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Die Forsyte-Saga. John GalsworthyЧитать онлайн книгу.

Die Forsyte-Saga - John Galsworthy


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diese Damen trugen Achselbänder und keinen Tüll und gaben durch eine kühnere Schaustellung von Fleisch gleich zu erkennen, daß sie von der vornehmeren Seite des Parks kamen.

      Soames wich einer Berührung mit den Tanzenden aus und stellte sich an die Wand. Er wappnete sich mit einem matten Lächeln und stand beobachtend da. Walzer um Walzer begann und endete, Paar auf Paar fegte mit lächelnden Lippen, mit Lachen und Bruchstücken ihrer Unterhaltung vorüber, oder mit zusammengepreßten Lippen und die Augen suchend im Gedränge; zuweilen auch blickten sie einander mit stumm geöffneten Lippen an. Und diese Festesluft, der Duft von Blumen und Haar und Parfüms, wie Frauen sie lieben, mischte sich erstickend mit der Hitze der Sommernacht.

      Schweigend, ein wenig Verachtung in seinem Lächeln, schien Soames von alledem nichts zu merken. Aber dann und wann, wenn seine Augen fanden was sie suchten, blieben sie fest an einem Punkte in dem wechselnden Gewimmel haften, und das Lächeln auf seinen Lippen erstarb.

      Er tanzte mit niemand. Einige Männer tanzten mit ihren Frauen; sein Gefühl für die gute Form hatte ihm seit seiner Verheiratung nie gestattet mit Irene zu tanzen, und der Gott der Forsytes allein weiß, ob ihm das ein Trost war oder nicht.

      In dem irisfarbenen Kleide, das um ihre Füße flutete, kam sie im Tanz mit andern Männern an ihm vorüber. Sie tanzte gut; doch er war es müde, die Damen mit säuerlichem Lächeln sagen zu hören: »Wie wundervoll Ihre Frau tanzt, Mr. Forsyte – es ist ein wahres Vergnügen ihr zuzuschauen!« War es müde, ihnen mit einem Blick von der Seite zu antworten: »Finden Sie?«

      Ein junges Paar dicht neben ihm fächelte abwechselnd mit einem Fächer, und es entstand eine unangenehme Zugluft dadurch. Francie stand mit einem ihrer Liebhaber in der Nähe. Sie sprachen von Liebe.

      Er hörte Rogers Stimme hinter sich, der einem Diener einen Auftrag für das Abendessen gab. Alles war zweiten Ranges! Er wünschte, daß er nicht gekommen wäre! Als er Irene gefragt, ob sie wolle, daß er mitgehe, hatte sie mit ihrem Lächeln, das einen rasend machen konnte, »O nein!« geantwortet. Warum war er gekommen? Die letzte Viertelstunde hatte er sie überhaupt nicht gesehen. Und jetzt kam George mit seinem durchtriebenen Gesicht; es war zu spät ihm auszuweichen.

      »Hast du den ›Bukanier‹ nicht gesehen?« sagte dieser anerkannte Spaßvogel. »Er ist auf dem Kriegspfad – Haar geschnitten und so weiter!«

      Soames verneinte, kreuzte den während einer Tanzpause halb leeren Saal, ging auf den Balkon hinaus und blickte auf die Straße hinunter.

      Eine Equipage mit späten Gästen war vorgefahren, und an der Tür trieben sich einige jener geduldigen Zuschauer der Londoner Straßen herum, die bei jedem Ruf von Licht oder Musik herbeieilen. Die bleichen, emporgekehrten Gesichter dieser schwarzen schmierigen Gestalten hatte eine dumm beobachtende Art, die Soames ärgerte: Warum erlaubte man ihnen, sich so herumzutreiben; warum jagte der Schutzmann sie nicht davon?

      Doch dieser nahm gar keine Notiz von ihnen; er stand wie festgepflanzt auf dem Streifen des feuerroten Teppichläufers, der über das Pflaster gebreitet war, und sein Gesicht unter dem Helm hatte den selben dumm beobachtenden Ausdruck wie die ihren.

      Über die Straße hinweg durch die Gitter, konnte Soames die vom Winde leicht bewegten Zweige der Bäume im Schein der Straßenlaternen schimmern sehen, und darüber wieder das Licht oben in den Häusern an der andern Seite, wie viele Augen, die in die schwarze Stille des Gartens blicken; über allem aber den Himmel, diesen wundervollen Londoner Himmel, überstäubt vom tausendfältig schimmernden Widerschein der zahllosen Laternen, ein Dom zwischen den Sternen, von dem Menschenleid und Menschenlust zurückstrahlen – ein ungeheurer Spiegel von Glanz und Elend, der sich Nacht für Nacht mit gutmütigem Spott meilenweit über Häuser und Gärten, Paläste und Unrat, Forsytes, Schutzleute und geduldige Zuschauer auf der Straße erstreckt.

      Soames drehte sich um und starrte, durch die Nische gedeckt, in den erleuchteten Saal. Hier draußen war es kühler. Er sah die neuen Ankömmlinge, June und ihren Großvater eintreten. Warum kamen sie so spät? Sie standen an der Tür. Merkwürdig, daß Onkel Jolyon nachts um diese Zeit noch ausgehen konnte! Warum war June nicht zu Irene gekommen, wie sie zu tun pflegte, und plötzlich fiel ihm ein, daß er June lange gar nicht gesehen hatte.

      Als er ihr Gesicht in müßiger Schadenfreude beobachtete, sah er, wie es sich veränderte, so blaß wurde, daß er glaubte, sie würde umsinken, und dann feuerrot aufflammte. Er wandte sich, um zu sehen was sie erblickt hatte und sah seine Frau an Bosinneys Arm aus dem Wintergarten am Ende des Saales kommen. Ihre Augen schauten wie als Antwort auf eine Frage die er gestellt, zu ihm empor, und sein Blick ruhte unverwandt auf ihr.

      Soames blickte wieder zu June hinüber. Ihre Hand ruhte auf des alten Jolyon Arm, sie schien um etwas zu bitten. Er sah einen erstaunten Ausdruck in seines Onkels Gesicht; sie kehrten um und entschwanden seinen Blicken durch die Tür.

      Die Musik begann wieder – ein Walzer – und wie eine Statue in der Fensternische, das Gesicht unbewegt, ohne ein Lächeln auf den Lippen, stand Soames noch immer wartend da. Eben kamen, kaum eine Elle von dem dunkeln Balkon, seine Frau und Bosinney vorüber. Er fing den Duft der Gardenien auf, die sie trug, sah wie ihr Busen sich hob und senkte, sah die Sehnsucht in ihrem Blick, ihre geöffneten Lippen und einen Ausdruck in ihrem Gesicht, den er nicht kannte. Sie tanzten nach dem langsam wiegenden Takt vorüber, und es kam ihm vor, als schmiegten sie sich an einander, er sah sie die Augen dunkel und sanft zu Bosinneys erheben und sie wieder senken.

      Sehr bleich ging er wieder auf den Balkon hinaus, lehnte sich darüber und blickte auf den Platz hinunter. Die Gestalten waren noch immer da und blickten mit blöder Hartnäckigkeit zum Licht empor, auch das Gesicht des Schutzmanns war starrend emporgerichtet, aber er sah nichts von allem. Unten fuhr ein Wagen vor, zwei Gestalten stiegen ein und fuhren davon ...

      An diesem Abend hatten June und der alte Jolyon sich zur gewohnten Zeit zu Tisch gesetzt. Das junge Mädchen trug wie gewöhnlich ein hohes Kleid, und der alte Jolyon hatte sich noch nicht umgekleidet.

      Sie hatte beim Frühstück von dem Ball bei Onkel Roger gesprochen, zu dem sie gehen wollte und gesagt, sie habe, dumm genug, nicht daran gedacht jemand zu bitten sie mitzunehmen. Jetzt sei es zu spät dazu.

      Der alte Jolyon blickte mit seinen scharfen Augen auf. June pflegte Bälle stets mit Irene zu besuchen. Langsam heftete er einen erstaunten Blick auf sie und fragte, warum sie nicht mit Irene ginge?

      Nein! Mit Irene wollte sie nicht gehen, sie würde es nur tun, wenn er selbst dies eine einzige Mal – nur für ganz kurze Zeit –

      Als er sie so ungestüm und gequält sah, hatte der alte Jolyon schließlich brummend eingewilligt. Er begriff nicht, was sie auf einem solchen Balle wollte, der doch sicher nur eine armselige Geschichte wäre; sie passe nicht besser als eine Katze dahin, sagte er. Sie brauche Seeluft, und nach der General-Versammlung der Globular Gold Concessions sei er bereit sie hinzubringen. Sie wolle nicht verreisen? Oh, sie müsse sich aufraffen! Und mit einem verstohlenen Blick auf sie fuhr er mit seinem Frühstück fort.

      June ging früh aus und wanderte in der Hitze ruhelos umher. Ihre leichte kleine Gestalt, die in letzter Zeit so matt gewesen, war lauter Feuer. Sie kaufte sich Blumen. Sie wollte – sie nahm sich vor so gut auszusehen wie möglich. Er würde dort sein! Sie wußte ja, daß er eingeladen war. Sie wollte ihm zeigen, daß ihr alles einerlei war. Aber tief im Herzen faßte sie den Entschluß ihn zurückzugewinnen. Sie kam erregt zurück und sprach lebhaft beim Lunch, und der alte Jolyon ließ sich dadurch täuschen.

      Am Nachmittag verfiel sie in einen verzweifelten Weinkrampf. Sie erstickte das Geräusch in den Kissen ihres Bettes, aber als es vorüber war, sah sie im Spiegel ein geschwollenes Gesicht mit roten Augen und violetten Rändern darunter. Sie blieb bis zur Essenszeit in dem verdunkelten Zimmer.

      Während der ganzen schweigsamen Mahlzeit kämpfte sie mit sich. Sie sah so schattenhaft und erschöpft aus, daß der alte Jolyon dem ›Scheinheiligen‹ gebot den Wagen abzubestellen, er wollte sie nicht fort lassen. Sie sollte zu Bett gehen! Sie leistete keinen Widerstand, ging in ihr Zimmer hinauf und blieb im Dunkeln. Um zehn Uhr klingelte sie nach ihrem Mädchen.

      »Bringen Sie mir


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