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SIN SOMBRA - Hölle ohne Schatten. Joachim GerlachЧитать онлайн книгу.

SIN SOMBRA - Hölle ohne Schatten - Joachim Gerlach


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hierhin! Ich habe ihn! Schnell!«

      Er wartet auf die nötige Hilfe. Gabriel wehrt sich weiter mit aller Kraft. Der Griff des Soldaten jedoch bleibt unüberwindbar.

      »Wo bleibt ihr denn?«

      Es ist das Einzige noch, was er sagen kann. Wie von einer unsichtbaren Macht gefällt sinkt er plötzlich zu Boden. In seinem Fallen wird eine andere Gestalt sichtbar. Gabriel mag es nicht fassen.

      Pepa!

      Sie lässt den Stein fallen, den sie soeben dem vor ihr stehenden, scheinbar übermächtigen Gegner auf den Kopf geschlagen hat. Zu sehr ist er mit Gabriel beschäftigt und ihr gegenüber deshalb unachtsam, gar ahnungslos gewesen.

      Noch nie hat sie sich zu solch einer Tat hinreißen lassen. In ihr toben die Empfindungen von Erschrecken und Staunen. Allein die Gefahr, in welcher sie Gabriel angetroffen hat, hat sie mutig und stark werden lassen. Dieser Mann durfte Gabriel nichts antun.

      Nein, es war ungerecht, was er tat. Er durfte Gabriel nicht wehtun und ihn auch nicht festhalten.

      Über die Wirkung ihres Hiebs konnte sie nur einen Moment lang verblüfft sein. Schon eilten die anderen Soldaten des Inquisitors herbei.

      »Komm, Gabriel! Rasch!«

      Wenige Augenblicke später trafen die Verfolger am Ort des Geschehens ein.

      Sie fanden nur ihren bewusstlosen Kameraden vor und auch das zersplitterte Fass.

      »Einer bleibt hier! Der Rest macht sich auf die Suche! Der Herr bringt uns auf den Scheiterhaufen, wenn wir den Jungen und den, der in dem anderen Fass gesteckt hat, nicht finden!«

      Die Suche nach den Flüchtigen dauerte die ganze Nacht, aber sie waren nicht dingfest zu machen. Im Hellen allerdings würden sie keine Chance haben, ihrer Entdeckung zu entgehen. Darauf setzte Alfonso de Torquemada, der Gift und Galle hätte speien können, seine ganze Hoffnung.

      Er war nah dran, den Prior aufs Schärfste anzugehen und ihn zur Rede zu stellen, wie es zu dieser Flucht nur hatte kommen können und ob er das Mindeste zu seiner Unschuld vortragen konnte. Doch der Inquisitor war ein durchtrieben schlauer Mensch, der längst schon wusste, dass der Prior sicher war vor seinem Zugriff. Er wusste um seine verwandtschaftlichen Bande zu seiner Obrigkeit, dem Herzog von Medina Sidonia, in dessen Diensten er selbst schon so lange stand.

      Wenigstens erwartete Alfonso de Torquemada genaue Auskunft darüber, wer in dem zweiten Fass gesteckt hatte, nachdem er die vage Hoffnung, dass der Satan in Kindsgestalt doch im Kloster zurückgeblieben war, nach erfolgloser Durchsuchung aller Räume hatte begraben müssen. Dass auch in dem zweiten Fass ein Mensch gesteckt haben musste, war in dem Zeitpunkt offensichtlich, als die Soldaten des Inquisitors es leer vorgefunden hatten.

      »In dem Fass wird der Novize gewesen sein«, log der Prior, »der Bruder Manuel so nahe gestanden hat.«

      Hoffentlich spielte Bruder Manuel, wenn er überhaupt noch mit dem Leben davon kam, bei dieser Lüge mit. Er wollte Pepa unerwähnt lassen, um weiteren Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen, und verschaffte ihr damit ungewollt einen Vorteil bei ihrer Flucht.

      »Wir können auch ihn nicht auffinden!«

      Die Antwort befriedigte den Inquisitor keineswegs.

      »Warum hat er nicht bei Tag den Weg durchs Tor gewählt. Er hatte keinen Grund, sich bei Nacht davon zu stehlen. Oder legen schon eure Novizen die ewige Profess ab?«

      Der Prior bemerkte, dass seine Erklärung wirklich nicht überzeugend war.

      »Vielleicht war es die Scham vor den Mitbrüdern, die ihn zu diesem Entschluss gebracht hat. Vielleicht wusste er, dass er den hohen Anforderungen unseres Ordens nicht gerecht werden konnte und dass er sich nicht über die ewige Profess an unsere Gemeinschaft würde binden können. Vielleicht fürchtete er auch, dass die Flucht von Bruder Manuel, dem er, wie ich sagte, sehr nahe stand, ein schlechtes Licht auf ihn werfen würde.«

      Vielleicht, vielleicht!

      Der Inquisitor hasste den Prior für sein dünnes Gerede. Er brauchte Fakten und wenn er sie mit kurz überlegten Erklärungen selbst in die Welt bringen musste.

      Bruder Benicio war voller Sorge. Geweckt durch ein heftiges Schlagen gegen die Tür seiner Zelle, hatte er schlaftrunken aus seinem Lager gefunden und geöffnet, die schlimme Mitteilung aus dem schnell sprechenden Mund eines Mitbruders hatte ihn jedoch zu eiligem Tun veranlasst.

      »Kommt schnell herbei! Bruder Manuel ist schwer verletzt worden und dem Tode näher als dem Leben!«

      Das waren die Worte, die ihn alarmiert hatten.

      Bruder Benicio brauchte nichts zu richten, all seine Utensilien befanden sich auf der Krankenstation. Dort lag Bruder Manuel auf einer Trage, die von seinem Blut schon durchnässt war.

      »Um Himmels Willen, was ist geschehen?«

      Konnte er hier überhaupt noch helfen? So etwas hatte er noch nicht zu Gesicht bekommen.

      Knappe Sätze, weiterer Erklärung bedurfte es nicht. Geahnt hatte er es, dass Bruder Manuel eines Tages in große Schwierigkeiten kommen würde, doch Bruder Benicio hatte sich lieber um Salbei, Fenchel, Liebstöckel und Minze draußen im Garten und um seine Tinkturen und Salben und Destillate gekümmert anstatt schwierige Gespräche zu führen.

      Jetzt war die Sorge da.

      Er hatte sie um Bruder Manuels Leben und auch um das seinige. Würde man ihn irgendwelcher Mittäterschaft beschuldigen?

      Die Inquisition stand ins Haus. Es ging um den Jungen, der bei ihm unter Bewachung auf der Station lag. Auch er hatte davon gehört.

      Musste er nun vielleicht büßen für seine Gleichgültigkeit Bruder Manuel und seinem Tun gegenüber?

      Alfonso de Torquemada erschien, einen langen Schatten vor sich auf den Boden werfend und immer noch damit hadernd, dass seine Pläne nicht aufgegangen waren. Dabei war alles gründlich durchdacht und vorbereitet worden.

      Zwei Tage schon hatte er – sich nicht dem Lichte des Tages offen darbietendbeobachtet, wer das Kloster aufsuchte, wer es mit welchem Ziel verließ und was alles raus und rein geschafft wurde. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass in der Zeit vor seinem Erscheinen noch vieles geschah, dass gegen sein heiliges Werk gerichtet war.

      Unter Todesandrohung hatte er in dieser Zeit ganz in der Nähe bei einem ausgesuchten Gutsbesitzer für sich und seinen ganzen Tross an Notaren, Schreibern und Wachleuten Quartier geordert.

      Eine absonderliche Angst bemächtigte sich aller, die des Inquisitors und seines Gefolges ansichtig wurden. Wieder zeigte es sich, dass die Verbreitung von Schrecken seinen Erfolg zum Wesentlichen begünstigte. Seine Rechnung schien aufzugehen. Niemand im Kloster bekam einen Wink, noch dazu nicht feststand, gegen wen sich das Sinnen des Inquisitors richtete.

      An diesem bewussten Tage hatte er lange warten müssen. Das war absehbar gewesen. Die Hinterhältigkeit suchte die Nacht.

      Und auch dieser Bauer hatte sie gesucht.

      Verdächtig, sehr verdächtig, zu dieser Zeit unterwegs zu sein, noch dazu hier an diesem Ort. Der ehrliche Mann saß zu dieser Zeit daheim bei den Seinen oder sprach in der stillen Kammer zu Gott.

      Mit wem dieser Bauer da nahe dem Kloster redete, blieb ihm zunächst noch verborgen. Aber die Antwort ergab sich am übernächsten Tag, als der Bauer erneut zum Kloster hinauf fuhr und bis in die Dunkelheit darin verblieb.

      Er war alarmiert. Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Jetzt galt es.

      Er hatte den Prior über einen Boten von seiner Ankunft unterrichtet, Stillschweigen darüber verlangt und die Order erteilt, das Tor auf keinen Fall mehr zu öffnen.

      Die Feinde saßen in der Falle. Es konnte kein Entkommen für sie geben.

      Nach Anbeginn der Dunkelheit hatte er sich über den Nebeneingang unauffällig Zutritt zu der Kartause verschafft und dort mit einem Teil seiner Wachleute die weiteren Geschehnisse abgewartet. Die anderen lauerten


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