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Preußentum und Sozialismus. Oswald SpenglerЧитать онлайн книгу.

Preußentum und Sozialismus - Oswald Spengler


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Ras­se, der zur ein­heit­li­chen Hal­tung von Leib und See­le ge­w­ord­ne Ge­dan­ke über blo­ße Idea­le, über Sät­ze und Schlüs­se hin­weg­schrei­tet.

      Ich zäh­le da­mit auf den Teil un­se­rer Ju­gend, der tief ge­nug ist, um hin­ter dem ge­mei­nen Tun, dem plat­ten Re­den, dem wert­lo­sen Plä­ne­ma­chen das Star­ke und Un­be­sieg­te zu füh­len, das sei­nen Weg vor­wärts geht, trotz al­lem; die Ju­gend, in wel­cher der Geist der Vä­ter sich zu le­ben­di­gen For­men ge­sam­melt hat, die sie fä­hig ma­chen, auch in Ar­mut und Ent­sa­gung, rö­misch im Stolz des Die­nens, in der De­mut des Be­feh­lens, nicht Rech­te von an­de­ren, son­dern Pf­lich­ten von sich selbst for­dernd, alle oh­ne Aus­nah­me, ohne Un­ter­schie­d, ein Schick­sal zu er­fül­len, das sie in sich füh­len, das sie sind. Ein wort­lo­ses Be­wusst­sein, das den ein­zel­nen in ein Gan­zes fügt, un­ser Hei­ligs­tes und Tiefs­tes, ein Erbe har­ter Jahr­hun­der­te, das uns vor al­len an­de­ren Völ­kern aus­zeich­net, uns, das jüngs­te und letz­te uns­rer Kul­tur.

      An die­se Ju­gend wen­de ich mich. Möge sie ver­ste­hen, was da­mit ih­rer Zu­kunft auf­er­legt wird; möge sie stolz dar­auf sein, dass man es darf.

      1 »Un­ter­gang des Abend­lan­des«, bei Null Pa­pier er­schie­nen. <<<

Die Revolution

      Die Ge­schich­te kennt kein Volk, des­sen Weg tra­gi­scher ge­stal­tet wäre. In den großen Kri­sen kämpf­ten alle an­de­ren um Sieg oder Ver­lust; wir ha­ben im­mer um Sieg oder Ver­nich­tung ge­kämpft: von Ko­lin und Hoch­kirch über Jena und die Frei­heits­krie­ge, wo noch auf fran­zö­si­schem Bo­den ver­sucht wur­de, durch eine Auf­tei­lung Preu­ßens die Ver­stän­di­gung zwi­schen des­sen Ver­bün­de­ten und Na­po­le­on zu er­rei­chen, über jene ver­zwei­fel­te Stun­de von Ni­kols­burg, in der Bis­marck an Selbst­mord dach­te, und Se­dan, das die Kriegs­er­klä­rung Ita­li­ens und da­mit eine all­ge­mei­ne Of­fen­si­ve der Grenz­mäch­te eben noch ab­wand­te, bis zu dem Ge­wit­ter furcht­ba­rer Krie­ge über den gan­zen Pla­ne­ten hin, des­sen ers­te Schlä­ge eben ver­hallt sind. Nur der Staat Fried­richs des Gro­ßen und Bis­marcks durf­te es wa­gen, an Wi­der­stand über­haupt zu den­ken.

      In all die­sen Ka­ta­stro­phen ha­ben Deut­sche ge­gen Deut­sche ge­stan­den. Es ge­hört nur der Ober­flä­che der Ge­schich­te an, dass es oft Stamm ge­gen Stamm oder Fürst ge­gen Fürst war; in der Tie­fe ruh­te je­ner Zwie­spalt, den jede deut­sche See­le birgt und der schon in go­ti­scher Zeit, in den Ge­stal­ten Bar­ba­ros­sas und Hein­richs des Lö­wen zur­zeit von Le­gna­no groß und düs­ter her­vor­trat. Wer hat das ver­stan­den? Und wer durch­schaut jene Wie­der­kehr des Her­zogs Wi­du­kind in Luther? Wel­cher dunkle Drang ließ all jene Deut­schen für Na­po­le­on kämp­fen und füh­len, als er mit fran­zö­si­schem Blu­te die eng­li­sche Idee über den Kon­ti­nent trug? Was ver­bin­det in der tiefs­ten Tie­fe das Rät­sel von Le­gna­no mit dem von Leip­zig? Wes­halb emp­fand Na­po­le­on die Ver­nich­tung der klei­nen fri­de­ri­cia­ni­schen Welt als sei­ne erns­tes­te Auf­ga­be – und im Grun­de sei­nes Geis­tes als eine un­lös­ba­re?

      Der Welt­krieg ist, am Abend der west­li­chen Kul­tur, die große Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen den bei­den ger­ma­ni­schen Ide­en, Ide­en, die wie alle ech­ten nicht ge­spro­chen, son­dern ge­lebt wur­den. Er trug seit sei­nem wirk­li­chen Aus­bruch, dem Vor­pos­ten­ge­fecht auf dem Bal­kan 1912, zu­nächst die äu­ße­re Form des Kamp­fes zwei­er Groß­mäch­te, von de­nen die eine bei­na­he nie­mand, die an­de­re alle auf ih­rer Sei­te hat­te. Er en­de­te zu­nächst im Sta­di­um der Schüt­zen­grä­ben und ver­rot­ten­den Mil­lio­nen­hee­re. Aber schon in die­sem wur­de eine neue For­mel des un­ge­mil­der­ten Ge­gen­sat­zes ge­fun­den, die au­gen­blick­lich mit den Schlag­wor­ten So­zia­lis­mus und Ka­pi­ta­lis­mus in ei­nem sehr fla­chen Sin­ne und mit der vom vo­ri­gen Jahr­hun­dert er­erb­ten Über­schät­zung rein wirt­schaft­li­cher Ein­zel­hei­ten be­zeich­net wird. Hin­ter ih­nen tritt die letz­te große See­len­fra­ge des faus­ti­schen Men­schen zu­ta­ge. In die­sem Au­gen­blick tauch­te, den Deut­schen selbst nicht be­wusst, das na­po­leo­ni­sche Rät­sel wie­der auf. Ge­gen die­ses Meis­ter­stück von Staat, uns­re ech­tes­te und ei­gens­te Schöp­fung, so ei­gen, dass kein an­de­res Volk es zu ver­ste­hen und nach­zuah­men ver­moch­te, dass man es hass­te wie al­les Dä­mo­nisch-Uner­gründ­li­che, rann­te das eng­li­sche Heer Deutsch­lands an.

      Denn das gibt es. Was hier zum töd­li­chen Streich aus­hol­te, war nicht not­wen­dig ein Ver­rat aus welt­bür­ger­li­chem Han­ge oder schlim­me­ren Grün­den; es war ein bei­na­he me­ta­phy­si­sches Wol­len, zäh und selbst­los, oft ein­fäl­tig ge­nug, oft be­geis­tert und ehr­lich pa­trio­tisch, aber in sei­nem blo­ßen Da­sein eine stets be­rei­te Waf­fe für je­den äu­ße­ren Feind von der prak­ti­schen Tie­fe des Eng­län­ders; ein ver­häng­nis­vol­ler In­be­griff von po­li­ti­schen Wün­schen, Ge­dan­ken, For­men, die in Wirk­lich­keit nur ein Eng­län­der aus­fül­len, meis­tern, nut­zen kann, für Deut­sche trotz al­ler schwe­ren Lei­den­schaft und erns­ten Op­fer­wil­lig­keit nur ein An­lass di­let­tan­ti­scher Be­tä­ti­gung, in sei­ner staats­feind­li­chen Wir­kung ver­nich­tend, ver­gif­tend, selbst­mör­de­risch. Es war die un­sicht­ba­re eng­li­sche Ar­mee, die Na­po­le­on seit Jena auf deut­schem Bo­den zu­rück­ge­las­sen hat­te.

      Das, der bis zur Wucht ei­nes Schick­sals her­aus­ge­bil­de­te Man­gel an Tat­sa­chen­sinn ist es, was von der Höhe der Stau­fer­zeit an, wo die­se pracht­vol­len Men­schen sich über die For­de­rung des Ta­ges er­ha­ben fühl­ten, bis her­ab zur pro­vin­zia­len Bie­der­män­ne­rei des 19. Jahr­hun­derts, die man auf den Na­men des deut­schen Mi­chel ge­tauft hat, je­nem an­de­ren In­stinkt ent­ge­gen­ar­bei­te­te und ihm eine Ent­fal­tung auf­zwang, die sei­ne äu­ße­re Ge­schich­te zu ei­ner dich­ten Fol­ge ver­zwei­fel­ter Ka­ta­stro­phen ge­stal­tet hat. Das Mi­chel­tum ist die Sum­me uns­rer Un­fä­hig­kei­ten, das grund­sätz­li­che Miss­ver­gnü­gen an über­leg­nen Wirk­lich­kei­ten, die Dienst und Ach­tung for­dern, Kri­tik zur un­rech­ten Zeit, Ru­he­be­dürf­nis zur un­rech­ten Zeit, Jagd nach Idea­len statt ra­scher Ta­ten, ra­sche Ta­ten statt vor­sich­ti­gen Ab­wä­gens, das »Volk« als Hau­fe von Nörg­lern, die Volks­ver­tre­tung als Bier­tisch hö­he­rer Ord­nung. Al­les das ist eng­li­sches We­sen, aber in deut­scher Ka­ri­ka­tur. Und vor al­lem das Stück­chen pri­va­ter Frei­heit und ver­brief­ter Un­ab­hän­gig­keit, das man ge­nau dann aus der Ta­sche zieht, wenn John Bull es mit si­cherm In­stinkt bei­sei­te le­gen wür­de.

      Der 19. Juli 1917 ist der ers­te Akt der deut­schen Re­vo­lu­ti­on. Das war kein blo­ßer Wech­sel der Füh­rung, son­dern wie die bru­ta­le Form na­ment­lich dem Geg­ner ver­riet, der Staats­s­treich des eng­li­schen Ele­ments, das sei­ne Ge­le­gen­heit wahr­nahm. Es war die Auf­leh­nung nicht ge­gen die Macht ei­nes Un­fä­hi­gen, son­dern ge­gen die Macht über­haupt. Un­fä­hig­keit der Staats­lei­tung? Hat­ten die­se Grup­pen, in de­nen nicht ein Staats­mann saß, nur den Sp­lit­ter im Auge der Verant­wort­li­chen ge­se­hen? Hat­ten sie statt der Fä­hig­kei­ten, die sie nicht bie­ten konn­ten, in die­ser Stun­de et­was andres ein­zu­set­zen


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