Weiße Wölfe am Salmon River. Lutz HatopЧитать онлайн книгу.
Marc antwortete für Ilene, nicht ohne sie dabei im Auge zu behalten.
„Die Männer im Flugzeug sprachen von einer endgültigen Entscheidung hier in diesem kleinen Ort. Hier und nur hier hätten sie alle Möglichkeiten für eine endgültige Entscheidung. Das hat sich für mich nicht gut angehört.“
Adam Sand beobachtete Marc genau, sah seine Augen, die an seiner Schwester hafteten. Sein Ausdruck wurde finster.
„Und du glaubst ihm einfach so? Du wirst dich nie ändern…“
„Sei still, ja ich glaube ihm! Er hat meinen Vater mit Namen genannt. Woher sollte er das wissen. … Und, mein lieber Bruder, er will mir nur helfen.“
„Helfen? Er will dir helfen. Blödsinn. Er will nur…“
„Es reicht. Schluss! Aus! Nochmal, ich glaube ihm.“
Adam Sand wurde wütend, wandte sich an Marc.
„Warum machen Sie das für uns? Sie kennen uns doch gar nicht. Aus Deutschland? Habt ihr nicht ein paar Millionen Juden auf dem Gewissen?“
Marcs Gesicht rötete sich.
„Ich habe keinen Menschen auf dem Gewissen. Und würde ich so handeln, wie Sie mir gerade unterstellen, wäre ich wohl nicht hier, oder?“
Wütend fauchte Ilene ihren Bruder an.
„Hör sofort auf damit, er will uns nur helfen.“
„So wie er dich anstarrt, kann er auch andere Gründe haben.“
Ilene wurde ruhig, lächelte beide Männer an, fragte leicht provozierend Marc, den sie herausfordernd ansah.
„Vielleicht gefalle ich dir ja, wie heißt du nochmal?“
Marc konnte nur noch stottern, „Ma…arc, äh Marc.“
Gereizt mischte sich ihr Bruder ein.
„Du bist vergeben, vergiss das nicht!“
Sie giftete zurück.
„Nein, bin ich nicht. Was mein Vater ausgehandelt hat, interessiert mich nicht. Ich werde keine Ehe eingehen, die mein Vater will. Ich suche mir einen Mann selbst aus. Und auch du hast mir hier nichts vorzuschreiben, kapiert?“
Marc wies beide Streithähne nochmals auf die drohende Gefahr hin. Adam Sand sprach mit seiner Schwester in einer Sprache, die Marc nicht verstand. Aus der Gestik der beiden konnte er erkennen, dass sie ihm heftig Kontra gab. Adam Sand sagte noch ein Schlusswort, wandte sich von seiner Schwester ab, stieg ohne ein weiteres Wort zu verlieren in seinen Pickup und fuhr los. Seine Schwester ließ er mit offenem Mund stehen. Marc verdrängte für einen Augenblick die bevorstehende Gefahr und freute sich insgeheim.
„Wenn du willst, kannst du mit mir fahren?“
Ihr Zorn verflog, sie lachte Marc an. Dieses Lachen verzauberte ihn vollkommen, er wies mit seiner Hand zu seinem Mietwagen, einem klassischen Jeep Wrangler in der Kombiversion.
„Dann soll das wohl so sein, dass ich mit dir fahre. Was meinst du?“
Marc bestätigte ihre Meinung mit freudigem Gesichtsausdruck. Als sie neben ihm saß, musterte er sie von der Seite.
„Gefalle ich dir?“ Sie ging vollkommen offen mit ihm um, was ihn beträchtlich irritierte. „Bekomme ich noch eine Antwort? Oder machst du einen Rückzieher, redest nicht mehr mit mir?“
Marc gefiel ihre offene Art, so fasste er Mut.
„Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber vorhin in dem Laden. Du hast dich umgedreht und ich war vollkommen geplättet.“
Unverständlich schaute sie ihn an.
„Ah so, ja. Wie sagt man in Englisch? I was struck by lightning? Du gefällst mir, sehr sogar. Ehrlich, so was ist mir bis jetzt noch nicht passiert. Ich bereue keine Sekunde, bin froh, dass ich dich getroffen habe.“
Ihre Antwort kam prompt.
„Ich finde das auch ganz super, was du hier für mich alles machst! Das ist nicht selbstverständlich, überhaupt nicht.“ Sie schaute ihn an. „Du gefällst mir auch, ich mag dich.“
Sie lachte nicht mehr, ernst blieb ihr Gesichtsausdruck. Beide stiegen in das Auto, Marc wollte schnell weg aus dem Ort. Sie fuhren bereits eine halbe Stunde auf dem Highway Richtung Watson Lake, Marc schaute, wie immer, flüchtig in den Rückspiegel, von Deutschland war er es so gewohnt. Nach kurzer Zeit war er sich sicher, sie wurden verfolgt. Ein dunkler geschlossener Transporter fuhr mit gleichem Abstand hinter ihnen her. Über fünfzehn Minuten ging das so, Marc beobachtete den Wagen laufend, nichts änderte sich. Und Adam, der war verschwunden, zumindest außer Sichtweite. Plötzlich beschleunigte der Wagen hinter Ihnen und näherte sich rasend schnell. Als beide Fahrzeuge auf gleicher Höhe waren, zog der Transporter mit einem Mal zu ihrem Jeep herüber. Marc legte eine Vollbremsung hin, so schoss der Wagen an ihnen vorbei und setzte sich direkt vor sie. Marc legte den Rückwärtsgang ein, wendete und fuhr zurück. Er hatte einen Waldweg einige Kilometer zurück abbiegen sehen. Den wollte er nehmen.
Schließlich hatte der Jeep Allradantrieb. Der Transporter hatte ebenfalls gewendet und versuchte, den Anschluss wieder herzustellen. Endlich kam der Waldweg in Sicht. Die Verfolger ahnten wohl sein Vorhaben und versuchten ihn einzuholen. Mit Anlauf preschte Marc in den Waldweg, der sich nach 300m gabelte. Er nahm die rechte Variante, die kurz darauf mit geradlinigem Anstieg steil auf einen Berg führte. Mit dem Allrad kein Problem, jedoch für den Transporter unmöglich zu folgen.
Sie erreichten den Bergkamm, der Weg wurde immer verwachsener und schlechter. Marc fuhr langsam weiter, er wollte ausreichend Abstand zwischen sich und die Verfolger bringen. Auf einem Plateau, welches nur von Gestrüpp bewachsen war, hielten sie schließlich an. Ein befahrbarer Weg war nirgends mehr erkennbar. Marc verließ den Jeep, bahnte sich noch 100m durch das Gelände zu Fuß seinen Weg und kletterte schließlich auf einen großen alles überragenden flachen Felsklotz.
Der Ausblick von hier war umwerfend. Er winkte Ilene zu sich. Direkt um sie herum war das Gelände flach und mit Büschen bewachsen, daraus ragten die verkohlten Stümpfe des ehemaligen Waldes heraus und wiesen auf einen vor drei oder vier Jahren erfolgten Waldbrand hin. Unten im Tal konnte man das silberne Band eines Flusses erahnen. Es war warm, ein kräftiger Wind wehte über die Höhe, so blieben wenigstens die lästigen Moskitos weg.
Ilene rückte bis auf Tuchfühlung zu Marc und schmiegte sich an ihn.
„Marc? Darf ich dich mit du ansprechen?“
„Ja, gerne.“
Er wandte sich ihr zu, sie drehte sich wie ein Wirbelwind lachend von ihm ab. Tänzerisch bewegte sie sich auf dem Felsklotz, bewegte ihre Arme hoch gereckt perfekt zu den Bewegungen ihres Körpers. Fasziniert sah Marc ihr zu. Er musste sich zusammenreißen, entdeckte dann den Weg.
„Sieh mal, da hinten geht der Weg weiter!“
Nur 50m weiter setzte sich der Waldweg fort. Mühsam kämpfte er sich mit dem Jeep durch das Gestrüpp, bis sie den freien Teil wieder erreichten, der sehr felsig und deswegen nicht zugewachsen war. Im kleinsten Gang setzten sie den Weg abwärts über Geröll und kleine Felsstufen fort. Inzwischen war es bereits früh am Abend, als sie die Weggabelung erreichten. Die Sonne war hinter den Bergen versunken, die Dämmerung begann. Als sie wieder auf dem Highway waren wurde Ilene still. Während der ganzen Abfahrt hatte sie noch in einer Tour geplappert. Marc versuchte wieder ins Gespräch zu kommen.
„Weißt du, wo dein Bruder ist? Soll ich dich zu ihm hinfahren?“
Der Gedanke, sie nicht mehr zu sehen und sich verabschieden zu müssen, beschäftigte ihn. Im Stillen hoffte er, dass sie den Aufenthalt ihres Bruders nicht wusste. Und tatsächlich: „Ich habe keine Ahnung, wo mein Bruder steckt. Wir wollten von hier über Nacht durchfahren bis Yellowknife. Mist, ich hab auch nicht viel Geld dabei. Kannst du mir helfen. Ich zahl' s auch bestimmt zurück.“
Erschrocken schaute Marc sie an. Ihre Hoffnung schwand,