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Die Forsyte-Saga. John GalsworthyЧитать онлайн книгу.

Die Forsyte-Saga - John Galsworthy


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den Kopf.

      »Das bringt nichts ein,« sagte er.

      »Ihr Großvater von Mutters Seite soll in Cement gearbeitet haben.«

      Rogers Gesicht erhellte sich.

      »Er machte aber Bankrott,« fuhr Nicholas fort.

      »Ja, ja,« rief Roger aus. »Soames wird seine Not mit ihr haben, denk an mich, er wird seine Not mit ihr haben – sie hat was Verdächtiges im Blick.«

      Nicholas leckte sich die Lippen.

      »Sie ist eine schöne Frau,« sagte er und schob einen Straßenkehrer beiseite.

      »Wie kam er eigentlich an sie heran?« fragte Roger darauf. »Ihre Toilette muß ihn ein Heidengeld kosten!«

      »Ann sagt,« erwiderte Nicholas, »er war ganz toll hinter ihr her. Fünfmal hat sie ihn abgewiesen. James ist die Sache fatal, das ist ihm anzumerken.«

      »Für James tut es mir leid,« fing Roger wieder an, »er hat schon mit Dartie seine Not gehabt.« Das Gehen hatte seine frische Farbe noch erhöht, er schwang den Schirm öfter denn je bis in Augenhöhe. Auch Nicholas' Gesicht hatte einen heitern Ausdruck.

      »Zu blaß für meinen Geschmack,« sagte er, »aber die Figur ist prachtvoll!«

      Roger erwiderte nichts.

      »Ich finde, sie sieht vornehm aus,« sagte er endlich – es war das höchste Lob im Forsyteschen Wortschatz. »Dieser junge Bosinney soll so'n Kunstfex sein – hat sich in den Kopf gesetzt, die englische Architektur zu vervollkommnen; das bringt nichts ein! Ich möchte wissen, was Timothy dazu sagt.«

      Sie betraten die Bahnstation.

      »Welche Klasse fährst du? Ich fahre zweiter.«

      »Nur nicht zweiter,« sagte Nicholas, »man weiß nie, was man sich da holt.«

      Er nahm ein Billett erster Klasse nach Notting Hill Gate, Roger eins zweiter nach Kensington. Eine Minute später fuhr der Zug ein, die Brüder trennten sich und jeder stieg in sein Abteil. Beide waren verletzt, daß der andere nicht von seiner Gewohnheit abgewichen war, um seine Gesellschaft etwas länger zu genießen.

      »Immer ein alter Starrkopf dieser Nick!« dachte Roger bei sich.

      Oder wie Nicholas es im stillen ausdrückte: »Ein unverträglicher Geselle war Roger von jeher!« Sentimentalität war nicht gerade Sache der Forsytes. Wo sollten sie in dem großen London, das sie sich erobert hatten, und in dem sie untergetaucht waren, auch die Zeit hernehmen, sentimental zu sein?

      Zweites Kapitel

      Der alte Jolyon geht in die Oper

       Inhaltsverzeichnis

      Mit einer Zigarre zwischen den Lippen und einer Tasse Tee auf einem Tisch neben sich, saß der alte Jolyon am nächsten Tage um fünf Uhr allein. Er war müde, und ehe er noch seine Zigarre ausgeraucht hatte, schlummerte er ein. Eine Fliege setzte sich auf sein Haar, sein Atem klang schwer in der schläfrigen Stille, und seine Oberlippe hob und senkte sich unter dem weißen Schnurrbart. Die Zigarre entfiel den Fingern seiner geäderten runzligen Hand und brannte in dem leeren Kamin langsam zu Ende.

      Das düstere kleine Arbeitszimmer mit Fenstern aus buntem Glas, die den Ausblick verhinderten, war mit dunkelgrünen Sammet- und reichgeschnitzten Mahagonimöbeln angefüllt – eine Einrichtung, von der der alte Jolyon zu sagen pflegte: »Sollte mich nicht wundern, wenn einst ein hoher Preis dafür geboten würde!«

      Es war ihm ein angenehmer Gedanke, daß die Sachen nach seinem Tode einen höheren Preis erreichen würden, als er dafür gegeben hatte.

      In der Atmosphäre von reichem Braun, die den Hinterzimmern im Hause Forsyte eigentümlich war, wurde der Rembrandteske Eindruck seines großen Kopfes mit dem weißen Haar gegen das Kissen seines hochlehnigen Stuhles durch den Schnurrbart beeinträchtigt, der seinem Gesicht einen etwas martialischen Ausdruck gab. Eine alte Uhr, die schon seit fünfzig Jahren, noch vor seiner Hochzeit, in seinem Besitz war, verzeichnete mit ihrem Ticken eifersüchtig die Sekunden, die ihrem Herrn für immer entwichen.

      Ihm lag nichts an diesem Zimmer und er betrat es kaum jemals im ganzen Jahre, außer um Zigarren aus dem japanischen Wandschränkchen in der Ecke zu holen, und nun rächte sich das Zimmer.

      Seine Schläfen, die sich wie ein Dach über den Höhlungen darunter wölbten, seine Backenknochen und das Kinn traten im Schlafe schärfer hervor und sein Gesicht verriet, daß er ein alter Mann war.

      Er erwachte. June war fort! James hatte gesagt, er würde einsam sein. Aber er, James, war immer ein armseliger Tropf. Mit Genugtuung dachte er an seinen Hauskauf über James' Kopf hinweg. Geschah ihm recht für seine Knauserei, das einzige, woran der Mensch dachte, war Geld. Oder hatte er doch zuviel gegeben? Es mußte noch eine Menge hineingesteckt werden – wahrscheinlich würde er sein ganzes Geld brauchen, bevor die Sache mit June in Ordnung war. Er hätte diese Verlobung doch nie zugeben sollen. Sie hatte diesen Bosinney im Hause von Baynes – Baynes und Bildeboy, den Architekten – kennen gelernt. Er glaubte Baynes, den er kannte – er hatte etwas von einem alten Weibe – war ein angeheirateter Onkel des jungen Mannes. Seitdem war sie ihm beständig nachgelaufen, und wenn sie sich etwas in den Kopf setzte, war sie nicht davon abzubringen. Sie hatte immer irgend solche armen ›Hungerleider‹ an der Hand. Dieser Bursche besaß keinen Pfennig, aber sie mußte sich durchaus mit ihm verloben – mit diesem unpraktischen Windbeutel, der aus den Schwierigkeiten nicht herauskommen würde.

      Sie war eines Tages in ihrer unverfrorenen Art zu ihm gekommen und hatte es ihm gesagt; und wie zum Trost hatte sie hinzugefügt:

      »Er ist prachtvoll, er hat oft schon eine Woche lang nur von Kakao gelebt!«

      »Und er möchte, daß auch du nur von Kakao lebst?«

      »O nein; jetzt kommt er schon ins rechte Fahrwasser hinein.«

      Der alte Jolyon hatte seine Zigarre unter dem weißen, an den Enden mit Kaffee gefärbten Schnurrbart hervorgenommen und das kleinwinzige Ding angeschaut, das eine solche Macht über sein Herz gewonnen hatte. Er wußte besser Bescheid mit diesem Fahrwasser als seine Enkelin. Aber sie hatte sich mit den Händen auf seine Kniee gestützt, ihr Kinn an ihm gerieben und einen Laut von sich gegeben wie eine schnurrende Katze. Und er hatte, die Asche von seiner Zigarre klopfend, in ungeduldiger Heftigkeit ausgerufen:

      »Ihr seid alle gleich: ihr gebt euch nicht zufrieden, bis ihr erreicht habt was ihr wollt. Wenn du durchaus ins Unglück kommen mußt, so tu's. Ich wasche meine Hände...«

      Er hatte also alle Verantwortung von sich geschoben und zur Bedingung gemacht, daß sie nicht heiraten durften, bis Bosinney wenigstens vierhundert Pfund im Jahr verdiente.

      »Ich werde euch nicht viel geben können,« hatte er gesagt, eine Redewendung, die June nicht ungewohnt war. »Vielleicht wird dieser, Wie-heißt-er-doch, für den Kakao sorgen.«

      Er hatte sie kaum noch zu Gesicht bekommen, seitdem die Sache anfing. Eine böse Geschichte! Es fiel ihm nicht ein, ihr einen Haufen Geld zu geben, um diesem Menschen, von dem er nichts wußte, zu einem Faulenzerleben zu verhelfen. Er kannte das, es kam nie Gutes dabei heraus. Das Schlimmste aber war, daß er keine Hoffnung hatte, sie in ihrem Entschluß wankend zu machen; sie war halsstarrig wie ein Maulesel, war es von Kind an gewesen. Es war kein Ende abzusehen. Sie mußten sich nach ihrer Decke strecken. Er würde nicht nachgeben, bis er sah, daß der junge Bosinney ein festes Einkommen hatte. Daß June ihre Not mit ihm haben würde, war sonnenklar; er hatte ja nicht mehr Ahnung was Geld war, als eine Kuh. Und jetzt wieder diese überstürzte Fahrt nach Wales, um die Tanten des jungen Mannes zu besuchen, die sicherlich alte Drachen waren.

      Ohne sich zu rühren, starrte der alte Jolyon auf die Wand, nur die offenen Augen verrieten, daß er nicht schlief ... Diese Idee anzunehmen, daß Soames, dieser junge Laffe, ihm einen Rat geben könne! Er war immer ein hochnäsiger


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