Tagebuch eines frommen Chaoten. Adrian PlassЧитать онлайн книгу.
dadurch komplett blockiert. Brachte es immerhin fertig, Ted stotternd zu fragen, ob er jemals gedacht hat, christliche Werte sollten in unsrer Gesellschaft stärker zur Geltung kommen. Hatten danach eine ganz gute Diskussion, die – wer hätte das gedacht! – damit endete, dass Ted sagte, er hätte nichts dagegen, am nächsten Sonntag mit uns zur Kirche zu kommen!!
Als sich draußen vor dem Laden unsere Wege trennten, sagte Ted: »Übrigens von wegen Werte in der Gesellschaft und so, drum komm ich ja jetzt immer am Freitag und ess hier mein Abendbrot. Da ist so ‘ne Bande von Halbstarken, die machen freitagabends mit ihrer Bumsmusik immer so ‘nen ekligen Krach, und das dauert so zwei Stunden. Ist direkt neben mir, in der Unity Hall. Also, das ist mal wirklich was, was verboten gehört! Na ja, nichts für ungut, bis Sonntag früh dann also! Nabend allerseits!«
Später, als Leonard (unter Absingung von Let It Be! auf den Text: »Wir haben einen, haben einen … «) nach Hause gegangen war, versicherte ich mich, dass Gerald nicht in der Nähe war, und erzählte Anne, was Ted über den »ekligen Krach« gesagt hatte.
»Was passiert Sonntag«, sagte ich, »wenn Ted merkt, dass die Halbstarkenbande, die ihn jeden Freitagabend aus dem Haus treibt, in unserer Kirche spielt? Und dass einer der Bandenführer mein Sohn ist?!«
Anne sagte: »Ich weiß nicht, was passiert, aber ich bin sicher, dass alles gut wird. Denk an Lunchington. Der würde sich wegen so was keine grauen Haare wachsen lassen.«
Ha! Lunchington! Ich wage zu behaupten, der hätte die ganzen Fischburger zum Leben erweckt und jedem von ihnen ein Traktat in die Flosse gedrückt.
Sagte am Abend nur ein kurzes Gebet: »Gott, bitte bring Ted zu dir. Amen.«
Samstag, 18. Januar
Brauchte heute früh fast eine Stunde im Bad, um zwei widerspenstige Haarsträhnen zu zähmen, die – was ich auch versuchte – immer wieder dergestalt hochstanden, dass ich wie der böse Feind persönlich aussah. Kaum hatte ich sie in die Knie gezwungen, versetzte sie Gerald abermals hinterrücks in Rebellion, als ich gerade mein Frühstücksei köpfen wollte.
Aufgekratzt ist gar kein Ausdruck! Er sagte: »Morgen ist der Tag, Papa! Edwin hat uns gestern Abend gehört und sagt, der Count-down für Sonntagmorgen kann anlaufen. Mama, Papa.« Er war plötzlich ganz ernst. »Ihr werdet morgen stolz auf mich sein.«
Anne sagte: »Da sind wir ganz sicher, mein Lieber!«
Machte meinen Mund auf, aber meine Gedanken kamen sich gegenseitig derart in die Quere, dass ich keinen Ton rausbrachte. Gerald merkte nichts. Er sagte: »Muss gehn, muss gehn! Zeit für die Arbeit! Sind selber schuld, wenn sie so blöd sind und mich anstellen!« Er tanzte im Walzerschritt durch die Tür und sang dabei: »Das ist die Schlappe von Woolworth … «
Verschwand, steckte aber schon ein paar Sekunden später den Kopf erneut durch die Tür.
»Übrigens, Papa.«
»Ja.«
»Dieser Typ, den du gestern Abend kennengelernt hast.«
»Ja?«
»Vielleicht ist es ja unsre Musik, die ihn an den Punkt bringt, wo er wirklich eine Entscheidung fällt.«
»Ja, Gerald«, sagte ich, »da könntest du recht haben.«
Hmmm …
Sah heute Nachmittag unseren zukünftigen Nachbarn flüchtig durchs Flurfenster, als er ins Haus ging – um was auszumessen, nehme ich an. Er wirkt entspannt, zufrieden, raucht eine große gemütliche Pfeife; irgendwie strahlt er so was wie Glück aus.
Unwahrscheinlich, dass er Christ ist, scheint mir. Werden es rauskriegen, sobald er eingezogen ist.
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