Schwächen und Defizite werden im Team kompensiert, das Selbstbewusstsein steigt. Eigene Grenzen und Limits werden so leichter überwunden, Entwicklung und persönliches Wachstum vorangetrieben. Glücksforscher haben mehrfach festgestellt, dass loyale Menschen nachweislich glücklicher sind. Tun wir Dinge, zu denen wir auch stehen können, sind wir also unseren Gefühlen gegenüber loyal, werden vermehrt Endorphine freigesetzt. In umgekehrter Hinsicht ist dies noch deutlicher spürbar. Werden wir gezwungen, Dinge gegen unsere Überzeugung zu tun, setzt uns das zu. Hält dieser Zustand über einen längeren Zeitraum an, entsteht unweigerlich Frust. Manifestiert sich der Frust, werden wir krank. Loyalität ist vom Wesen her der Liebe relativ ähnlich. Sie ist bedingungslos, unabhängig und selbstlos.
Identifikation
Wenn sich Mitarbeiter mit dem, was sie tun, voll und ganz identifizieren können, entsteht Leidenschaft. Etwas mit Leidenschaft und Freude zu machen, setzt sehr viel positive Energie frei, was sich auf die Qualität der Arbeit auswirkt. Mit Freude das Richtige in hoher Qualität zu tun, führt zu Erfolg. Nun gibt es einige Branchen, insbesondere die Bankenbranche, wo sich in den letzten Jahren das Berufsbild massiv verändert hat. Die beruflichen Anforderungen sind mittlerweile ganz andere als zu dem Zeitpunkt, als sich der langjährige Mitarbeiter für diesen Beruf entschieden hat. Das hat oft zur Folge, dass sich Mitarbeiter mit dem neuen Berufsbild nicht mehr richtig identifizieren können. Sie bleiben jedoch in ihrem Job aus Mangel an (besseren) Alternativen. Wenn sich die Sinnfrage darauf reduziert, am Monatsende pünktlich sein Gehalt auf dem Konto zu haben, leidet naturgemäß die Qualität der Arbeit massiv.
Der US-Motivationstrainer Simon Sinek verkündet in seinen Key-Notes immer wieder die Botschaft: „If you know the why, you will not ask for the how.“ Wenn wir verstanden haben, warum wir etwas tun, ist das Wie ein leichter Spaziergang.
Unternehmen, welche sich ernsthaft mit dem Unternehmenszweck, also mit dem Purpose beschäftigen, treffen nicht nur den Zeitgeist, sondern haben gegenüber ihren Mitbewerbern auch klare Vorteile. Voraussetzung dafür ist, dass es gelingt, diesen Purpose glaubwürdig zu kommunizieren. Einen Purpose kann man jedoch nicht erfinden oder, weil er im Trend liegt, einfach einem Unternehmen überstülpen. Ein Purpose muss sich aus der Historie, den Alleinstellungsmerkmalen und der Unternehmenskultur schlüssig ableiten lassen. Gelingt es, bekommt der Unternehmenszweck Kraft, die Sinnfrage Dynamik, es entsteht Authentizität und die Identifikation der Mitarbeiter mit der Firma steigt. Andreas Treichel hat im Finale seines Schaffens als CEO der Erste Group einige Jahre in ein „Statement of Purpose“ für die Bank investiert. So wichtig war ihm dieses Anliegen.
Was sind also sinnstiftende Maßnahmen, welche die Identifikation nachhaltig erhöhen? Dazu ist es notwendig, die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe genauer zu hinterfragen. In der Babyboomer-Generation wurde die Sinnfrage, warum man arbeitet, mit der Aussage, „um Geld zu verdienen und damit den Lebensunterhalt zu bestreiten“, meist schon zufriedenstellend beantwortet. Bei den Millennials, der Generation der Erben, reicht das monatliche Gehalt bei Weitem nicht aus, um Bestleistungen abzurufen. Auf die verschiedenen Möglichkeiten, Mitarbeiter intrinsisch zu motivieren und ihre Potenziale bestmöglich auszuschöpfen, werde ich im Kapitel „Führen nach dem L.I.K.E.-Prinzip“ konkreter eingehen.
Ist die Identifikation des Mitarbeiters für das Unternehmen oder für seine Tätigkeit hoch genug, nimmt sich der Mitarbeiter selbst als Teil der Firma wahr. Es entsteht ein Wir-Gefühl, die Ich-AG wird zur Wir-AG, geprägt von einem starken Miteinander und einer überdurchschnittlich hohen Bindung zum Betrieb. Gelingt es außerdem, dass die Belegschaft die Ziele des Unternehmens übernimmt und zu ihren persönlichen Zielen macht, entsteht hohes Engagement bei gleichzeitig hohem Verantwortungsbewusstsein. Aus einem Team wird ein Dreamteam, das sich gegenseitig motiviert und zu Bestleistungen anspornt.
Im Vordergrund steht die Identifikation mit der Aufgabe und nicht so sehr mit dem Arbeitgeber. Auch wenn es auf den ersten Blick kongruent erscheinen mag, so besteht dennoch ein erheblicher Unterschied darin, ob sich ein Mitarbeiter nur mit seiner Aufgabe oder mit dem Unternehmen als Ganzes identifiziert. Ist jemand aufgrund seiner hohen sozialen Kompetenz im Pflegedienst tätig, kann es durchaus sein, dass er für seinen Beruf eine echte Leidenschaft entwickelt, insbesondere wenn er von seinen Patienten eine entsprechende Wertschätzung erfährt. Das heißt aber noch lange nicht, dass er sich mit der Krankenanstalt oder mit den Zielen dieses Gesundheitsträgers vollumfänglich identifiziert. Patienten kann er in einer anderen Pflegeeinrichtung ebenfalls zufriedenstellen und ein Wechsel zum Mitbewerber ist rasch vollzogen, wenn ihm dieser ein attraktiveres Gehalt oder flexiblere Arbeitszeiten bietet. Mitarbeiter können ihren Traumjob gefunden haben, ohne dass sie eine Bindung zum Arbeitgeber entwickeln. Ein Versäumnis der Führungskräfte, das teuer werden kann.
Hat eine hohe Identifikation ausschließlich Vorteile? Der „War for Talents“ ist voll im Gang. Das Buhlen um die Gunst der hellsten Köpfe ist überall spürbar. In manchen technischen Berufen werden bereits für Lehrlinge aufgrund des akuten Facharbeitermangels Einstiegsprämien bezahlt. Sich als attraktiver Arbeitgeber am Markt zu präsentieren, ist zur Überlebensfrage geworden. Ganz neue Geschäftsmodelle wie zum Beispiel „Great place to work“ sind daraus entstanden, und Internetplattformen wie Kununu erfreuen sich größter Beliebtheit. Wir sprechen in der Zwischenzeit von einem Arbeitnehmer Markt, wo sich gut ausgebildete Mitarbeiter ihren Arbeitgeber aussuchen können. Im Future Dom der Fill Gesellschaft m.b.H. in Gurten versammeln sich jährlich beim Employer Branding Forum über 400 Firmenchefs und Personalisten aus dem gesamten deutschen Sprachraum, um zu erfahren, was die neuesten Trends im Bereich Arbeitgebermarke sind. Vom professionellen Onboarding der Mitarbeiter über zeitgemäße Entlohnungsmodelle mit Incentives bis hin zur perfekten IT-gestützten Kommunikation und reizvollen Zusatzleistungen kann man hier erkunden, was von Talenten