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Karpfenkrieg. Werner RosenzweigЧитать онлайн книгу.

Karpfenkrieg - Werner Rosenzweig


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aber ihre schlanke Figur und ihr modisches Outfit geben ihr – aus der Ferne betrachtet – das Aussehen einer Endfünfzigerin. Darauf ist sie mächtig stolz.

      „Aber meine Damen“, intervenierte Dirk Loos höflich wie immer, „ihr werdet euch doch wegen dieser blöden Tatort-Wiederholung nicht in die Haare geraten.“ Diese Bemerkung war ein großer Fehler, wie er feststellen musste. Ein Ruck ging durch die beiden Witwen. Sie erstarrten zu Salzsäulen. Nach einigen Sekunden der Erstarrung kam wieder Bewegung in die beiden. Sie stemmten die Fäuste in die Hüften und wandten sich drohend dem Rentner aus dem Sauerland zu.

      „Blede Tatort-Wiederholung! Hab ich da richtig ghert?“, flippte die Kunni aus, „wenn mei Leitmayr im Fernsehn auftritt! Was isn da dran bled? Des is doch allerahand! Dirk! Willst du mich und die Retta persönlich beleidign? Hast du dir genau überlecht, was du da gsacht hast? Retta, etz sach du a was dazu“, forderte Kunni ihre Freundin auf.

      Das Funkeln in Margarethe Bauers Augen ließ Böses erahnen, als sie ihren Untermieter unfreundlich anging. „Dirk“, begann sie, „hab ich dir eigentlich scho amol die Miete erhöht? Ich glab net. Wie kannst du bloß sagn, dass die Kunni und ich blede Sendungen anschaua, wenn unser Batic und unser Leitmayr Verbrecher jagn? Des is höchste Kunst, was die zwa da zelebriern. Vom Feinsten. Da kannst du die zwa Deppen in Münster oder in Köln vergessen. Also, ich muss mich scho wundern über deine Äußerung!“

      Dirk Loos, der immer Höfliche und Hilfsbereite, der vor Jahren aus dem Sauerland nach Franken gezogen war und seitdem im ersten Stock von Rettas Haus eine Dreizimmerwohnung belegt, war sichtlich irritiert. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. Er wollte doch nur schlichten. Er hatte keine böse Absicht, die beiden Damen zu beleidigen. Insbesondere Retta nicht, die er ihres attraktiven Aussehens wegen heimlich verehrte, auch wenn sie fast neun Jahre älter war als er. „Ich denke, ich gehe mal lieber“, stammelte er reuevoll. „Heute ist nicht mein Tag. Ich hatte keineswegs die Absicht, euch beide zu beleidigen. Das liegt mir völlig fern, und das solltet ihr bitte auch wissen. Ich habe mich offensichtlich ungeschickt ausgedrückt, was ich hiermit auf das Außerordentlichste bedauere. Ich wünsche den Damen noch einen schönen Tag, und viel Spaß mit den Herren Leitmayr und Batic. Solltet ihr mich dennoch nochmals brauchen, so sagt mir einfach Bescheid.“ Mit diesen Worten näherte er sich der Haustür, öffnete sie, und schlich mit hängendem Kopf davon.

      „Dass der immer so empfindlich sei muss, dei Freund“, stellte die Kunni fest.

      „Des is net mei Freund“, begehrte die Retta auf.

      „Irgendwie scho“, widersprach die Kunni. „der steht doch auf dich. Ich kann zwar net verstehn, warum, weil an dir is doch nix dran. Aber die Geschmäcker sind halt verschieden, sacht man.“

      „Was willstn etz damit scho widder sagn?“, brauste die Retta auf“, schau di doch selber an. Ein Rettungsreifen an dem andern. Werst scho langsam auf die hunnert Kilo zugeh?“

      „Willst mi scho widder provoziern, wie vorhin mit deim bleden Batic?“

      „Und du mit deim doofen Leitmayr“, gab die Retta zurück, „sogar der Dirk hat gsacht, dass der Leitmayr bled is.“

      „Hat er net!“

      „Hat er doch!“

      Am Mittwoch, den 13. August kam Hanni der Hammer mal wieder weit nach Mitternacht von Sissi der Nutte zurück. Er stank nach billigem Parfüm und Zwetschgenschnaps. Auf der Straße vor dem Haus parkte der rote Fiat 500. Dieser Wagen war ihm ein Dorn im Auge. Hanni betrat das Wohnzimmer. Seine Frau Jana war, mit dem Neuen Testament in den Händen, auf dem Sofa eingeschlafen. Auf RTL lief eine Wiederholung von Bauer sucht Frau. „Wie es Schäfer Rainer mit seiner Heike erging, werden wir gleich sehen“, verkündete die Moderatorin Inka Bause.

      „Nix werdn mir sehn“, widersprach Johann Hammer, „so a Gschmarri“ und schaltete das Fernsehgerät ab. Der grobe Kerl machte keinerlei Anstalten, seine Frau vorsichtig zu wecken. Er packte sie am Oberarm und rüttelte sie kräftig durcheinander. „Is er scho widder da, der Türk?“, polterte er, als sie die Augen aufschlug. „Warum lässt du den überhaupt ins Haus?“, warf er seiner Frau vor. Jana Hammer war noch schlaftrunken und musste sich erst orientieren. Ihr Oberarm schmerzte. Sie riss sich von ihrem Mann los. Augenblicklich stieg ihr der Gestank, den ihr treuloser Mann ausstrahlte, in die Nase. In jungen Jahren musste sie eine wahrlich attraktive Frau gewesen sein, mit ebenen Gesichtszügen und einer kräftigen dunklen Haarpracht, die ihr auch heute noch bis in den Nacken fiel. Doch zwischenzeitlich hatten sich jede Menge Silberfäden in ihre Frisur geschlichen, und die Gräben ihrer Mundwinkel wurden immer tiefer. Mit ihren achtundvierzig Jahren war sie eine gebrochene Frau. Sie konnte und wollte nicht mehr. Ihr war alles egal. Dass ihr Mann sie seit Jahren betrog, hatte sie längst herausgefunden. Am Anfang war sie schockiert, doch zwischenzeitlich war es ihr ganz recht. So hatte sie wenigstens im Bett ihre Ruhe vor ihm. Als überzeugte Katholikin kam für sie eine Scheidung in keinster Weise in Betracht. Lieber lebte sie mit diesem Horror. Dennoch, fünfundzwanzig Jahre Zusammenleben mit diesem Mann hatten sie verändert, gingen nicht spurlos an ihr vorüber. Sie hatte jegliche Eigeninitiative längst verloren. Sie reagierte nur noch – ab und zu, und … sie hatte ihr Leben in die Hände der katholischen Kirche gelegt.

      „Wer is da?“, wollte sie wissen, als sie die Frage ihres Mannes begriff.

      „Na der Türk. Der Freind vo der Chantal. Sei Klapperkistn steht draußn vorm Haus.“

      „Hab ich gar net gmerkt, dass der sich ins Haus gschlichn hat“, antwortete sie sichtlich müde und desinteressiert.

      „Dem werd ich etz Beine machn“, brach es voller Wut aus Johann Hammer heraus. „Der hat immer noch net begriffen, dass wir kann Kümmeltürkn im Haus ham wolln. Da kann der su gscheit sei und studiern, was er will. Alles, bloß kan Türkn. Übrigens, da fällt mer nu ei, ich hab den Horst und den Bertl am Samstoch zum Grilln eigladn. Müssn was geschäftlich besprechen. Wegn der Teichgenossenschaft. Waßt scho. Kaffst du bis dorthin nu a Fleisch ei? An eiglechtn Bauch, a poar Steaks, Bratwerscht und vielleicht nu a poar Rippli. Wennst uns an Bodaggnsalat und an grüna Salat dazu machen tätst, wär des a net schlecht. So, und etz haui den Türkn zum Haus naus.“

      *

      Ungefähr zur gleichen Zeit fuhr Horst Jäschke, Knöllchen-Horst, mit seinem Ford Kuga hinter einem VW Tiguan her. Er wusste, wer da am Steuer saß und am frühen Donnerstagmorgen in Zickzacklinien die B 470 in Richtung Höchstadt an der Aisch fuhr. Der kleine Dicke am Steuer des VW kam aus Uehlfeld. Genauer gesagt aus dem Brauereigasthof Zwanzger. Knöllchen-Horst wusste auch, wohin der kleine Dicke wollte, ohne dass er ihn dazu befragt hätte. Die beiden Pkws näherten sich bereits der Stadtgrenze von Höchstadt an der Aisch. Eine Minute später preschte der Tiguan in Höchstadt in den Kreisverkehr, dort, wo Fridolin, die steinerne Karpfenskulptur steht, nahm die zweite Ausfahrt, gab erneut Gas und raste auf der Bundesstraße weiter. Horst Jäschke folgte dem VW, der fast geradewegs über den Kreisel hinweg gedonnert war. Die Bullen hatte er längst angerufen, als der kleine Dicke schwankend aus dem Gasthaus in Uehlfeld gestolpert war und sich auf die Suche nach seinem Fahrzeug begeben hatte. Die Polizei musste eigentlich jeden Moment auftauchen. Bis Krausenbechhofen würde der Fahrer vor ihm es nicht mehr schaffen. Da war er sich sicher. Ein paar hundert Meter weiter, auf der Höhe vom OBI-Markt, standen sie am Straßenrand der B 470. Als der VW Tiguan sich dem Baumarkt näherte, begann plötzlich das Blaulicht zu rotieren und eine rot beleuchtete Kelle forderte zum Stopp auf. Die Bremslichter des VW leuchteten nur kurz auf, dann gab der Fahrer dem Tiguan erneut die Sporen. Der einhundertachtzig PS starke Motor brüllte auf und das Fahrzeug machte einen Satz nach vorne. Der Polizist mit der Kelle in der Hand vollzog ebenfalls einen Sprung, allerdings in den rettenden Straßengraben. Dann ging alles sehr schnell. Der Beamte krabbelte aus dem Straßengraben, spurtete zum Polizeifahrzeug und hüpfte auf den Beifahrersitz. Sein Kollege hatte den Motor bereits angelassen, schaltete das Martinshorn ein und jagte wie ein geölter Blitz dem Tiguan hinterher. „Das wird lustig“, dachte sich Knöllchen-Horst, gab seinem Ford ebenfalls Zoff und brauste seinerseits dem Polizeifahrzeug hinterher. Die Bescherung sah er wenige Minuten später: Mitten in Gremsdorf, dort,


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