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Die Prinzipien der Kriegspropaganda. Anne MorelliЧитать онлайн книгу.

Die Prinzipien der Kriegspropaganda - Anne Morelli


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permanenter Gefahr aussetze. Als es zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA kam, gab Hitler selbstverständlich Roosevelt die Schuld, in dem er eine Marionette der internationalen Finanzwelt und der Juden sah.

      Nach Ansicht Hitlers habe der amerikanische Präsident sein Land nur deshalb in den Krieg gezogen, um die Bevölkerung von der mißratenen Innenpolitik und dem Scheitern des New Deal abzulenken. Außerdem habe sich Roosevelt »seit Kriegsbeginn in steigendem Maße völkerrechtswidrige Verbrechen zuschulden kommen lassen. […] Dadurch ist das aufrichtige und von beispielloser Langmut zeugende Bestreben Deutschlands und Italiens, trotz der seit Jahren erfolgten unerträglichen Provokationen durch den Präsidenten Roosevelt eine Erweiterung des Krieges zu verhüten und die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten aufrechtzuerhalten, zum Scheitern gebracht worden. Deutschland und Italien haben demgegenüber sich nunmehr endlich gezwungen [Hervorhebung der Autorin] gesehen, getreu den Bestimmungen des Dreimächtepaktes vom 27. September 1940 Seite an Seite mit Japan den Kampf zur Verteidigung und damit die Erhaltung der Freiheit und Unabhängigkeit ihrer Völker und Reiche gegen die Vereinigten Staaten von Amerika und England gemeinsam zu führen.«22

      Die Note mit Hitlers Kriegserklärung an die USA, die der Beauftragte des deutschen Außenministeriums dem amerikanischen State Department übergab, schob den USA die volle Verantwortung für die Konfliktsituation zu. Die Vereinigten Staaten hätten mehrfach ihre neutrale Haltung aufgegeben, seit am 3. September 1939 Großbritannien und Frankreich Deutschland den Krieg erklärt hatten, ja sogar Befehl gegeben, auf sichtbare deutsche U-Boote zu schießen und deutsche Handelsschiffe zu kapern: »Obwohl sich Deutschland seinerseits gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika während des ganzen gegenwärtigen Krieges streng an die Regeln des Völkerrechts gehalten hat, ist die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika von anfänglichen Neutralitätsbrüchen endlich zu offenen Kriegshandlungen gegen Deutschland übergegangen. Sie hat damit praktisch den Kriegszustand geschaffen. Die Reichsregierung hebt deshalb die diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika auf und erklärt, daß sich unter diesen durch den Präsidenten Roosevelt veranlaßten [Hervorhebung der Autorin] Umständen auch Deutschland von heute ab [als] im Kriegszustand mit den Vereinigten Staaten von Amerika befindlich betrachtet.«

      Die verbissensten Kriegshetzer gaben sich demnach den Anschein von Unschuldslämmern und wälzten die gesamte Verantwortung für den Krieg auf den Feind ab. Meistens gelang es ihnen auch, der Bevölkerung ihres jeweiligen Landes (und sich selbst womöglich nicht weniger) glaubhaft einzureden, daß sie aus Notwehr zum Handeln gezwungen seien.

      Dabei möchte ich nocheinmal betonen, daß es mir keineswegs darum geht, Angreifer und Angegriffene auf eine Ebene zu stellen. Ich möchte nur zeigen, daß in den Lagern der verschiedenen Kriegsparteien stets dieselbe Sprache gesprochen wird. Im Moment des eigentlichen Kriegsausbruchs ist es meist unmöglich festzustellen, welche Seite die Kriegshandlungen tatsächlich ausgelöst hat, denn zu diesem Zeitpunkt stehen weder alle zur Beurteilung wichtigen Quellen noch die Archive der gegnerischen Partei zur Verfügung.

      Das zweite Prinzip der Kriegspropaganda wurde nach dem Zweiten Weltkrieg natürlich noch etliche Male benutzt. Hier einige Beispiele:

      Das Bild von der feindlichen »Schlange«, die »unser unglückliches Land umzingelt«, wurde während des Kalten Krieges von der amerikanischen Propaganda häufig verwendet. Zur Illustration eigens entworfene Karten sollten den amerikanischen Bürgern »beweisen«, daß die USA von kommunistischen Feinden eingekreist waren. Somit rechtfertigten diese Karten die Schaffung eines Kriegszustandes, der, natürlich, rein »defensiv« war. Auf der anderen Seite gelang es auch der UdSSR, sich als von den USA und ihren militärischen Verbündeten umzingelt darzustellen.23

      Kürzlich schlug ein französischer Abgeordneter im Auftrag der parlamentarischen Verteidigungskommission vor, daß Frankreich sich aus Verteidigungsgründen ernsthafter mit der Erforschung bakteriologischer und chemischer Kriegsführung beschäftigen solle, um gewappnet zu sein gegen den Bioterrorismus, den Saddam Hussein, Nordkorea, Lybien oder der Iran mit Einverständnis Rußlands auslösen könnte [Hervorhebungen der Autorin]. Natürlich erwähnte er mit keinem Wort, daß der Westen auf diesem Gebiet schon lange aktiv ist, er behauptete sogar, die Länder des Westens seien im Gegenteil »bemüht, jegliche Aktivität auf diesem Gebiet inklusive Forschungsprojekte zu beenden.«24

      Im Krieg der NATO gegen Jugoslawien im Jahre 1999 wurde in der Propaganda der europäischen Regierungen ebenfalls immer wieder das Argument herangezogen, Europa sei verpflichtet, sich diesem Krieg anzuschließen. Das Argument der Pflicht zum Mitmachen war deshalb so wichtig, weil sich die Regierungen der Unterstützung durch die öffentliche Meinung in ihren Ländern nicht sicher sein konnten, denn kein europäisches Parlament war im Vorfeld zu Rate gezogen worden, obwohl das die Verfassung mehrerer Staaten vorschreibt. Als etwa Christian Lambert, der Kabinettschef des belgischen Verteidigungsministers, von Studenten gefragt wurde, warum Belgien sich an den Bombardierungen gegen Jugoslawien beteilige, gab er die Auskunft, Belgien sei durch seine Mitgliedschaft in der NATO dazu verpflichtet.25 Eine in diesem Moment geradezu klassische Reaktion, die aber nicht der Realität entsprach.

      Die europäischen Länder wären zwar beim Angriff auf einen NATO-Staat tatsächlich zum Eingreifen verpflichtet, doch das war beim Krieg gegen Jugoslawien keineswegs der Fall. Eine serbische Aggression gegen einen NATO-Mitgliedstaat hatte nicht stattgefunden. Die Militäraktion der NATO gegen einen souveränen Staat war weder durch ein UNO-Mandat legitimiert, noch war die Zustimmung der Parlamente der an der Militäroperation beteiligten Länder eingeholt worden.26

      Gerade bei diesem Krieg wurde das Prinizp des »anderen, der angefangen hat« durch die westliche Propaganda in breitem Umfang verwendet, und zwar in einer besonderen Form, die bereits Arthur Ponsonby aufgefallen war: Weil der Feind unsere Stärke verachtet und unterschätzt, können wir uns nicht länger abwartend verhalten, sondern sind gezwungen, ihm unsere Macht zu demonstrieren.

      Dieses Argument war vorher schon mit aller Deutlichkeit gegen Saddam Hussein ins Feld geführt worden: 1990 hatte dieser die internationale Gemeinschaft herausgefordert (das Wort verlangt natürlich nach einer Analyse!) indem er in Kuweit einmarschierte (oder, je nach Sichtweise, Kuweit dem Irak zurückgab!). Als die französische Tageszeitung Le Soir am 2. August 2000 an den zehnten Jahrestag dieses Ereignisses erinnerte, das Anfang 1991 den ersten Golfkrieg ausgelöst hatte, war auf der Titelseite zu lesen: »Am 2. August 1990 forderte Saddam in Kuweit die Welt heraus«.

      Auf die gleiche Art behauptete die westliche Propaganda 1999, Jugoslawien habe die NATO herausgefordert und sie dazu gezwungen, mit militärischer Gewalt zu reagieren. Am 18. Januar 1999 schrieb Le Soir: »Jugoslawien hat die NATO mit unglaublichem Zynismus herausgefordert: Wird die weltweit größte Armee ihre abwartende Haltung noch lange rechtfertigen können?« Und Le Monde titelte am 6. und 7. August 2000: »Die neuen Provokationen [Hervorhebung der Autorin] des Slobodan Milosevic«.

      Die NATO behauptete damals, auf eine serbische Kampagne »ethnischer Säuberungen« gegen Kosovo-Albaner reagieren zu müssen. Rückblickend jedoch bestätigen internationale OSZE-Gutachten interne Dokumente der deutschen Bundesregierung: Als die NATO am 24. März Jugoslawien zu bombardieren begann, regaierte Belgrad mit einer systematischen Kampagne von Gewalt gegen die albanische Mehrheit im Kosovo. Vor diesem 24. März hatten sporadisch Ausschreitungen der Polizei gegen die Albaner im Kosovo stattgefunden, bei denen man jedoch keineswegs von »ethnischen Säuberungen« sprechen konnte.27 Um jedoch die Bevölkerungen im Westen von der Rechtmäßigkeit des militärischen Vorgehens gegen Jugoslawien zu überzeugen, brauchte man das Argument eines Gegenschlags.

      Dem Feind also, festgemacht in der Person des feindlichen Staatsführers, sollte die gesamte Kriegsschuld angelastet werden.

      Schuld am Krieg ist Saddam Hussein, »der verbrecherische Diktator […] der das Scheitern der Verhandlungen in Djeddah selbst herbeigeführt hat, […] indem er internationales Recht gebrochen und provoziert hat.«28 Schuld am Krieg ist Slobodan Milosevic, der überdies in seiner Kompromißlosigkeit die westlichen Friedensvorschläge in Rambouillet abgelehnt hat.29 Le Vif-L’Express titelte am 7. Mai 1999: »Dem Diktator von Belgrad kommt


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