Bischof Reinhold Stecher. Martin KolozsЧитать онлайн книгу.
kommt.“61
Primiz von Helmut Stecher, als sein Konzelebrant Reinhold Stecher (links im Bild)
Reinhold Stecher machte nie ein großes Geheimnis daraus, dass seine Berufswahl während des Studiums auch von Zweifel und Unsicherheiten überschattet gewesen war und keineswegs in jener souveränen Klarheit erfolgte, die sich junge Menschen für diesen Schritt manchmal wünschen. Dennoch ging er 1947 aus ganzer Überzeugung, mit wachem Geist und übervollem Herzen für den Glauben an Jesus Christus zur Priesterweihe, die er zusammen mit seinem älteren Bruder Helmut durch Bischof Paulus Rusch in der Franziskanerkirche in Schwaz empfing. „Warum ich Priester geworden bin? Ich finde es sinnvoll, ein wenig mitzuhelfen, dass Menschen in einer Zeit der Verunsicherung und Entwurzelung im unendlichen Gott und seiner Güte eine Heimat finden. Ich finde es sinnvoll, auf dem bewegten Meer der Zeit immer wieder nach den gütigen Wahrheiten Ausschau zu halten, die weiterzusagen und hie und da vielleicht einen Weg zu weisen – so etwas wie eine Signalboje, die auch von den Wellen geschüttelt wird und doch eine verborgene Ankerkette zum Grund hat, der Christus ist. Ich finde es sinnvoll, Kindern mit den Erzählungen der Bibel ein Urvertrauen ins Herz zu säen, mit jungen Menschen zu diskutieren oder in das Schweigen der Meditation zu gehen, Neuvermählten die Wohnungen zu segnen, Kranke zu besuchen, Vorlesungen vorzubereiten oder den letzten Segen über ein Grab zu senden. Ich finde es sinnvoll, das Brevier aufzuschlagen und in das Gebet der Jahrtausende einzutreten, und ich werde es immer für sinnvoll halten, mich über Kelch und Hostie zu beugen und das Geheimnis der Geheimnisse zu feiern.“62
Erinnerungskärtchen zur Priesterweihe der Brüder Stecher
Sein erstes Messopfer feierte Reinhold Stecher am Christtag 1947 in der Pfarrkirche Wilten, einen Tag nach seinem Bruder, der wiederum seine Primiz als Christmette in der Hofkirche von Innsbruck zelebrierte – der eine dem anderen jeweils als Konzelebrant beigestellt.
Bald darauf fing der „theologisch ausgebildete, spirituell bemühte, von Eifer erfüllte und sendungsbewusste Neupriester“ Stecher an, in der Kinder- und Jugendseelsorge zu arbeiten, wobei eine der ersten Lektionen, die er selbst währenddessen zu lernen hatte und welche ihm eine tiefe und vor allem bleibende Einsicht für sein weiteres Tun verschaffen sollte, jene war, dass die Verkündigung immer eine Sprache mit Herz braucht, die nicht versucht, das Gegenüber mit rhetorischer Finesse zu überreden, sondern durch die Bereitschaft, zuzuhören und das Gehörte auch in seinem Wesenskern aufzunehmen und zu berücksichtigen, ein starkes Gefühl des Miteinanders schafft: „Eines ist mir damals für immer beigebracht worden: In Zeiten wie diesen muss sich die Kirche den Fragen stellen, die ihre Gläubigen haben. Wenn ich den jungen Menschen gegenüber diese Fragen mit irgendwelchen Sprüchen abgewimmelt hätte, dann wäre ich bei ihnen als Lehrer moralisch ‚ausgestiegen‘. So gut man kann, muss man mit dem Blick auf das Evangelium und die fundamentalen Glaubenswahrheiten die Fragen redlich beantworten. Das haben mir die kritischen jungen Menschen beigebracht: den Grundstil einer dialogischen Kirche. Eine dialogverweigernde Kirche kann ihrer Aufgabe in dieser Welt nicht gerecht werden.“63/64
Im Besonderen prägend für diese Geisteshaltung waren anfänglich die „Lehrjahre“ im Paulinum, wo Reinhold Stecher von 1949 bis 1956 als Präfekt seine erste Anstellung hatte. Hier erprobte er unter anderem den schwierigen Balanceakt zwischen „dem Noten gebenden Prüfer und dem um das Heil besorgten Priester, zwischen der Forderung in Richtung eines Wissensstandes und der viel bedeutsameren Vermittlung von Werten und Grundüberzeugungen“. Mit anderen Worten erkannte Reinhold Stecher im Bemühen um die Schüler des Paulinums den Grundsatz, der für ihn und seine künftige Arbeit so bedeutsam werden sollte, „dass eine lehrende Kirche gleichzeitig eine lernende sein sollte“.65
Auch seine Schüler bemerkten diesen „Stilwechsel“ und waren ihm dankbar dafür: „[Als wir] ins Obergymnasium kamen, hatten wir das besondere Glück, in der siebten und achten Klasse Reinhold Stecher als Präfekten zu bekommen. Die Heimordnung war für uns in diesem Alter eher eng; jedoch war der Präfekt Stecher nicht nur ein Ausgleich, sondern für die Maturajahrgänge ein großer Segen. Sein Weitblick und seine Lebenssicht, seine Lebenserfahrung durch die Nazizeit und die Gestapohaft, seine harten Kriegsdienstjahre und das Theologiestudium formten ihn zu einer Persönlichkeit, die uns beeindruckte und auf dem Lebensweg bereicherte. Der weite Horizont von Reinhold Stecher, sein reiches Wissen, seine vielen Fähigkeiten, die in ihm schlummerten, und seine freie, unverkrampfte, menschliche Umgangsart, seine Bescheidenheit, sein Witz und Humor, seine schelmischen, pointierten Phantasieausbrüche in gelöster Runde waren für die junge Generation in den Maturaklassen prägend und von größtem Gewinn. Am meisten formte Reinhold Stecher unsere christliche Einstellung durch seine persönliche Lebens- und Glaubenseinstellung, durch seinen Umgang mit der heiligen Schrift, durch seine Ansprachen und Lebensgespräche und durch das gute christliche Klima, das er als Person ausstrahlte. Berge und Bergerlebnisse mit Reinhold Stecher blieben für viele unvergesslich. Viele erinnern sich an die Lectio, die am Beginn des Nachmittagsstudiums um fünf Uhr im Studiersaal auf dem Programm stand. Auf diese Viertelstunde hatten wir uns immer gefreut. Reinhold Stecher berichtete vom Tagesgeschehen in der Politik, er griff ‚heiße Eisen‘ als Themen auf, berichtete von gesellschaftlichen Ereignissen. Manchmal kamen auch militärische Erlebnisse aus seiner über vier Jahre [andauernden] harten Kriegszeit im hohen Norden zum Durchbruch. Er half uns, die Hitlerjahre zu verarbeiten. Reinhold Stecher war kein belehrender Mensch, kein Typ des erhobenen Zeigefingers. Er war kein Erzieher, der auf dem Podest stand. Irgendwelche Druckmittel auf die Jugendlichen waren ihm total fremd. Er begleitete uns ein Stück in unseren jungen Jahren. Er hat mitgeholfen, die Weichen in jungen Jahren sinnvoll zu stellen.“66
Reinhold Stecher selbst beschrieb die Jahre des Präfektseins als „sieben schöne Jahre“,67 und man möchte ihm glauben, dass es in der sonst engen Hausordnung durchaus Platz für die eine oder andere Mußestunde und eine gewisse Ausgelassenheit gab – ein Zeugnis dafür mag folgendes Gedicht sein, das Reinhold Stecher für den „Pauliner Fasching 1951“ verfasst hat und das sich im Nachlass seines Bruders Helmut wiederfand:
1. Und an Hofrat miass mr a no haben
A Direkter oder Regens war ins zschlecht
Wegen was is er verschriern?
Ja – des ständige Spaziern!
Aber sunst war ja der Hofrat alleh recht.
2. Und an Eislaufplatz wöllns a no haben
Wofür man die langen Gummischläuche nimmt.
Lieber Subi, tua net reahrn
Denn des Platzl werd scho wearn
Bis zum Sommer friert der Dreck ja ganz bestimmt.
3. Konferenzen miass’ns a no haben
Jeden Freitag von Halb Zwölfe bis um oans
Ja da huckn unsre Mannder
Redn alle durcheinander
Eppes Sichers woass am Ende nacher koans.
4. An Verwalter miaß mr a no haben
Warum schaut denn der heut gar so finster drein?
Ja, die ganze Unterhaltung
Geht auf Kosten der Verwaltung
Und drum spart ers dann beim Plentn wieder ein!
5. Die Schwester Hedwig miass mr a no haben
Denn wer führte sonst in unsrem Hause Buch?
Heute ist ihr nicht geheuer
Denn