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Er, Sie und Es. Marge PiercyЧитать онлайн книгу.

Er, Sie und Es - Marge Piercy


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immer gleich bleiben?« Malkah zog ihren Sessel näher und beugte sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu Shira. »Also, was hältst du von Yod?«

      »Avram stellt astronomische Behauptungen auf über seine Intelligenz und Leistungsfähigkeit.«

      »Yod ist erstaunlich. Aber naiv. Oi, ist der naiv! Deine Aufgabe ist, ihm beizubringen, wie er mit Menschen umgehen soll. Bei seiner Kraft und seinem Verstand kann er, ohne es zu wollen, eine Menge Schaden anrichten, wenn er nicht richtig erzogen wird. Ich bin verantwortlich für seine interpersonelle Programmierung, aber er hat keine Gelegenheit gehabt, diese Fähigkeiten auszuprobieren.«

      »Ein Gerät zu erziehen ist kein Konzept, das mir sonderlich einleuchtet. Er – jetzt hast du mich so weit. Es ›er‹ zu nennen.«

      »Er ist eine Persönlichkeit, Shira. Keine menschliche Persönlichkeit, aber eine Persönlichkeit.«

      »Nachdem du ein Leben lang mit künstlicher Intelligenz gearbeitet hast, wie kannst du da ein Cyborg vermenschlichen? Du könntest genauso gut glauben, das Haus sei wirklich eine Frau, wie es kleine Kinder tun. Oder deinem Reinigungsroboter einen Namen geben und mit ihm reden. Für einen kleinen Jungen wie Ari ist es angemessen, seinen Koalaroboter für ein lebendiges Kuscheltier zu halten und eine emotionale Bindung dazu zu entwickeln, aber wir sollten Erwachsene sein.«

      »Die großen Wale – wir hatten sie gerade so ziemlich alle ausgerottet, da begannen wir, ihre epische und lyrische Dichtung zu übersetzen. Waren sie Personen? Waren die Affen, die lernten, sich in der Zeichensprache mitzuteilen, intelligente Wesen? War Hermes eine Realpräsenz?«

      »Er hatte eine Persönlichkeit, gewiss. Sogar eine starke. Es ging mir so schlecht, als du mir von seinem Tod geschrieben hast.«

      »Er war ein alter Kater, Shira. Er ist zwanzig Jahre alt geworden. Zuletzt hatte er einen Gehirntumor und er war zu schwach, um noch einmal operiert werden zu können.«

      »Malkah, du hast dein ganzes Leben lang mit Computern gearbeitet. Ein gutes heuristisches Programm kann eine künstliche Intelligenz befähigen, stichhaltige Pläne zu machen und Strategien und Taktiken zu entwickeln, aber um Zielsetzungen oder Verhaltensweisen abzuwandeln, musst du die Programmierung ändern.«

      »Beim Netz und den Basen-KIs sind Art der Programmierung und Umfang der zugelassenen Unabhängigkeit eng begrenzt. Avram ist darüber hinausgegangen, und ebenso, mein Liebes, bin ich es. Ich betrachte Yod als Person. Ich genieße seine Gesellschaft.« Malkah warf ihr ein so spitzbübisches Grinsen zu, dass Shira sicher war, ihre Großmutter führte sie an der Nase herum. »Jetzt, wo ich keine verantwortliche Erwachsene mehr bin, die ein Kind erziehen muss, kann ich unbekümmert und leichtsinnig sein. In seiner Programmierung sind einige abenteuerliche Joker. Von einigen weiß nicht mal Avram, dass sie da sind.«

      »Malkah, du versuchst mich mit einem Trick dazu zu kriegen, dass ich diese Arbeit übernehme. Warum? Warum sozialisierst du es nicht selber?« Shiras Stirn runzelte sich vor Argwohn.

      »Ich habe Yod gegeben, was ich ihm zu geben hatte. Überdies habe ich dir alles gegeben, was ich zu geben hatte, Shira.« Malkah seufzte. Sie legte ihre Hände auf die Knie und setzte eine fast grimmige Miene auf. »Jetzt, wo du erwachsen bist und ein paar Schläge einstecken musstest, kann es sein, dass deine Mutter dir etwas zu geben hat.«

      »Meine Mutter? Riva?« Shira war überrascht und ein wenig aufgebracht. »Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit ich zum Studium fortging. Wir reden nicht mal über das Netz miteinander.«

      »Es kann sein, dass sie herkommt. Es ist noch nicht ganz klar, aber möglich.«

      »Ist sie nicht bei Alhadarek? Warum sollten die sie denn hierherschicken?«

      »Sie ist nicht bei denen.« Malkah sprach ärgerlich ausweichend.

      »Kommt sie, weil sie erwartet, Ari zu kriegen? Oder weil sie mir seinetwegen Vorwürfe machen will?«

      »Nein, nein! Ich könnte mir denken, dass du sie eine interessante Frau findest, Shira. Aber wir wollen sehen, was geschieht. Sprich zu niemandem darüber.«

      »Warum nicht? Was soll die Geheimniskrämerei? Angst, dass ein anderer Multi sie kidnappt?«

      »Oh, sie ist ungeheuer gesucht. Aber nicht, um sie anzuheuern.«

      »Du hörst dich an, als gäbe es einen Preis auf ihren Kopf.«

      Malkah nickte. »Riva ist eine Informationspiratin, Shira. Sie spürt verborgenes Wissen auf und befreit es.«

      »Riva?« Shira hatte wenig Erinnerungen an ihre Mutter. Als sie klein war, war ihre Mutter oft gekommen. Dann, als Alhadarek sie kaufte, war sie nach Kapstadt versetzt worden, und sie sahen sich nur einmal im Jahr, an Shiras oder Malkahs Geburtstag. Bei Shiras Hochzeit hatte ihre Mutter sich entschuldigt. Sie hatte Riva seit zehn Jahren nicht gesehen. Riva war einige Zentimeter größer als sie beide, aber grundsätzlich erinnerte Shira sie als hektische, verhuschte Frau, die immer mit vielen Geschenken kam, alle nicht eingewickelt und im Gepäck versteckt. Dass solch eine Frau Informationspiratin sein sollte, war nicht zu glauben. Industriespionage war bis zu einem gewissen Umfang Bestandteil des Systems, Multi gegen Multi, aber die Piraten waren völlige Außenseiter, Abtrünnige, die Standardschurken in den Stimmies. Zuerst war das Cyborg eine Person, und jetzt das! Malkah nahm sie entweder auf den Arm oder wurde langsam senil und konnte Phantasie und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden.

      Malkah grinste. »Ich bin nicht verrückt, Shira. Komm, ich zeige dir was.«

      Shira folgte ihrer Großmutter zum Hauptterminal. Alle in der Stadt wechselten sich beim Wachdienst ab und in schwierigen Zeiten trug jeder verbotenerweise, was sie an Waffen besaßen. Sicherheitsinformationen standen allen offen. Alle Welt hatte Zugriff auf diese Netzdatei, die Malkah jetzt aufrief. Während Shira immer noch über Malkahs Geisteszustand grübelte, erschien eine Liste der Verbrechen von Riva Shipman auf dem Bildschirm, dazu eine Warnung vor der Gefahr, die sie für die bestehende Konzernordnung darstellte. Sie hatte die Basen der Hälfte aller großen Multis infiltriert und geplündert. Sie wurde verantwortlich gemacht für den Zusammenbruch des Allevium-Marktes: Allevium hatte sich als wirksam erwiesen gegen die neueste Form der Kisrami-Seuche – die Krankheit, die Malkahs eigene Mutter dahingerafft hatte. Riva hatte offenbar die Medikamentenformel gestohlen und ins Netz gestellt, damit alle sie benutzen konnten. Jede kleinere Region hatte daraufhin ihr eigenes Heilmittel produziert.

      »Wie lange weißt du schon über meine Mutter Bescheid?«

      »Ich kenne sie, seit sie geboren wurde, weißt du«, sagte Malkah mit dem gleichen spitzbübischen, spöttischen Lächeln. »Mir ist seit Jahren bekannt, was sie tut.«

      »Warum hast du es mir nie gesagt?«

      »Was hätte es dir geholfen, wenn du es gewusst hättest?«

      »Was hat es mir geholfen, es nicht zu wissen?«

      »Du hast dich dadurch sicherer gefühlt. Es gab dir die Freiheit, deinen eigenen Weg zu wählen.«

      »Jetzt werde ich mich immer fragen, ob einer der Gründe für meine Vernachlässigung bei Y-S war, dass Riva als gefährliche Rechtsbrecherin gilt.«

      »Nicht ausgeschlossen. Obwohl wir niemals offen miteinander Kontakt haben. Ich könnte mir vorstellen, dass wir sie nicht einmal erkennen, wenn sie kommt – falls sie kommt.«

      »Warum denkst du, dass sie jetzt kommen könnte? Hatte sie die Absicht zu kommen, weil sie Ari will?«

      »Nein, Liebling, sie hatte nie vor, Ari zu nehmen. Ihr Leben ist zu gefährlich, um irgendein Kind bei sich zu haben. Als du Kind warst, habe ich dieses kleine Märchen über unsere Familie erfunden, um dir zu erklären, warum du bei mir aufgewachsen bist und nicht bei deiner Mutter. Damit du keine Fragen stellst. Deine Mutter ist ein politischer Flüchtling und sie lebt von ihrer Geistesgegenwart und ihren Verbindungen.«

      Shira ertappte sich dabei, wie sie die Augen aufriss und ihr der Kiefer herunterfiel. »Willst du mir damit sagen, dass ihr nicht bei euren Großmüttern aufgewachsen seid, seit der zehnten Generation?«

      »Es war eine


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