Ein Haus voller Robinsons. Adrian PlassЧитать онлайн книгу.
und lachte.
„Tut mir Leid. Rede ich sonst so langweiliges Zeug, dass so ein armseliger, plötzlicher Anfall von Metaphorik besonders gefeiert werden muss? In dem Fall hätte ich gern einen kleinen Sherry.“
„Ich dachte schon, du würdest nie danach fragen. Wie du weißt, haben wir eine kleine Flasche eigens zum Feiern von Metaphern beiseite gestellt, in der grammatischen Abteilung unseres Barschranks.“
Zwei Minuten später hielt jede von uns ein Glas Bristol Cream in der Hand. Ich nahm einen genießerisch-ehrfürchtigen Schluck und beschloss, Dips Frage wahrheitsgemäß zu beantworten.
„Vor ein paar Wochen waren Mike und ich bei den Handleys zum Abendessen eingeladen. Die wohnen in einem dieser riesigen viktorianischen Häuser in der Swan Road; du weißt schon, die mit den großzügigen Einfahrten und den schönen, großen Schiebefenstern, die sogar noch funktionieren. Du kennst doch die Handleys, oder? Ich glaube, sie arbeitet an den meisten Vormittagen in dem Wohltätigkeitsladen im Einkaufszentrum, und Frank war irgendein mächtig hohes Tier im Zusammenhang mit dem Unterhaus, bevor er in den Ruhestand ging, aber er war kein Abgeordneter oder so. Früher sind sie immer bei uns in die Kirche gegangen, wenn du dich erinnerst; dann blieben sie aus irgendeinem Grund weg. Vor ein paar Monaten hat Mike Frank bei einer Ausschusssitzung getroffen, und -“
Dip hob ergeben die Hand.
„Ich weiß, wen du meinst. Gut kannte ich sie zwar nie, aber trotzdem, ich weiß, wen du meinst.“
„Na ja, ist ja eigentlich auch egal. Wir kannten sie auch nicht besonders gut, das war ja das Problem. Deswegen waren wir beide ein bisschen steif und nervös. Dieses Haus!“ Ich senkte meine Stimme, als fürchtete ich, die Handleys kauerten vielleicht hinter dem Sofa und lauschten. „Dip, so etwas habe ich noch nie gesehen. Ein riesiges Ding, überall Leder und poliertes Holz und Antiquitäten und Sachen aus Elefantenfüßen, und eine fest angestellte Haushälterin - du kannst es dir vorstellen. Ich glaube, Mike ist durchaus ein ganz kleines bisschen empfänglich für echte feudale Eleganz …“
„Oh, ich auch, fürchte ich“, seufzte Dip.
„Und er gibt sich dann immer so einen komischen Anschein von Gelassenheit, besonders, wenn er ein oder zwei Gläschen intus hat. Es ist schwer zu beschreiben - irgendwo zwischen Sentimentalität und fadenscheiniger Weltgewandtheit. Macht mich wahnsinnig, besonders, weil er meistens von mir erwartet, dass ich seinen bemüht geistreichen Sprüchen oder seinem dünnen Altblech aus hausgemachter Philosophie auch noch Beifall spende. Dabei möchte ich ihm am liebsten nur sagen, er soll endlich den Mund halten.“
„Aber du tust es nicht?“
„Nein, natürlich nicht. Nicht, wenn ich es mir irgendwie verkneifen kann. Bei den Handleys war ich aber nahe dran. Nach dem Essen kamen wir auf das Thema, Ehe in dieser unserer Zeit‘. Du weißt ja, wie das ist, wenn man bei Leuten, die man nicht besonders gut kennt, zum Abendessen eingeladen ist. Irgendwie lässt man sich von einer Welle begeisterter Einmütigkeit über so ziemlich alles im Universum davontragen, weil alles andere viel zu mühsam wäre, und nach einer Weile hört man sich selbst absoluten Quatsch reden oder Dinge sagen, mit denen man eigentlich überhaupt nicht einverstanden ist, und das Hirn wird einem ganz stumpf und weich, und man möchte am liebsten nach Hause gehen und vor Scham sterben. Jedenfalls stimmten wir alle feierlich darin überein, dass die jungen Paare heutzutage nicht mehr das moralische Format haben, das junge Paare früher hatten, und dass, Hingabe‘ ein Wort sei, dessen Bedeutung heute niemand mehr kenne, beim Zeus, und dass man zu unserer Zeit (wobei die Zeit der Handleys erheblich länger zurückliegt als unsere Zeit, wie ich anmerken möchte, aber wir waren zu höflich oder zu feige, sie daran zu erinnern) sein Versprechen gab und sich verdammt noch mal daran hielt, durch dick und dünn und so. Dann sagte Frank Sowieso, wo seiner Meinung nach das eigentliche Problem liege. Das eigentliche Problem, verkündete er, sei, dass die jungen Leute heutzutage von der Ehe ein nie endendes Feuerwerk erwarteten (ein bedeutsames Nicken, um anzuzeigen, dass er damit die, ehelichen Unannehmlichkeiten‘ meinte, wie diese Gestalt bei Harry Enfield es nennt) und einfach aufgäben, wenn sich diese Erwartung nicht erfülle. Mike stimme doch sicherlich mit ihm überein, erkundigte er sich zuversichtlich, dass solche Erwartungen lächerlich seien.
Das gab Mike den Anstoß zu einer seiner kleinen Ansprachen, von denen wir Skeptiker argwöhnen, dass sie nur dazu da sind, sich das Wohlwollen von Leuten zu sichern, denen er sich unterlegen fühlt. Mir wird jedes Mal schlecht davon! Dip, es wäre ja nicht schlimm gewesen, wenn er nur genickt und irgendetwas gegrunzt hätte, was man als vage Zustimmung hätte interpretieren können - ich meine, mir ist es ja eigentlich egal, wie die Handleys über unser Sexleben denken - aber das hat er nicht getan.
,Nein‘, sagte der Stilfürst der Lehrerwelt, der Oscar Wilde von Standham, während er den Brandy in seinem Glas kreisen ließ und mit Kennermiene schlürfte., Ich glaube nicht, dass man das, was in einer gereiften Beziehung vor sich geht, als Feuerwerk beschreiben könnte. Nein, Frank, ich würde sagen, dass die Ehe auf lange Sicht eher einem jener wunderbaren, schweren alten Aga-Öfen gleicht - findest du nicht auch, Kathy? Sie halten Jahrzehnte, wenn man sich richtig um sie kümmert, man kann in ihnen eine wirklich vorzügliche Glut zustande bringen, und sie produzieren wirklich gute Mahlzeiten, solange man sie nur hin und wieder ein bisschen stochert.‘ Dip, dieser Sherry ist ziemlich teuer. Wenn du nicht aufhörst, ihn durchs ganze Zimmer zu spucken, kriegst du nächstes Mal keinen mehr.“
„Tut mir Leid!“ prustete Dip. „Wirklich. Gib mir noch einen. Meine Güte, ich wette, hinterher hat er sich gewünscht, er hätte das nicht gesagt.“
„Oh ja, hinterher, darauf kannst du deine besten Strumpfhalter verwetten. In dem Moment jedoch lehnte er sich nur zurück und leckte all die teuren, kehligen Heiterkeitslaute der vornehmen Herrschaften auf. Im Auto auf dem Heimweg meinte er dann, es sei doch eigentlich ganz nett gewesen, oder? Und ich gab meine berühmte Impression einer nach vierundzwanzig Stunden im Kühlschrank servierten Gurke zum Besten und sagte:, Ich gebe bedauernd bekannt, dass der schwere alte Aga aufgrund ständiger Vernachlässigung erloschen ist und eine komplette Überholung erfordert, bevor er wieder funktioniert. Aus diesem Grund ist heute Abend keinesfalls mit einer Glut zu rechnen, und in absehbarer Zukunft solltest du keine wirklich guten Mahlzeiten erwarten, auch wenn du hin und wieder ein bisschen stocherst.‘ Erst da wurde ihm klar, dass ich von seinem kleinen geistreichen Ausfall nicht sonderlich beeindruckt war. Am nächsten Morgen haben wir darüber gelacht, aber …“
„Aber es hat dich zum Nachdenken gebracht.“
„Ich glaube, es war eine Art Auslöser, Dip. Ich wurde auf einmal sehr traurig, und mich packte die Sorge und Panik vor dem Altwerden und davor, dass alles allmählich ausläuft und flach wird. Ich will kein schwerer alter Aga-Ofen sein, der manchmal glüht. Es reizt mich überhaupt nicht, eine dieser hoch geachteten christlichen Frauen im Kostüm zu sein, mit freundlich-traurigen Augen, die einmal aus den allerbesten Gründen der Versuchung widerstanden haben und nun in einer vernünftigen, dauerhaften Beziehung ohne Feuerwerk leben und sogar ein Andachtsbuch zur Fastenzeit darüber geschrieben haben. Ich will ein paar Leuchtkugeln und Chinakracher und Raketen und - und Sachen, mit denen man sehr vorsichtig sein muss, weil sie gefährlich sein könnten. Es muss doch zumindest die entlegene Möglichkeit bestehen, sich die Finger zu verbrennen, oder nicht?“ Ich hielt inne, nippte an meinem Sherry und fragte mich, wie viel ich noch sagen sollte. „Allmählich machte sich bei mir das Gefühl breit, dass ich eine sehr große Entscheidung zu treffen habe.“
„Worüber?“
„Na ja, auf die Gefahr hin, dass du mich jetzt für vollkommen übergeschnappt hältst, es war - also, für mich sah es so aus. Es war die Entscheidung, ob ich wie ein explodierender Stern zerspringen oder meine Form anpassen sollte wie ein bequemer alter Sessel. Ich fühlte mich einfach noch nicht bereit, alt zu werden und mich für den Rest meiner Tage so zu formen, wie andere Leute mich haben wollten. Das wollte ich auf keinen Fall. Ich wollte alles mögliche andere. Ich wollte noch einmal diese ersten Stadien des Verliebtseins erleben, Dip, wenn man spazieren geht und die gewöhnlichsten Dinge wie Bäume, Busse und Ziegelsteinmauern plötzlich glänzend und lebhaft und strukturiert und bedeutungsvoll aussehen. Erinnerst du dich an dieses herrliche,