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SIN SOMBRA - Hölle ohne Schatten. Joachim GerlachЧитать онлайн книгу.

SIN SOMBRA - Hölle ohne Schatten - Joachim Gerlach


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vorbeigehen und von einem von ihnen hatte auch er sie erfahren.

      Doch auch noch andere Diener Gottes, die dem Kloster nicht angehörten, verhaftet in ihrer blinden Suche nach allem Frevel der Gotteslästerung, waren informiert und hatten sich auf den Weg gemacht, um dem fortwährenden Treiben des Teufels in dieser Welt ansichtig zu werden und ihm grausam Einhalt zu gebieten.

      Er musste handeln, wissend um die Stunde ihrer Ankunft. Gott ließ kein Wunder geschehen, damit es an diesem Platze christlicher Einöde verdorrte und endlich gar unter Folter und Bestrafung ausgemerzt wurde.

      Sein ganzes Leben hatte er Befremden darüber verspürt, dass unter dem Deckmantel der Gottesliebe und unter Unterdrückung aller Liebe zu den Menschen in ihren Herzen durch die eigentlichen Antichristen, die sich in feine Gewänder hüllten, um der Reinheit ihres Tuns Ausdruck zu verleihen, unschuldiges Blut vergossen wurde.

      Blut in solcher Menge, dass es endlos aus den Himmeln hätte regnen und in wahren Sturzbächen hätte daherströmen können.

      Sein Glaube hatte lange Zeit darunter gelitten, welch eine Ohnmacht seines Herrn, doch dann eines Tages, den er bis in die Gegenwart pries, war es ihm bewusst geworden, dass Gott ihm die Augen geöffnet und ihn dazu erkoren hatte, gegen die gottlose Aggression im Zeichen des Kreuzes vorzugehen.

      Zwölf Jahre waren seit seinem ersten Tun vergangen. Und er war in der ganzen Zeit noch nicht von den Mächten des Bösen in seinen eigenen Reihen ergriffen worden. Gott hielt schützend seine Hand über ihn und über all die, denen er hatte helfen können.

      Und in dem Glauben, dass er und Gott ein festes Bündnis miteinander eingegangen waren, würde er um das Heil aller armen Seelen willen und auch um das Heil seiner eigenen Seele willen den eingeschlagenen Weg fortsetzen und im Stillen Rettung bringen, wo immer es ihm möglich war. Und vielleicht bediente Gott sich auch vieler anderer Helfer, um diesem groß und hinterhältig angelegten Werk des Teufels, nichts anderes war es in seinen Augen, entgegenzuwirken.

      Und wenn er vielleicht schon lange nicht mehr war, konnte eine neue Zeit anbrechen, die dem dämonischen Treiben ein Ende setzte und endlich Vernunft in die Welt einströmen ließ. Licht für eine Welt, in welcher der Glaube eines jeden, und war er noch so gering von seinem Ansehen her, geachtet sein würde und in der einem Wunder wahre Göttlichkeit innewohnte und in ihm nicht ein Zeichen Satans gesehen wurde. Nieder mit der Herrschaft dieser grausamen Tyrannen, die von Gott berufen zu sein nur vorgaben und aus ihren vergifteten Herzen heraus für ein gutes Denken zum Wohle der Menschen kein Fundament besaßen.

      Bruder Manuel hatte lange schon überlegt, wie und wann sein Werk zu verrichten war.

      Es galt, sich unter einem Vorwand Zutritt zu der Zelle zu verschaffen, in welcher man den Jungen untergebracht hatte, um herauszufinden, in welcher Verfassung er war und ob er, falls seine kindliche Seele nach Freiheit verlangte, überhaupt körperlich in der Lage sein würde, einen Schritt vor den anderen zu setzen und das nicht nur so lange, bis er das Kloster, dieses weltabgewandte Bollwerk des Bösen, überwunden und hinter sich gelassen hatte, sondern für lange Zeit weiter, bis er endlich, vielleicht erst nach Jahren, eine sichere Zuflucht erreicht hatte.

      Oft schon, das war seine Erfahrung gewesen, waren die Bedingungen allein, unter denen die in Verdacht Geratenen bis zu ihrer peinlichen Befragung festgehalten wurden, so lebensfeindlich, dass sie schon dauerhaft an ihrer Gesundheit Schaden genommen hatten, und alles Weitere mehr eine Erlösung als ein Richten und Vollstrecken war.

      An einem Abend endlich schien die Zeit gekommen zu sein. Bruder Benicio, für die Gesundheit der Mitbrüder an diesem Ort in die Mission berufen, weilte, was für einen Brudermönch der Kartäuser höchst ungewöhnlich war, in einem aussichtslosen Unterfangen für zumindest eine Nacht außerhalb der Mauern, um einem im Sterben liegenden Grundherren mit seinem Wissen zwar keine heilende Hilfe mehr, aber doch christlichen Beistand und eine letzte Linderung der Schmerzen zu gewähren.

      Und er, der Gehilfe von Bruder Benicio, in all den Jahren seiner Zugehörigkeit zu diesem Kloster über seine mitgebrachten Kenntnisse hinaus noch weiter unterrichtet über die Misslichkeiten, denen der Körper und der Geist eines Menschen anheim fallen konnten, und wie ihnen zu begegnen war, genoss als Vertreter das begrenzte Vertrauen seiner Mitbrüder.

      Eine geraume Zeit, nachdem das aus einem Stück schwarzen Brot, einer kaltwässrigen Gemüsesuppe und etwas Wein bestehende karge Abendmahl an alle Brüder zum gemeinschaftslosen Verzehr, so auch an den Jungen in seiner Zelle, ausgegeben worden war, setzte er ein besorgtes Gesicht auf und seine Planung in die Tat um.

      Die ihm inne sitzende Aufregung nicht in seine Bewegungen und seinen Ausdruck münden lassend erschien er bei der Wache, die in dem dunklen Winkel des Klosters eher gelangweilt auf ihre Ablösung wartete.

      »Bruder, es ist mir zugetragen worden, dass die Gesundheit des Kindes, welches ihr hier beaufsichtigt, Schaden genommen hat.«

      »Wie, was? – Wer hat euch das gesagt?«

      Die Frage war weniger darauf gerichtet, wer davon erzählt hatte, dass der Junge krank geworden sei, sondern mehr darauf, wer sich überhaupt über seine Existenz ausgelassen hatte.

      Bruder Manuel bemerkte den Argwohn und musste, damit seine Absichten nicht durchkreuzt wurden, ihm rasch entgegenwirken.

      »Zur Unterstützung des Werks von Bruder Benicio ist es meine heilige Aufgabe, in Demut und Gewissenhaftigkeit die Gesundheit und den Geist aller hier befindlichen Kreatur in Beobachtung zu halten. Und eben, da ich im Vorbeigehen an der Küche vernahm, dass das hier befindliche Kind, das eurer Aufsicht untersteht, einer Krankheit, vielleicht auch nur einem bald wieder endenden Unwohlsein anheim gefallen sei, richtete ich meine Schritte gen diesen Ort, um meiner Verantwortung gerecht zu werden.«

      Die Wache seufzte auf, bedeutete Bruder Manuel mit einem Handzeichen zu warten, schloss die Tür zur Zelle auf, hielt noch einmal inne, um die Sache zu bedenken, warf einen Blick hin zu dem Kind, zwei Schritte noch näher gehend, um sich über seinen Zustand ein Bild zu machen.

      Die Stille in dem Raum, der Umstand, dass der Junge sich ruhig verhielt und nicht den Kopf erhob, um sich Gewissheit über den Besucher zu verschaffen, sondern unablässig die Decke anstarrte, wie er es in dem Halbdunkel schwach bemerken konnte, ließ den Mönch Unheil erahnen. Vielleicht würde der Prior, wenn mit dem Jungen tatsächlich etwas nicht stimmte, ihm eine mangelnde Aufsicht vorwerfen und ihn zur Rechenschaft ziehen.

      Die Angst ob der Gerüchte, dass das Kind dem Teufel verfallen sei, die ihn weitestgehend von der Tür zur Zelle weg gehalten hatte, sie konnte er unmöglich eingestehen. Auch würde sie ihn nicht von Schuld befreien.

      »Bruder, schau selbst, aber rasch!«

      Bruder Manuel ging entschlossen in die Zelle hinein, beugte sich über das faulig werdende Strohlager, auf dem das Kind lag, fasste es in den Blick und signalisierte ihm mit dem Ausdruck seiner Augen, dass Hilfe zu erwarten war.

      Mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand fuhr er Gabriel über die Lippen, um ihm zu bedeuten, sie geschlossen zu halten und kein Wort an ihn zu richten.

      Die Handbewegung, die einem kritischen Blick der Wache ausgesetzt war, ließ sich mit der Prüfung des Zustandes des Kindes erklären, diente aber entscheidend der Verwirklichung seines Plans.

      »Der Junge ist fast ausgetrocknet. Seine Lippen sind spröde und hart. Schnell, holt frisches Wasser herbei!«

      Die Wache war unsicher, aber nur einen Moment lang. Der Gedanke, Bruder Manuel nach draußen zu bitten und die Zelle während seiner Abwesenheit verschlossen zu halten, war rasch verworfen.

      »Wartet hier, Bruder Manuel! Ich bin sofort zurück!«

      Die Schritte, die sich rasch entfernten, waren bald nicht mehr zu hören.

      »Hör mir jetzt zu, mein Junge! Wir haben kaum Zeit.«

      Gabriel öffnete die Augen und sah die Anspannung von Bruder Manuel.

      »Ich bin gekommen, um dir zu helfen! Wirst du in der Lage sein, dich von diesem Ort zu entfernen und mit Geduld all das auf dich zu nehmen, was der Weg, der für dich bestimmt


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