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Die Forsyte-Saga. John GalsworthyЧитать онлайн книгу.

Die Forsyte-Saga - John Galsworthy


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verstimmt und unwillig, daß June ihr gefülltes Weinglas hatte stehen lassen.

      »Das kleine Ding ist an allem schuld,« dachte er. »Irene wäre von selbst nie darauf gekommen.« James hatte Phantasie.

      Swithins Stimme erweckte ihn aus seiner Träumerei.

      »Ich gab vierhundert Pfund dafür,« sagte er. »Es ist aber auch ein wirkliches Kunstwerk.«

      »Vierhundert! Hm! Ein Haufen Geld!« stimmte Nicholas ein.

      Der Gegenstand, um den es sich handelte, war eine sorgfältig gearbeitete Gruppe aus italienischem Marmor, die auf einem hohen Sockel (ebenfalls von Marmor) stand und eine Atmosphäre von Kultur im ganzen Zimmer verbreitete. Die Nebenfiguren, es waren deren sechs, weiblich und nackt, von höchst zierlicher Arbeit, wiesen alle auf die Mittelfigur hin, die ebenfalls weiblich und nackt war und auf sich selbst wies; und alles dies gab dem Beschauer eine lebhafte Empfindung ihres hohen Wertes. Tante Juley, die ihr gerade gegenüber gesessen, hatte es den ganzen Abend die größte Schwierigkeit bereitet, sie nicht anzusehen.

      »Vierhundert Goldfüchse! Du wirst mir doch nicht weißmachen, daß du dafür vierhundert Pfund gegeben hast?« sagte der alte Jolyon jetzt, durch den die ganze Diskussion veranlaßt war.

      Zwischen den Ecken seines Kragens machte Swithins Kinn die zweite schmerzhafte Bewegung. »Vier–hundert – Pfund in gutem englischen Geld, keinen Heller weniger. Es reut mich nicht. Es ist nicht gewöhnliche englische Arbeit – sondern echte, modern italienische!«

      Soames' Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln und er sah zu Bosinney hinüber. Der Architekt grinste hinter den Dampfwolken seiner Zigarette. Jetzt allerdings, sah er wirklich eher wie ein Bukanier aus.

      »Es steckt eine Menge Arbeit darin,« bemerkte James eifrig, denn die Größe der Gruppe machte sichtlich Eindruck auf ihn. »Man bekäme bei Jobson sicher einen guten Preis dafür.«

      »Der arme fremde Dei–bel, der das gemacht hat, forderte fünfhundert – ich gab ihm vier. Wert ist es acht. Sah halb verhungert aus, der arme Dei–bel!«

      »Ach ja!« stimmte Nicholas plötzlich ein, »arme schäbige Gesellen, diese Künstler. Es ist mir ein Rätsel, wie sie leben. Da ist zum Beispiel dieser junge Flageoletti, den Fanny und die Mädchen immer zum Geigen kommen lassen; wenn's hoch kommt, verdient er hundert Pfund im Jahr!«

      James schüttelte den Kopf. »Ja,« sagte er, »ich weiß nicht wie sie leben!«

      Der alte Jolyon hatte sich erhoben und sah sich, mit der Zigarre im Munde, die Gruppe in nächster Nähe an.

      »Hätte nicht zweihundert dafür gegeben!« sagte er schließlich.

      Soames sah seinen Vater und Nicholas einen besorgten Blick wechseln, und an der andern Seite, neben Swithin, saß Bosinney noch immer in Rauch gehüllt.

      »Möchte wissen, was er davon hält?« dachte Soames, der wohl wußte, daß diese Gruppe hoffnungslos vieux jeu war, hoffnungslos der vorigen Generation angehörte. Derlei Kunstwerke gingen bei Jobson nicht mehr.

      Endlich kam Swithins Antwort. »Du hast nie was von Skulpturen verstanden; du hast deine Bilder, und damit gut!«

      Der alte Jolyon ging an seinen Platz zurück und paffte an seiner Zigarre. Fiel ihm nicht ein, sich mit einem so eigensinnigen Starrkopf wie Swithin auf Argumente einzulassen, der störrisch war wie ein Maulesel und eine Statue von einem – Strohhut nicht unterscheiden konnte.

      »Stuck!« war alles was er sagte.

      Es war seit lange eine psychische Unmöglichkeit für Swithin, aufzuspringen; er schlug mit der Faust auf den Tisch.

      »Stuck! Ich möchte in deinem Hause mal etwas sehen, das nur halb so gut wäre!«

      Und hinter seinen Worten schien abermals jene leidenschaftliche Gewaltsamkeit früherer Generationen hervorzutönen.

      Es gelang James, die Situation zu retten.

      »Und was sagen denn Sie dazu, Mr. Bosinney? Sie sind Architekt, Sie müssen mit Statuen und dergleichen doch Bescheid wissen!«

      Aller Augen waren auf Bosinney gerichtet; jeder wartete mit seltsam mißtrauischem Blick auf seine Antwort.

      Und Soames, der zum ersten Mal das Wort ergriff, fragte:

      »Ja, Bosinney, was meinen Sie?«

      Bosinney erwiderte gelassen:

      »Es ist eine bemerkenswerte Arbeit.«

      Seine Worte waren an Swithin gerichtet, seine Augen lächelten verschmitzt dem alten Jolyon zu; aber Soames war unbefriedigt.

      »Bemerkenswert, weswegen?«

      »Wegen ihrer Naivität.«

      Der Antwort folgte ein eindrucksvolles Schweigen. Nur Swithin war nicht sicher, ob ein Kompliment beabsichtigt war.

      Viertes Kapitel

      Bauprojekte für das Haus

       Inhaltsverzeichnis

      Drei Tage nach der Mittagsgesellschaft bei Swithin trat Soames Forsyte durch seine grüngestrichene Haustür, und als er von der andern Seite des Squares zurückblickte, befestigte sich der Eindruck, daß das Haus eines neuen Anstrichs bedurfte.

      Er hatte seine Frau, mit gekreuzten Händen im Schoß, auf dem Sofa im Wohnzimmer sitzend verlassen; sie hatte augenscheinlich auf sein Fortgehen gewartet. Das war nichts Ungewöhnliches. Es geschah eigentlich jeden Tag.

      Er begriff nicht, was sie an ihm auszusetzen hatte. Wenn er noch ein Trinker gewesen wäre! Stürzte er sich in Schulden, spielte oder fluchte er, war er gewalttätig oder hatte er leichtsinnige Freunde? Blieb er die Nächte fort? Im Gegenteil.

      Die tiefe, unterdrückte Abneigung, die er seiner Frau anmerkte, war ihm ein Mysterium und eine Quelle der furchtbarsten Aufregung. Daß sie sich getäuscht hatte und ihn nicht liebte, daß sie versucht hatte ihn zu lieben und es nicht vermochte, war doch kein Grund dazu.

      Wer eine so fernliegende Ursache dafür suchte, daß seine Frau nicht gut mit ihm stand, war sicherlich kein Forsyte.

      Soames war darum geneigt, Irene allein alle Schuld zuzuschreiben. Er war nie einer Frau begegnet, die eine so allgemeine Bewunderung erregte. Wo er sich mit ihr zeigte, mußte er sehen, welche Anziehungskraft sie auf die Männer ausübte; ihre Blicke, ihre Mienen und Stimmen verrieten es. Irenens Benehmen war bei diesem Aufsehen über jeden Tadel erhaben. Daß sie eine jener Frauen war – sie sind nicht häufig in der angelsächsischen Rasse – die zum Lieben und Geliebtwerden geboren sind und ohne Liebe nicht leben können, war ihm wahrscheinlich nie in den Sinn gekommen. Ihre Anziehungskraft sah er für einen Teil ihres Wertes als sein Eigentum an; aber sie erweckte allerdings auch die Vermutung in ihm, daß sie ebenso geben könne wie nehmen; und ihm gab sie nichts! »Warum hat sie mich dann geheiratet?« fragte er sich beständig. Er hatte vergessen, wie er um sie geworben; hatte jene anderthalb Jahre vergessen, wo er sie belagert und ihr nachgestellt hatte, wo er Pläne zu ihrem Vergnügen geschmiedet, ihr Geschenke gebracht, immer wieder seinen Antrag wiederholt und durch seine beständige Anwesenheit ihre übrigen Verehrer verscheucht hatte. Er hatte jenen Tag vergessen, an dem er geschickt einen heftigen Ausbruch ihres Widerwillens gegen ihre häusliche Umgebung ausgenutzt hatte und seine Bemühungen von Erfolg gekrönt sah. Wenn noch etwas in seiner Erinnerung haftete, so war es die schnöde Launenhaftigkeit, mit der das goldhaarige, dunkeläugige Mädchen ihn behandelt hatte. Sicherlich erinnerte er sich nicht des Ausdrucks in ihrem Gesicht – jenes seltsamen, duldenden, anklagenden Blickes – als sie sich eines Tages plötzlich ergab und sagte, daß sie ihn heiraten wolle.

      Es war ein Werben voll inniger Hingebung gewesen, wie es in Büchern und von den Menschen gepriesen wird, wo der Liebende nach langem geduldigen Harren schließlich belohnt wird und mit den Hochzeitsglocken ein ewiges Glück beginnt.


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