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Das Wiedersehen. Adrian PlassЧитать онлайн книгу.

Das Wiedersehen - Adrian Plass


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und ich möchte sehr gerne, dass du dabei bist. Wahrscheinlich wird es von Freitagabend bis Sonntagmorgen oder Sonntagnachmittag dauern. Ich habe noch ein paar Adressen und Telefonnummern aus alten Zeiten, aber du weißt ja, wie das ist. Immer sind die Leute so egoistisch zu heiraten und umzuziehen und auszuwandern und so, ohne jede Rücksicht auf Leute, die versuchen Wiedersehenstreffen zu organisieren. Ich habe es auf sieben oder acht von den Leuten abgesehen, an die du und ich uns vielleicht am besten erinnern, und wir werden ja sehen, wie es klappt. Ich habe gehört, solche Sachen können ziemlich übel enden, wenn sie nicht gut geplant sind, und deshalb möchte ich zumindest ein grobes Programm festlegen, damit wenigstens die Aussicht besteht, dass das Wochenende für alle, die kommen, irgendwie nützlich oder wenigstens angenehm wird. Ich hoffe, der Gedanke an die Geister schreckt die Leute nicht ab! Aber ich nehme an, die Tatsache, dass jeder einen kleinen Unkostenbeitrag leisten muss, wird sie viel mehr abschrecken!

      So weit, so gut. Ich habe eine Liste der möglichen Termine beigelegt. Ich vermute, dein Terminkalender ist immer gut gefüllt - inzwischen wirst du wohl wieder zu Vorträgen unterwegs sein -, also je eher du antwortest, desto eher kann ich die Sache mit den anderen ausmachen. Falls du zu keinem der Termine kommen kannst oder willst und auch keine Alternativen vorschlägst, lasse ich die Sache ganz ausfallen. Dann allerdings wirst du das, was ich dir weitergeben soll, nicht bekommen. Das wäre nicht gut, denn wir werden beide eines Tages wieder Jessica gegenübertreten müssen. Sie war sehr lieb, aber was für ein Temperament! Im Ernst, auch wenn du nicht die geringste Lust dazu hast, bitte, mach mit. Ruf an, schreib, stell mir jede Frage, die du stellen willst, aber mach mit!

      Weitere Einzelheiten, wenn du antwortest.

      Liebe Grüße und viel Segen (wenn es welchen gibt) Angela (Brook)

      Ich las Angelas Brief einmal in der sauberen, aufgeräumten Küche, während meine eine, lebenserhaltende Scheibe Toast kalt wurde. Dann ging ich damit in das staubige, aber noch aufgeräumtere Wohnzimmer und setzte mich, eingehüllt in das Licht der Morgensonne, an den kleinen runden Tisch am Fenster und las ihn noch einmal.

      Seit Jessicas Tod hatte ich die meisten Zimmer in meinem Haus kaum benutzt. Sie und ich, wir hatten uns so viel Zeit genommen, so viel Mühe aufgewendet und so viel Freude daran gehabt, es in ein Zuhause zu verwandeln, das zu Leuten von unserer Art und zu dem Leben, das wir uns mit solcher Begeisterung aufbauten, passte. Schlafen, Essen und Waschen waren die einzigen Bereiche, in denen sich die praktischen Bedürfnisse regelmäßig gegen meine Trübsal durchsetzten. Ich brachte mein Leben größtenteils im Schlafzimmer, in der Küche und im Bad zu. Ins Wohnzimmer kam ich nur, um Jessicas geliebte Pflanzen zu gießen. Mir kam es kalt und fremd darin vor. Am Wochenende nach dem Tag, an dem ich die grauenhaft vernünftige Entscheidung getroffen hatte, all die zufälligen kleinen Indizien zu beseitigen, die bewiesen, dass meine Frau existiert hatte, hatte ich jede Minute damit verbracht, das ganze Haus mit verbissener Gründlichkeit zu schrubben und aufzuräumen. Diese wilde Entschlossenheit entstammte vermutlich einem Bedürfnis, mir jede Ablenkung von der alles verzehrenden Aufgabe, meine Trauer zu fühlen und zu durchdenken und durchzukauen, aus dem Blickfeld zu schaffen.

      Das Wohnzimmer nahm ich mir besonders gründlich vor. Mir kam es so vor, dass in diesem Raum von nun an kaum noch Leben stattfinden würde. Dies war der Ort, wo wir gelebt und alles Mögliche getan hatten - wo wir uns entspannt, wo wir gegessen, geschmollt, uns geliebt, gestritten, gebetet, Briefe geschrieben, ferngesehen hatten. Eine ganze Menge dieser Dinge hatten auf dem langen, hochlehnigen, weinroten Sofa stattgefunden, das wir voller Begeisterung in Brighton zu einem drastisch reduzierten Preis hatten kaufen können, weil es ein Ausstellungsstück war. Allein dieses Möbelstück war mit Erinnerungen übersät, manche fast vergessen, aber nicht weniger kostbar, die wie verlorene Münzen in den Ritzen zwischen den Polstern steckten. Ich hatte es seit der Beerdigung noch nicht ein einziges Mal über mich gebracht, mich auf dieses Sofa zu setzen.

      An jenem trostlosen Tag war das Sofa und jede andere ins Wohnzimmer gehörende oder dorthin importierte Sitzgelegenheit mit Leuten besetzt gewesen, die Teller mit Häppchen und Gläser in den Händen hatten und die ihr der Situation angemessenes Verhalten mit demselben Unbehagen trugen wie ihre der Situation angemessene Kleidung. Die meisten waren traurig, aber zweifellos auch froh, dass sie selbst und ihre Lieben noch am Leben waren. Wahrscheinlich ist das einer der Gründe, warum es Beerdigungen gibt. Einer oder zwei waren vielleicht darunter, die selbst erst kürzlich ihre Partner verloren hatten und alle Anstrengung aufbieten mussten, um den ohrenbetäubenden Widerhall ihres eigenen Verlustes zu überleben. Für mich war es das Schlimmste, wenn ich die Blicke auffing, die diese Leute in meine Richtung warfen. Sie wussten Bescheid. Sie waren selbst da unten. Sie waren immer noch da unten an jenem kalten, finsteren Ort, wo der Wind heult und die Trostlosigkeit regiert und wohin niemand kommt.

      „Wir wissen genau, wie entsetzlich und unerträglich das hier alles ist“, sagten ihre schmerzerfüllten Augen zu mir, „und wir wissen, dass der Boden unter deinen Füßen sich in eine hauchdünne Eisschicht verwandelt hat. Ein unachtsamer, zu schwerer Schritt in die falsche Richtung, und du stürzt in ein so eisiges Chaos der Verzweiflung, dass du fast vergisst, wie du deine Lungen mit dem warmen Atem des Lebens füllen kannst.“

      Viel leichter fiel es mir, mit den Gästen umzugehen, die mir auf konventionellere Weise ihr Beileid aussprachen. Diese gut gemeinten Bekundungen brauchten gar nicht sehr viel zu bedeuten. Sie brauchten nur aus jenem Kleingeld der Konversation zu bestehen, das man sich bequem mit ein paar netten Dankesworten in die Tasche stecken konnte:

      „Wann immer du etwas brauchst - du weißt ja. Scheu dich nicht … “

      „Es muss eine große Erleichterung sein zu wissen, dass sie gläubig war. Zumindest geht es ihr jetzt gut, auch wenn man das von uns nicht sagen kann … “

      „Wir beten für dich … “

      Jessicas einzige noch lebende Verwandte, die kleine, pummelige Tante Vera mit ihren Puddingarmen und ihrem Hefeteiggesicht, war bei Weitem die Beste. Sie machte stapelweise Sandwiches, schnitt Torten, spülte Geschirr, kochte Tee und machte die ganze Zeit ein mürrisches Gesicht, aber sie klopfte mir jedes Mal, wenn sie an mir vorbeikam, ganz leicht auf den Arm und sprach den ganzen Tag über kaum ein Wort. Ich kam den Tränen am nächsten, als ich mich an jenem Abend bei ihr bedankte und sie verabschiedete.

      Ein Ende der Fenstersitzbank, auf die ich mich mit Angelas Brief gesetzt hatte, war für das reserviert gewesen - war es immer noch -, was ich scherzhaft und liebevoll „Jessicas Müll“ genannt hatte.

      Meine Frau war, solange ich sie kannte, fasziniert von alten Gegenständen gewesen. Was ihr besonderen Spaß machte, war der Gedanke, dass es ganz gewöhnliche Alltagsgegenstände gab, die es irgendwie geschafft hatten, bis in eine Zeit zu überleben, in der sie längst zu nichts mehr nütze waren. Hin und wieder durchstöberte sie Wohltätigkeitsbasare und Antiquitätenmärkte in der Hoffnung, irgendwelche billigen Dinge zu entdecken, die sie ihrer Sammlung hinzufügen könnte. Zu ihren persönlichen Lieblingsstücken gehörte eine flache, rechteckige Schachtel, eingefasst mit Lederintarsien und gefüttert mit blauer Seide, die einst von einer Dame dazu benutzt worden war, ihr Gebetbuch elegant in die Kirche und wieder nach Hause zu transportieren, ein höchst stilvolles Paar viktorianischer Schlittschuhe und eine kleine Holzkiste, ausgefüllt mit einem faszinierenden Gewirr von kleinen Fächern und Zwischenwänden, deren Funktion wir nie hatten ermitteln können. Den Ehrenplatz bekam ein Picknickset aus den zwanziger Jahren, immer noch im Originalkorb und in ausgezeichnetem Zustand. Jessica liebte es, die kleine viereckige Porzellanteekanne und das dazu passende Service aus geblümten Tellern, Tassen und Untertassen herauszunehmen, die winzige Spirituslampe, die Blechdosen für Kuchen und Sandwiches oder Hähnchenschenkel, die frühen Bakelit-Becher und die Messer mit den Porzellangriffen, die immer noch in den Original-Papierhüllen steckten und deren Stahlklingen schimmerten, als wären sie gestern erst hergestellt und gekauft worden. Dazu hatte sie eine Straßenkarte von Großbritannien aus derselben Epoche aufgetrieben, eigens herausgegeben für jene neue Gattung von Leuten, die sich „Automobilisten“ nannten, und einen jener dicken Wälzer mit Schulgeschichten, auf dessen Umschlag ein höchst unwahrscheinlicher Vorfall mit drei Schuljungen und einem Elefanten abgebildet war. Diese Werke standen an den offenen Deckel des Picknickkorbes gelehnt. Vor achtzig Jahren hätten wir vermutlich den Korb


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