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Trost der Physik. Harald LeschЧитать онлайн книгу.

Trost der Physik - Harald Lesch


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zum ersten Mal in seiner ganzen 500.000 Jahre langen Geschichte in die Lage versetzen, sich selbst zu vernichten.

      E = mc2, das ist die Zauberformel für Atombomben. Die Zauberlehrlinge werden sie immer und immer wieder für eine Unmenge an Zerstörungskraft benutzen. Mehrfach können die Menschen sich selbst vernichten, als ob nach einer vollständigen Vernichtung allen menschlichen Lebens noch was Nennenswertes übrigbleiben würde! Alles Schwachsinn, vielleicht wäre es doch besser gewesen, die Idee des Äthers weiter zu verfolgen: Sie war zwar falsch, aber weitaus harmloser.

      Ach ja, so vieles wäre uns erspart geblieben, wenn wir nicht so verflucht neugierig und kritisch wären.

      Jetzt rausche ich doch tatsächlich in die Depression ab. Das Grauen des grauen Tals der Hoffnungslosigkeit: Die, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren! Das steht doch über dem Eingang der Hölle, wenn dieser Italiener, wie hieß er doch gleich, Recht hatte. Dabei stirbt die Hoffnung doch zuletzt! Aber sie stirbt. Dante, genau, Dante Alighieri war sein Name. Obwohl der doch damals diese ganze Wahnsinnsphysik noch gar nicht kannte. Und trotzdem schon so hoffnungslos. Der hatte ja keine Ahnung!

      Ach was, let the sunshine in, auch wenn jetzt gerade irgendwie keiner mehr da ist, also Sonnenschein. Der ist jetzt endgültig verschwunden, noch nicht mal mehr ein Restglühen der Sonne. Das ist ein Dunkel, aber mal so richtig. Hier könnten die Dunkelfanatiker unter den Astronomen mal eine Party feiern. Soweit das Auge reicht kein künstliches Licht, das den Blick aufs Firmament beeinträchtigt. Der Himmel ist hier so richtig schwarz, nicht so ein verwaschenes Grau, sondern schwarz. Schwarzer Humor wäre jetzt schön.

      Kennen Sie den? Was ist der Unterschied zwischen einem Epileptiker und Reisbrei? Den Reisbrei isst man mit Zucker und Zimt, und der Epileptiker liegt im Zimmer und zuckt.

      Zucker und Zimt, das hat was von Weihnachten, das Fest von der Hoffnung auf das Licht der Welt. Und vom Stern von Bethlehem. Obwohl der gar kein Stern war, wahrscheinlich, sondern eine Konjunktion von Jupiter und Saturn. Meeting heisst das wohl heutzutage. Johannes Kepler hat das schon 1604 ausgerechnet. Er hat einfach zurückgerechnet und schlicht festgestellt, dass im Jahre sechs oder sieben, so genau weiß ich das jetzt nicht, dass sich auf jeden Fall diese beiden Planeten dreimal am Himmel zu einer Konjunktion getroffen haben.

      Der Kepler, der alte Fuchs, der war fest von der himmlischen Ordnung überzeugt. Da oben, in diesem dunklen Etwas, regieren mathematische Gesetze, das war Keplers Credo. Ich glaube an die Mathematik!

      Und er hat Recht, und wie. Es geht mir gut, ja, es geht mir gut, es gibt die Gesetze der Natur, die regeln alles. Das hat schon Pythagoras erzählt. Kepler und Pythagoras, Demokrit und Einstein, alles gute Freunde! In der Hoffnungslosigkeit der dunkelsten Dunkelheit verschaffen einem die Alten, die guten Alten eben doch Trost, die wussten nämlich, wo es langgeht. Nur ich schwimme. Ich schwimme auf dem Atlantik und glotze.

      Wäre ich zuhause, würde ich wahrscheinlich jetzt auch glotzen, auf die Glotze. Mein neuer Flachbildschirm würde mir die Nachrichten aus aller Welt präsentieren. Das Meiste wahrscheinlich irgendwelche Krisen, Katastrophen und Konjunkturmeldungen.

      Heute Abend glotze ich mal was ganz anderes: Tatort Atlantik. Wie lange ist der Mann schon tot? War die Spurensicherung schon da? Ach ich sehe und höre meine Helden, Professor Börne und Hauptkommissar Thiel alias Jan Josef Liefers und Axel Prahl, assistiert durch Silke Haller alias Alberich, gespielt von Christine Urspruch!

      Noch bin ich aber nicht tot, ich glotze und staune über den bestirnten Himmel über mir. Hey, Immanuel du auch hier? Spät kommst Du, doch du kommst. War ja auch klar, einer der größten Kleinen der Menschheitsgeschichte darf doch beim finalen Rapport nicht fehlen. Was kann ich wissen? Zum Beispiel über den gestirnten Himmel über mir. Wie viel Wissenschaft ist nötig, und was kann ich bereits mit meinem nicht mehr ganz so gesunden Menschenverstand verstehen?

      Also, ich sehe Lichter am Himmel. Jeder weiß, das sind Sterne! Abgesehen von den Planeten, sind die funkelnden Lichter am Nachthimmel Sterne. Wenn es keine Flugzeuge sind, klar. Aber ich meine jetzt wirklich nur die Sterne. Die Sterne leuchten, weil sie strahlen, das heißt, sie werden nicht von der Sonne angestrahlt, sondern sie strahlen selbst.

      Ich könnte mich kaputtlachen, wie oft irgendjemand erzählt hat, dass Sterne doch angestrahlt würden, und nur deshalb könnte man sie sehen. Das waren die gleichen Leute, die behauptet haben, die Erde verlöre ihre Atmosphäre, wenn ihr Magnetfeld verschwände. Die haben einfach keine Ahnung, es liegt alles an der GE, ERR, A, VAU, I, TE, A, TE, I, O, EN: Gravitation – ihr Banausen. Hier draußen kann man ja auch mal richtig schreien. Schwerkraft auf Deutsch, die schwächste aller Kräfte im Universum heißt ausgerechnet Schwerkraft. Ich lach mich tot!!! – schön wär’s.

      Sie hält mich hier und sie drängt mich zum Erdmittelpunkt, sie wird mich untergehen lassen, sie hält die Luft zum Atmen, und sie hält die Sterne zusammen. Hatte ich das vergessen?

      Nein!

      Nur verdrängt, hier geht es jetzt nicht um mich, sondern um die Sterne. Obwohl, ich bestehe zu 92 Prozent aus Sternenstaub, also geht es doch um mich, irgendwie. Diese Sterne, unglaublich. Und ich kann sie nur sehen, weil zwischen meinen Augen und dem Stern nichts ist, was das Licht des Sterns verschluckt hat. Sonst würde ich den ja gar nicht sehen, ha! Das ist doch stark: Ich schließe aus der Tatsache, dass ich etwas sehen kann, dass da nichts im Wege steht, das mir die Sicht verstellt. Das ist logisch und das ist gut so. Weil es logisch ist, versteht es jeder!

      Logische Erklärungen sind sehr überzeugend, weil sie einleuchten, so auch bei den Sternen: Wenn ich ihr Licht sehen kann, dann ist es bei meinen Augen angekommen und mein Hirn kann aus dem Licht der Welt etwas machen. So, und deshalb muss das Universum ziemlich leer sein, aber ich bin da! Das Universum mag noch so leer sein, die Erde ist da, ich bin da und ich wollte bei aller Leere eben doch Inventur machen. Die Auflistung der Dinge, die da sind.

      Wie viele Sterne gibt es? Mal zählen, also wenn ich im Westen anfange, ja, da ging die Sonne vorhin unter, dann sind das, Moment das könnte jetzt dauern …

      Blödsinn, kein Mensch zählt Sterne im Angesicht des nahenden Endes. Denk nach, es gibt 100 Milliarden Sterne in unserer Milchstraße, es gibt 100 Milliarden Milchstraßen, das macht dann 1022 Sterne, das sind zehntausend Trillionen.

      Sterne sind strahlende Gaskugeln und von denen gibt es eine ganze Menge! Und warum gibt es die Dinger? Weil ihre eigene Schwerkraft sie zusammenhält und derart zusammenpresst, dass sich in ihrem Allerinnersten, im Kern des Sterns, Atomkerne einander so nahe kommen, dass sie miteinander verschmelzen.

      Atomkerne fusionieren in Sternen. Bei diesen Joint Ventures wird Bindungsenergie frei und die will raus; die drängt an die Oberfläche des Sterns, verursacht also einen Druck, der nach außen hin abnimmt. Am höchsten ist der Druck der freigewordenen Energie natürlich im Zentrum des Sterns, und je weiter man vom Zentrum entfernt ist, umso niedriger ist er. Es ist dieser Druckunterschied, der einer Kraft entspricht.

      Oh, wie ich diese Physik liebe. Man versteht etwas, kann es ausrechnen, kann sich ein Bild machen – selbst von Dingen, die man gar nicht sehen kann. Was sich im Innersten eines riesigen Gasballes abspielen muss(sssss)!!! Das geht gar nicht anders, es muss so sein, dazu gibt es keine Alternative, nichts, nothing, rien!

      Die Schwerkraft des Sterns erzeugt den Gegendruck, der nach innen hin wirkt und den Druck nach außen balanciert. Wunderbar! Sollte der Stern mal etwas zu viel Energie freisetzen, sich deshalb ein bisschen aufblähen, dann holt ihn seine eigene Gravitation wieder zurück.

      Drückt des Sternes Masse sein Innerstes zu sehr zusammen, dann verschmelzen einfach mehr Kerne, es wird heißer und der Stern kollabiert nicht mehr, sondern dehnt sich wieder aus. Ein Stern ist mit sich im Reinen, solange er in Ruhe Wasserstoff zu Helium verschmilzt. Er weiß, was er ist, wo er ist und wo er hin will.

      Ich bin jetzt auch mit mir im Reinen, ich werde jetzt schön einschlafen. Vielleicht ist das mit dem Zählen doch nicht so blöd. Sterne statt Schafe zählen …

      Ich mache meine Augen auf und das Licht der Sterne ist immer noch da, aber es sind jetzt andere Sterne, da hat sich was getan am Himmel. Der Himmel dreht sich um mich. Eine schöne Vorstellung, dass sich


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