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Das große Geschäft. Johann-Günther KönigЧитать онлайн книгу.

Das große Geschäft - Johann-Günther König


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im Vordergrund. Entscheidend ist die Anwesenheit oder auch nur die befürchtete Anwesenheit anderer Menschen.«6

      Die in der Bundesrepublik noch vor einigen Jahrzehnten gesellschaftlich gepflegten Tabus in sexuellen und hygienischen Belangen lösen sich tendenziell in Luft auf. Ein Rückblick: 1956 erschien das Hausbuch für die deutsche Familie, in dem sich ein längeres Kapitel dem »Heim und Haushalt« widmet – einschließlich der »kleinen und gründlichen Reinigung«. Die ellenlangen Ausführungen von Irmgard Schütz-Glück über die Reinigungsschritte »einer guten Hausfrau« im Schlaf- und Wohnzimmer – »zuletzt wird noch Staub gewischt« – belehren nachdrücklich über alle nur denkbaren Reinigungsmaßnahmen.7 Ein Bad oder gar ein Klosett, die ja auch einer Reinigung bedürfen, sind in ihrem Text schlicht nicht existent, sind tabu.

      Immerhin, als elf Jahre später die neunte, völlig neu bearbeitete Auflage des Ratgeberbuchs Etikette neu von Karlheinz Graudenz und Erica Pappritz die Gabentische junger Bundesbürgerinnen und -bürger bereicherte, konnte das Stichwort »Toilette« offenbar nicht mehr umgangen werden. Da heißt es: »Halten wir es mit dem liebenswürdigen Spötter Heinrich Spoerl und ›sprechen wir ruhig darüber‹! Heikle Themen erledigen sich nicht von selbst, indem man sie totschweigt. Und dieser kleine Raum bleibt nun einmal trotz seines nicht gern diskutierten Zwecks eine Visitenkarte auch der bescheidensten Wohnung. Dabei genügen anderthalb Quadratmeter völlig für diesen Raum. Waschbecken, Spiegel und Handtuchhalter, oder, noch praktischer, ein Behälter für die kleinen Gästehandtücher sollten nicht fehlen. Da an diesem Ort ein jeder für Reinlichkeit verantwortlich ist, darf eine Reihe bekannter Utensilien nicht fehlen, denn es wäre zu viel verlangt, wollte man die Beseitigung irgendwelcher Benutzungsspuren Dritten zumuten. Und, aller Kritik zum Trotz, sei ein Hinweis erlaubt: Wer findig ist und die moderne Installationstechnik geschickt zu nutzen versteht, wird sich ihrer besonders in kleinen, hellhörigen Wohnungen rechtzeitig bedienen. Am Fenster wird zweckmäßigerweise eine Lüftungsklappe angebracht sein, die ständig Frischluft zuführt. Im übrigen gibt es ja den desodorierenden Raumspray, der nicht nur in keiner Toilette fehlen, sondern auch so placiert sein sollte, daß ihn niemand übersehen kann.«8

      Inzwischen haben sich die Sitten – und die Zahl und Verfügbarkeit toilettentauglicher Utensilien – entschieden geändert. So ließ 2014 in einer Folge der RTL-Kuppelshow Bauer sucht Frau der finanziell gut gestellte Günther die ihm zugesellte Claudia zum Nachweis ihrer Beziehungstauglichkeit quasi öffentlich seine Ferienwohnungen putzen. O-Ton: »Da werden wir mal schauen, ob sie dann eher sagt, ich mache das Staubwischen, oder ob sie auch richtig anpacken kann, ans Eingemachte geht und das Klo putzt.« Sie tat es, versenkte die Hände in der Schüssel und schrubbte nach Leibeskräften … Müßig zu erwähnen, dass spätestens seit der Messung von Sender-Einschaltquoten zahlreiche einst unumstößlich scheinende Tabus durch das gezielte Dauerfeuer von Tabubrüchen – sowohl in diversen Ekelshows wie auch Talkrunden, in denen der Intimität gleichsam der Garaus gemacht wird – ihren Geist aufgeben. Apropos Tabu:

      Das wohl bekannteste Sinnbild sind die drei Affen (aus dem Schrein von Nikko), sprich: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Tabus fallen nicht vom Himmel. Sie unterliegen ebenso dem historischen Wandel wie die Gesellschaften, die sie in ihren jeweiligen Kulturräumen hervorbringen und statuieren. Anders als gesetzlich verfügte Verbote und Erlasse beruhen sie auf einem stillschweigenden Übereinkommen der Mehrheitsgesellschaft, über ganz bestimmte Dinge weder nachzudenken, noch darüber zu sprechen oder sie gar zu praktizieren. Verstöße werden umgehend geahndet, im Härtefall durch den Ausschluss aus der Gemeinschaft. Individuen, die wissentlich oder unwissentlich gegen ein Tabu verstoßen, dürfen seit jeher nicht auf Toleranz hoffen.9 Wenn sich aber durchsetzungsmächtige Gruppen finden, die aus welchen politischen, kulturellen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Gründen auch immer ein Tabu zur Erosion bringen wollen – einfach und über Nacht abschaffen lässt es sich ja nicht –, dann sind dessen Tage schneller, als manchem lieb ist, gezählt.

      2003 erschien die vortreffliche Doktorarbeit Toiletten und Urinale für Frauen und Männer von Bettina Möllring. In der Einleitung heißt es: »Die Gestaltung und Verwendung von Toiletten wird immer durch den gesellschaftlich geprägten Umgang mit dem individuellen Körper bestimmt. In den westlichen Kulturen gehören die Ausscheidungsprozesse noch zu den tabuisiertesten Handlungen – während das Tabu der Sexualität, die in vergleichbarer Weise intimisiert war, schon weitgehend aufgehoben ist. Mit der Tabuisierung der körperlichen Verrichtungen und der daraus resultierenden Intimität der Handlungen ist verbunden, dass bei Sanitärgegenständen ein vergleichsweise hohes Niveau an Gewohnheit und Vertrautheit während ihrer Benutzung besonders wichtige Faktoren sind.«10

      Möllrings Befund einer »Tabuisierung der körperlichen Verrichtungen« liegt bereits mehr als ein Jahrzehnt zurück. Zwar kann ich mir gut vorstellen, dass es – mich inbegriffen – durchaus noch viele Zeitgenössinnen und Zeitgenossen gibt, die nicht ungeschützt über ihre individuellen Toilettengewohnheiten sprechen wollen. In den Medien aber kann von einer Tabuisierung längst keine Rede mehr sein. Was heute etwa in als Bestseller beworbenen Büchern demonstriert wird, lässt kaum einen Intimitätswinkel ausgespart. Ich öffne das Taschenbuch Mondscheintarif der 1968 geborenen Autorin Ildiko von Kürthy. Darin erzählt eine Fotografin, die 33-jährige Cora, ihre Geschichte – und bekennt nach einer Liebesenttäuschung: »Die Geburtstagsfeier habe ich heulend auf dem Klo verbracht.« Bei einem Filmempfang überkommt die Protagonistin ein Bedürfnis, und sie fragt ihren Begleiter: »Darf ich mal auf die Toilette gehen, oder komm ich dann ins Fernsehen?« Sie darf natürlich …

      »Mir lief das Wasser im Mund zusammen, während ich mich an der überladenen Tafel vorbei in Richtung Damenklo vorarbeitete. Ich stieß die Schwingtür auf und fand mich in einem unglaublichen Pinkel-Palast wieder. Überall Spiegel, überall Marmor. Neben den Porzellanwaschbecken hing nicht etwa so ein gefährlicher Heißluftgebläseautomat, unter dem man sich die Haut verbrennt, trotzdem nicht trocknet, und der Nächste, dem man die Hand schüttelt, denkt, man hätte ihn mit Exkrementen besudelt. Hier lagen, ordentlich gestapelt, frische, kleine, weiße Frottee-Handtücher bereit. Und neben den weißen Handtuchstapeln saß eine hutzelige Klofrau auf einem Höckerchen und schaute mich erwartungsvoll an. So was hab ich ja nicht gerne. Ich kriege Probleme beim Wasserlassen, wenn ich den Eindruck habe, dass mir dabei jemand zuhört. Es wird mir ewig ein Rätsel bleiben, wie Männer es schaffen, nebeneinanderzustehen und zu pinkeln. Wie tun sie das? Reden sie dabei? Worüber? Was ist, wenn sich der Chef neben einem erleichtert? Urinstau? Gehaltsverhandlungen?«11

      Und was passiert, wenn der Blick durch die sprichwörtliche Brille in die Weiten des historisch noch sehr jungen Internets geht – in den immer dominanteren virtuellen öffentlichen Raum? Das World Wide Web hat zu jeder erdenklichen Problematik entweder nur wenig oder unfasslich viel zu bieten. Als ich damit begann, die mit unseren natürlichen Körperausscheidungen verbundenen Begriffe in eine Suchmaschine einzugeben, stieß ich zum Beispiel unter dem Suchwort »Kacke« umgehend auf das Forum gofeminin und einen Beitrag vom Januar 2013: »Dass auch Mädchen/​Frauen kacken gehen müssen, ist ja klar. Aber mir ist es trotzdem jedes Mal peinlich, wenn ich zu Hause kacken gehe und nach mir geht jemand ins Badezimmer. Ich wohne mit Mama, ihrem Freund und meinen beiden kleinen Schwestern in einer 4-Raum-Wohnung, und da wir ein sehr, sehr kleines Badezimmer haben ohne Fenster, habe ich natürlich keine Möglichkeit, den Geruch irgendwie wegzubekommen. Raumspray hilft nichts, man riecht’s ja trotzdem.«12

      An Problemschilderungen, derben Sprüchen, Ratschlägen und Tipps fehlt es in Internetforen, Blogs und Websites gewiss nicht – und schon gar nicht zu den vermeintlich scham- und ekelbehafteten, zumindest intim aufgefassten Angelegenheiten rund um unsere natürlichen Bedürfnisse. Insbesondere in den Foren, in denen die Teilnehmer mit Tarnnamen operieren, wird wahrlich kein Blatt vor den Mund genommen. Zwar schieben viele User den Hinweis ein, ihre Notdurftbedürfnisse und die damit verbundenen Probleme und Fragen seien ihnen peinlich, und spielen damit auf ein Gefühl der Verlegenheit und des Unbehagens an; aber was sie dann und wie sie es berichten – Schwamm drüber. In den einschlägigen und frei zugänglichen Angeboten des weltweiten Webs wie auch in Talkshows ist der Begriff Tabu längst sprach-, ton- und bildgewaltig ausgehebelt, ja ad absurdum geführt. Was eine vielgenutzte Suchmaschine etwa nach der Eingabe des Stichworts Pisse gleich auf der ersten Seite zugänglich macht,


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