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Hispanien. Michael KochЧитать онлайн книгу.

Hispanien - Michael Koch


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Chr. von Hasdrubal gegründeten Stadt mit dem programmatischen Namen Qrt Hadašt („Neustadt“, Carthago Nova, Cartagena), einer Kombination von Herrscher-Residenz und Garnison mit dem wohl besten Naturhafen des westlichen Mittelmeeres und in der Nähe reicher Silber- und Bleivorkommen gelegen. Polybios hat die Stadt in den 50er-Jahren des 2. Jhs. v. Chr. besucht und eine detaillierte Schilderung hinterlassen. Die intensiven archäologischen Bemühungen der beiden letzten Jahrzehnte in Cartagena haben nicht nur einen Teil der berühmten Stadtmauer freigelegt, sondern auch Hasdrubals Residenz [Abb. 10], die Polybios als basileia bezeichnet – beides hellenistische Musterbauwerke. Aber auch Städte geringerer Bedeutung wie Carmo (Carmona) oder Carteia tragen Züge hellenistischer Befestigung durch die Barkiden.

      Hasdrubal, der 221 v. Chr. ermordet wurde, und Hannibal, 247 v. Chr. geboren und hochbegabt, verkörpern die hellenistische Prägung in besonderem Maß. Hannibal betreibt die imitatio Alexanders in einer Weise, wie keiner der Diadochen es besser hätte machen können: Von Münzporträts bis zur diplomatischen Heirat mit einer Tochter des regulus von Castulo findet sich das gesamte Repertoire. Jetzt erst, seit 237 v. Chr., treiben die Gouverneure Karthagos in Hispanien eine ausdrücklich imperialistische Politik, wie bereits Lenin wusste; jetzt erst wird die Grenze, die vordem eher eine kulturelle als eine politische war, auf breiter Front nach Norden verschoben. Erst der Zweite Krieg mit Rom beendete die punische Unterwerfung größerer Teile des Landes; im Verlaufe des Italienzugs Hannibals wurde auch das Gebiet zwischen Ebro und Pyrenäen annektiert. Im Wesentlichen bedeutete dies: Unterwerfung der Bevölkerung, Ausbeutung der Bodenschätze, die außerordentlich wichtige Gewinnung von Söldnern sowie Geiselstellung durch einheimische chiefs, die bündnisbereit waren. Karl Christ hat das 1972 so formuliert: „Die von P. Grimal unterstrichene ‚Politik kolonialistischer Annexionen‘ (Karthagos) kostete den keltiberischen Stämmen jedenfalls ebenso ihre Freiheit wie später die auf Macht und Terror begründete Einrichtung der römischen Provinzialverwaltung“ (1974, 13).

      Exkurs 2

      Die Iberer

       „Die Leiber der Menschen sind auf Entbehrung und Arbeit eingestellt, ihr Geist auf den Tod“

       (Iustin. 44, 2,1)

      Bevor wir uns dem Großen Krieg und seinen Folgen zuwenden, ist es notwendig, einen Blick auf diejenigen Völkerschaften zu werfen, die mit dem Eintritt Hispaniens in die Geschichte der mittelmeerischen Welt eine Rolle zu spielen beginnen: Die sogenannten Iberer im Osten und Süden der Halbinsel. Dabei ist zunächst daran zu erinnern, dass dies eine Fremdbezeichnung ist: „Iberer“ waren für die frühen Griechen pauschal die Bewohner des Gebietes an den Ufern des großen Flusses Iberos; das Land, welches diese Iberes bewohnten, erhielt bald die Bezeichnung Iberia. Diese wurde mit zunehmender Kenntnis mehr und mehr zur Bezeichnung des gesamten Landes, die mit der Zeit nicht nur bei den Griechen, sondern in der gesamten hellenistischen Welt Anwendung fand. Die Selbstbezeichnungen dieser Ethnien – von den Ausetanern im Nordosten bis zu den Bastetanern im Südosten kennen wir erst aus späteren historischen Zusammenhängen, vielfach auch aus Münzlegenden. Teilweise bleiben sie bis zum Aufgehen der „Iberer“ und ihrer Kultur im Römisch-Hellenistischen gänzlich unbekannt. Die frühen Kolonialmächte subsumierten die iberischen Wohngebiete unter ihre Herrschaftsbezeichnungen: Während die Phoiniker für ihr Interessengebiet lange an der Bezeichnung Tarschisch festhalten und noch Hannibal in seinem Tatenbericht von dessen Bewohnern als Thersitai spricht, haben die späteren Punier eine neue, für seefahrerische Betrachtungsweise typische Bezeichnung gefunden: I Šephanim, „Gestade der Klippdachse“, woraus die Römer Hispania machten. Der Einwohnername Hispani wird in der erhaltenen lateinischen Literatur zuerst in einer Komödie genannt (Plaut. Menaechmi 235, Lindsay). Erst im Laufe des Zweiten Krieges, als Rom in nahen Kontakt mit den Stämmen im Osten und Süden des Landes kommt, gewinnen die vormals pauschal sogenannten ‚iberischen‘ Stämme individuelle Profile. Pierre Moret hat 1996 die bis jetzt bekannten „iberischen“ Fortifikationen im Süden und Osten, wo sie über die Pyrenäen hinaus bis an den Hérault reichen, untersucht. Ihre Zahl beläuft sich ohne die eigentlichen städtischen Siedlungen auf 415, was die in den antiken Quellen vermerkte politische Zersplitterung des Iberertums, das in historischer Zeit zu keiner Staatsbildung fähig scheint, erklären hilft. Gemeinsam ist diesen Ethnien eine einheitliche Schrift, die sich im 5. – 4. Jh. v. Chr. entwickelt zu haben scheint. Ob dieser Schrift eine gemeinsame Sprache zugrunde lag, ist nicht restlos geklärt. Beim heutigen Forschungsstand erweist sich das „Iberische“ mehr als ein komplexes kulturelles Phänomen, manifestiert in Plastik, Toreutik, Keramik, in Architektur und Städtebau, weniger als politisch-gesellschaftlich definierbare Größe.

      Diese ‚Iberer‘ sind keine Indoeuropäer, so viel lässt sich sagen – viel mehr aber auch nicht. Ob – und wann? – sie aus Afrika eingewandert sind, ob sie von den Ureinwohnern des Landes – was immer das bedeuten mag – abstammen, bleibt trotz aller Mühen der Wissenschaft eine bis jetzt unbeantwortete Frage. Fest steht: Sie sind da, als Griechen, Phoiniker und schließlich Römer kommen, und es werden Jahrhunderte vergehen, ehe sich ihre Eigenart in der römisch-hellenistischen Akkulturation des Landes verliert – was keineswegs bedeutet, dass diese Eigenart nicht in irgendeiner Form weiterlebte. Auffallend ist freilich, in welchem Maße die kolonisierenden Phoiniker und – in geringerem Maße und auch zeitlich begrenzt – Griechen auf diese Stämme einwirkten: Von den Pyrenäen bis zum südöstlichen Cabo de la Nao, wo der zweite Vertrag zwischen Rom und Karthago (und die änigmatische ora maritima des Avienus) die Grenze ziehen, spürt man Griechisches, während im Süden Punisch-Orientalisches dominiert. Das zeigt sich in Schrift, plastischer Kunst, in Bauweise, kurz, in allen archäologisch erweisbaren Hinterlassenschaften, wobei keinesfalls eindeutig ist, ob eine direkte griechische Einwirkung gegeben war oder punische Vermittlung vorliegt. Eine archäologisch überaus spannende Konvergenzzone zwischen den beiden unterschiedlich akkulturierten Räumen ist in den heutigen Provinzen Albacete, Jaén und Granada erkennbar: Hier ist die eindrucksvolle „iberische“ Großplastik entstanden, für welche Vorbilder im Mittelmeerraum zu suchen sind [Abb. 11a und 11b]; westlich davon, in der punisch dominierten Zone gibt es kaum dergleichen. Hier findet sich neben Einheimischem ein starkes ‚orientalisierendes‘ Element, erkennbar vor allem im kultischen Bereich. Wenn nicht ohnehin genuin phoinikisch, so sind die Ritualgegenstände aus Lebrija oder vom „Carambolo“ diesen jedenfalls sehr eng verwandt.

      Der umfangreiche Katalog zu der bedeutenden internationalen Ausstellung „Die Iberer“ von 1998 zeigt sich bemüht, das Iberertum in allen seinen Façetten, vor allem den archäologischen, darzustellen, eine Zusammenfassung, die ihresgleichen sucht. Dort machen die spanischen Gelehrten Lorenzo Abad und Manuel Bendala den Versuch einer Darstellung der „iberischen“ Geschichte „Von Tartessos bis in die römische Zeit“. Man könnte diese Bemühung als gelungen bezeichnen, wenn nicht der „Tartessos“-Bezug für Verwirrung sorgte. Das, was Jahrhunderte nach dem Ende der Bronzezeit grob vereinfacht als „Iberer“ in das Licht der Geschichte tritt, unterscheidet sich von der Bevölkerung des hispanischen Südens und Ostens allein durch die unterschiedlich auf sie einwirkenden Einflussnahmen fremder Kulturen, zunächst Phoiniker, dann Griechen, später Karthager sowie durch Kontakte mit Unteritalien und den nahegelegenen Mittelmeerinseln. Populationswechsel sind im iberischen Raum nicht zu erkennen. Allenfalls ist im Süden und Südwesten seit Beginn des letzten vorchristlichen Jahrtausends ein langsames und uneinheitliches Vordringen indoeuropäischer Elemente zu konstatieren. Das wird uns später beschäftigen.


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