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Hurra, wir dreh’n uns noch. Uwe TörlЧитать онлайн книгу.

Hurra, wir dreh’n uns noch - Uwe Törl


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Wenn ein Schimmel auf einer weit abgelegenen Koppel umfällt, tot. Also tot umfällt im Sommer und wird, so in etwa übern Daumen, vielleicht acht Wochen vergessen … Was wollt ich jetzt, …? Egal!

      „Wir sehen uns auf der anderen Seite!“ Ich erinnerte mich eines ehemaligen Kameraden, der die Unsitte beherrschte, eine Büchse Scomber Mix mit seinen Zähnen zu öffnen. Jedenfalls antwortete ich verdutzt fragend: „Auf der anderen Seite?“

      „Genau …“, raunte sie geheimnisvoll, als wenn man ihren Gaumen mit Sandpapier tapeziert hätte. Unheimlich würde es jetzt werden, würde die Kerze, welche ein zum Teelichthalter degradierter giftgrüner Drache auf dem Tresen trug, von einem plötzlich durchrauschenden Windzug ausgeblasen.

      Nach diesem Zusammentreffen mit der doch etwas anderen Art, zog es mich weiter. Der Reihe nach rum, war ich doch wirklich neugierig, was es in diesem weihnachtlichen Zirkuszelt-Rondell noch so zu bestaunen gab. Auch wenn ich hatte, was mich fand, zog dieser eigenwillige Weihnachtsmarkt magisch an. Zehn Stück dieser Osmanischen Feldunterkünfte, welche eine Bühne am Kreolen-Zelt beschloss, tummelten sich großzügig ausgerichtet um das kleine schon erwähnte Kinderkettenkarussell. Auf dessen Spitze ein Derwisch, der bei jeder Fahrt mit wehendem Rock wie wild sich drehte. In den Zelten präsentierte sich nicht nur die Auslage, sondern auch gleich der scheinbar nur noch aus Resten bestehende Lagerbestand gewinnbringend. Öffnete man weit die …? Türen waren es ja nicht. Doch wenn ich sage: „Mach auf das Tuch, den Vorhang weit!“, weiß man doch was ich meine? (Dann ist ja gut. Denn als zweiflügelig-aufklappbare Zeltlappen wollte ich diesen Einlass nicht betiteln. Wer weiß, wie der muselmanische Sponsor dieser mit Mondsichel bestückten Campingbehausungen auf solches reagiert?)

      Und in jedem dritten Zelt duftete es nach Jasmin wie aus Tausend und einer Nacht. Roch es nach fremdartigen Gewürzen orientalischer Welten, … Sollte man zumindest glauben. Stattdessen hing das Aroma eingeschlafener Füße eines (vielleicht) Exbürgermeisters von Istanbul, welcher sich zum Ministerpräsidenten empor terrorisiert hatte, in der Luft. (Ein Typ, welcher mit den Mitteln von heute noch in der Welt von Konstantinopel sein eigen Volk von oben herab zu seinem Gunsten in die Knie regieren wird. Wenn dieser geldgeile Sack so weitermacht, zum Gespött ganzer Kontinente, wenn ich mal orakeln darf. Der Kim Jong-Unsinn vom Bosporus.) Zurück zu den Aromen dieses eigenen Universums. Gleich in Zelt drei, nachdem ich Nummer zwei, welches voll mit Spenden von Waldorfschülern … nein, noch mal … welches bis unters Dach voll von Spielzeug- und Kleiderspenden von Waldorfschülern, hatte ich ausgelassen, entkam dem Dritten ein Odeur von Weihrauch und Myrre. Das muss es sein, das heilige Zelt vom osmanischen Weihnachtsbasar. Krippen, Engel, Kreuze und alles in Groß und Klein. Und aus allen Ecken räucherte und qualmte es nur so vor sich hin. Doch irgendwie war ein Geruch dazwischen, der so gar nicht passen wollte. Selbst der junge Verkäufer, dessen Teint nicht unpassender konnte sein, verriet die Rasta-Matte den versteckten Irrtum.

      „Na Bruder, wat kann ick dir judet tun?“, erkannte er mein fragendes Gesicht. Überrascht sehe ich den strahlenden Rastaman an. Überhaupt schienen alle die an seinem Zelt, wenn auch nur kurz, hängen blieben, seltsam zu strahlen. Nur nicht dieses Trio an Betreuerinnen, von denen die ersten beiden jeweils gelangweilt einen Opi im Rollstuhl vor sich herschob, bei der dritten henkelte eine Omi am Arm und schien irgendwelche Mantras vor sich her zu murmeln. Oder sie lutschte noch ein Stück Sättigungsbeilage von der mittäglichen Suppe. Weil Zähne waren nicht erkennbar. Da dachte wohl der Opi der zweiten Betreuungskraft: „Drifte ich doch mal eben zu Rasta ab.“ Doch war die Chauffeurin auf der Hut und bemerkte den leichten Kurswechsel sofort. „Falsches Zelt, Opa Wilbur. Sie wollten was für ihren Enkel, aber bestimmt nicht für ihren albernen Glauben!“ Opa Wilbur knurrte: „Das wollte die Daggema!“, missmutig von seinem Platz, dass sich sogleich vorderste Kraft ungefragt einklinkte: „Hör i da uane antiwoaihnachtliche Stimmung, Opa Wilbur? Schön auf die Bärbel hören!“

      „Daanke Schwester Daagmaar!“ Der angeätzte Klang in Bärbels Stimme verriet die Beliebtheit Dagmars. Und beim Opa war sie eh durch: „Für dich immer noch Herr Wilbert! Schwester Daggema aus Austria!“

      „Noa, wer wird’s denn da glei fürchterlich, Opa Wilbur?“, lies die Daggema ihre schon grenznahe Nord-Salzburger Herkunft raushängen: „Singen mir besser ah Lied. Mechte Mutter Piepe anstimmen? Faih uane olde woaihnachtliche Woaise?“

      Was Wilbur veranlasste: „Ihr habt doch ’ne Meise!“, und der Türke vom kleinen Kinderkettenkarussell freundlich rüber rief: „Lanet yabancilar!“

      Ungeachtet Wilburs Feststellung stimmte die am Arm von Bärbel gestützte Frau Piepe, welche nur darauf zu warten schien, auch schon an: „Oh es riecht gut, oh …“ Oh Gott, es war grausam!

      Mit ohne Zähne konnte man bestimmt viele Sachen machen. Lesen und schreiben zum Beispiel. Vielleicht auch noch reden und zuhören, ganz bestimmt. Doch ohne Zähne mit circa Mitte neunzig und einem weichgelutschten Brotkanten zwischen dem statisch gestörten Zahnfleisch singen? Nein, das geht … definitiv nein! Was der Oma außer hörbar auch sichtbar egal war. Hingebungsvoll strapazierte sie ihre nähere Umwelt. Zumindest reichte es für Rasta über Waldorf bis hin zur Punkine, was das Kleinkindkettenkarussell, welches sich mit einer osmanischen Volksweise hilflos zur Wehr setzte, mit einschloss. „Spinnt doch, Deutschen ihr!“, konnte sich der westkurdische Kartenkontrolleur einen Kommentar nicht verkneifen und machte dazu ein Gesicht, als hätte ihm die Omi mit verschütteter Noten den Krieg erklärt.

      Zu viel für Opa Wilbur, sodass er, um diesem Unsinn ein Ende zu bereiten, in die Reifen griff. Nicht ohne Folgen. Ein wenig zu schnell knallte er der Daggemar in die Hacken, welche erschrocken vornüber stürzte. Um wiederum ihrem gehandicapten Opi mit ihrem Kinn die Schmidt-Mütze auf dessen Haupte zu verschieben. Sie stützte sich auf, vergessend, dass die Rollstuhlbremse nicht angezogen war und so schossen beide vorbei am Waldorfzelt, bis Schmidt-Mützen-Opa in der Plane von Punkines Kreolenzelt zum Stillstand kam. Punkine selber, weil nicht anwesend, konnte nicht helfen. Doch Schwester Bärbel eilte schon, Frau Piepe vergessend, zu Hilfe.

      Der westkurdische Kartenkontrolleur sah mit Blick auf vergangene, nicht stattgefundene Erfolge, bang die deutsche Zukunft schwinden: „Konntet nicht gewinnen Krieg. Ösis zu viel. Unfähig ihr ward!“

      „War das nicht nur einer?“, erkundigte letztere Betreuerin sich bei ihrer sehbehinderten Begleitung. Woraufhin diese mit Missmut in der Stimme knurrte: „Genau wie hier!“ Während der Enthüllung von Schmidt-Mützen-Opa, bezichtigten sich derweil beide Betreuerinnen der Schuld an diesem Malheur. Es erweckte für Außenstehende den Eindruck, dass diese betreuenden Kräfte selber Betreuung von Nöten hätten. Was der dritten betreuenden Kraft im Schlepptau dieses seltsam-senilen Gespannes zu Gute kam, gingen Bärbel und Dagmar verbal aufeinander los. Schmidt-Mützen-Opa vermisste seine Mütze, was er durch Schläge mit Hilfe einer Krücke an die Innenseite der Zeltplane lautstark kundtat. Nur Opa Wilbur war guter Dinge. Laut lachend beklopfte er beidhändig seine steifen Oberschenkelstumpen und schob sich einen von Rastamans heimlich zugesteckten Keksen in den Mund. Fehlten ihm auch die Beine, so hatte er doch seine Zähne noch vollständig. Zumindest verriet das sein lausbubenhaftes Grinsen. Darauf folgte die für Stillschweigen bekannte Fingergeste an seine schmalen Lippen und der anschließende Fingerzeig direkt auf mich. Was mir signalisierte – der meint dich. Somit wurde ich im Vorbeigehen unfreiwillig zum Geheimnisträger von Opa Wilburs Machenschaften. Und das alles zum Nutzen von Schwester Nicki, welche ihrer elegant hergerichteten Dame am Arm den rechten Weg wies. Für sie war das Tohuwabohu ihrer Kolleginnen Ablenkung genug, um mit Rastaman einen großen Umschlag gegen zwei kleinere, unbemerkt von ihren Kolleginnen, zu tauschen. Grad so, dass die beiden Betreuung benötigenden Betreuerinnen ihren beinah eingetüteten Schmidt-Mützen-Opa samt Rollstuhl schadfrei aus Punkines Zeltplane befreit hatten, hatte Schwester Nicki besagte Umschläge heimlich in die elegante Handtasche ihrer eleganten Dame verschwinden lassen. Mit einem hinterhältig geheuchelten: „Kann ich helfen?“, schloss sie zu der Mischung aus Dumpfbacken-Betreuern und betreuten Greisen auf. Und untersagte im zweiten Satz der Frau Piepe, zum Schutz von Marktbesuchern aus Nah und Fern, weiteres Absingen weihnachtlichen Kulturgutes.

      Dagmar, wieder über den Dingen, lehnte die Hilfe Nickis frei von Dank mit erhobener Nase ab und drückte stattdessen der Nicki zusätzlich zur Eleganz noch Wilbur aufs Auge, was diesen beiden


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