Эротические рассказы

Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy - Heinrich Mann


Скачать книгу
nur; man vernahm das Rauschen der Brunnen. Der Scirocco schlich faul, schwül, mutlähmend über den Köpfen hin.

      Unversehens, wie nach schweigender Übereinkunft, gelangten alle auf die Piazza della Colonna und blieben dort versammelt, still, traurig und widerspenstig. Plötzlich stand Pavic auf einem umgestürzten Handwagen, mit dem Rücken an der zweitausendjährigen Säule, und begann zu sprechen. Zum zweiten Male seit vielen Wochen begleitete wieder das Murmeln erregbarer Gemüter seine Worte. Er fühlte wieder die Herzen der Seinigen ihn warm umzittern und war glücklich. Da kam im Laufschritt durch die engen Gassen eine Infanteriekolonne daher. Am Eingang des Platzes machte sie halt, pflanzte die Bajonette auf und rückte langsam vor. Das Volk wich zurück, quoll zur Seite auseinander und zerstreute sich in die Straßen. Nur um die Säule herum staute sich ein Haufe, vom Militär eingeschlossen, durch die Rednertribüne behindert. Die hereindringenden Stoßeisen warfen alles um. Eins richtete sich drohend gegen die Brust eines ratlosen Alten. Es war der Vater eines dort unten erschlagenen Kriegers, er sah noch nichts vor den Tränen, die Pavic' Rede ihm in die Augen getrieben hatte. Er schien verloren. Pavic beschwor, die Hände ringend, laut seine Angreifer. Aber er verstand, was die blaß zu ihm erhobenen Gesichter von ihm verlangten. »Rette den Alten!« stand auf allen. Er fuhr zurück: sein Blick hatte den der Herzogin getroffen. Sie lehnte in ihrem Fensterrahmen und sah ihn starr an. Sie öffnete den Mund und schrie Worte, die in einem Angstruf des Volkes untergingen. Pavic kannte dennoch jedes von ihnen: »Spring hinab! Decke den Alten!« so befahl sie. Der Alte lag schon am Boden, mit etwas Blut auf dem zerrissenen Hemd. Pavic, leichenfahl, griff sich ans Herz. Dann drang eine jähe Purpurröte durch seine zarte Haut. Hastig kletterte er von seinem Piedestal, erfaßte den Knaben, der hinter ihm an der Säule kauerte, und verschwand im Portal des Palais Assy.

      Rustschuk ward inmitten einer Rotte Zuschauer von zwei grinsenden Unteroffizieren festgehalten. Sein Bauch schlotterte; er wies mit peinvoll zappelnden Gliedern, den harten Hut im Nacken, auf den vorübereilenden Tribunen, plappernd in übermäßiger Angst:

      »Der dort hat alles allein getan, glauben Sie mir doch, meine Herren! Ich bin ein schlichter Kaufmann ... Überhaupt habe ich mit der Dame gar nichts zu tun!«

      Pavic stieg langsam, gesenkten Hauptes die Treppe hinauf. Ihm war es zumute, als stellte er sich nach einer Schandtat dem Gericht. Der Alte hatte geblutet! Pavic erschauerte tief, sobald er es sich vorstellte. Er gedachte der Herren Paliojoulai und Tintinovitsch, jener durchgeprügelten Eindringlinge. Oh, er hatte es nicht, wie die Herzogin meinte, eigenhändig getan. Er hatte es niemals übers Herz gebracht, ihr zu gestehen, daß sein Diener es gewesen war, ein riesiger Morlak, der die feinen Hofleute windelweich schlug. ›Ja, als sie gingen‹, so dachte Pavic, verloren in einem Bilde des Entsetzens, ›da troff es rot von ihren Stirnen!‹

      »Und ich bin doch ein starker Mann!« murmelte er vor der Tür des Boudoirs. Sie kam ihm rasch entgegen. Er sagte unsicher:

      »Hoheit, es ist nur ein Opfer zu beklagen.«

      »Nein zwei: der Bauer und Sie!«

      Er zuckte zusammen und schlug die Augen nieder. Sie stand so bleich, in so schwarzen Haaren und so starr wie an dem Tage, da er sie vergewaltigt hatte als ein empörter Sklave. Heute war sein Gewissen noch schlechter.

      »Daß ein Bauer gespießt wird«, versetzte sie, »ist ein belangloser Zufall. Aber meine Sache verlangte, daß Sie ihn retteten.«

      »Hoheit, ich bin auch Vater.«

      »Oder, wenn Ihnen das näherliegt: Sie lassen sich von der Liebe des Volkes mit Romantik umgeben, aber für einen Bauern, der gespießt wird, rühren Sie keine Hand.«

      Er faßte den Knaben, der an seinen Rockschößen hing, und schob ihn ihr unter die Augen.

      »Hoheit, ich bin auch Vater.«

      »Ach ja, immer das Kind! Sie langweilen mich unsäglich mit dem Kind. Können Sie ihm keine Bonne halten?«

      »Ich liebe es sehr ...«

      Er fügte nachdenklich, fast verwundert, wie eine Erkenntnis, die ihm im selben Augenblick aufging, die Worte hinzu:

      »Gerade das gefällt dem Volk ...«

      »Dann wählen Sie zwischen mir und dem Volk!«

      »Hoheit! Ich sollte also mein Kind zur Waise machen und ... und ... mich opfern?«

      »Ist das nicht selbstverständlich?«

      Sie wandte ihm den Rücken. Er rang nach Luft. Kannte sie denn gar kein Erbarmen? Er begann Beteuerungen zu stammeln.

      »Mich opfern ... Ja, gewiß, ich opfere mich. Aber muß ich mich von betrunkenen Soldaten zerfleischen lassen? Gibt es kein würdigeres Opfer? Hoheit, ich bringe täglich Opfer des Geistes und des Herzens. Mich und mein Wort hetzen die Gewalten wund. Ich werde noch mit blutenden Augen der Qual meines Volkes zusehen müssen – durch die Gitterfenster des Kerkers. Hoheit, ich saß schon einmal im Kerker ...«

      Er wartete vergeblich auf Antwort.

      »Wer opfert sich denn gleich mir? Ah! Rustschuk! Frau Herzogin, hören Sie, Rustschuk – wissen Sie, wie ich ihn eben noch getroffen habe? Drunten, zwischen zwei Unteroffizieren – und er verleugnete Sie! Er schob, toll vor Feigheit, alles auf mich, und Sie, Frau Herzogin, verleugnete er laut!«

      Sie zuckte die Achseln.

      »Rustschuk! Er versteht etwas von Geldsachen. Weiter verlange ich nichts von ihm.«

      »Keine Ehre? Man möchte die Leute, mit denen man umgeht, achten können.«

      »Ich habe das nicht nötig ... Rustschuk ist wegen des Geldes da. Sie, Herr Doktor, sprechen von Freiheit. Er darf als Wucherer leben, Sie mußten als Freier –«

      ›Sterben‹, so sprach er in Gedanken zu Ende. Er wagte ihr nicht nachzusehen, wie sie hinausging. Er hatte sich dem Gericht gestellt und war verurteilt.

      Draußen fing eine ohnmächtige Sucht nach Wiedervergeltung in ihm zu brüten an. ›Schließlich habe ich sie doch besessen!‹ sagte er sich und ballte die Faust in der Paletottasche. ›Es war falsch, daß ich damals Reue zeigte! Ich hätte sie demütigen sollen, ihr klarmachen, daß das Geschehene besteht und niemals verlorengehen kann! Tut sie nicht, als sei gar nichts vorgefallen?‹

      Er machte sich vergeblich Mut: ihm selber war es, als sei gar nichts vorgefallen. Es war ihm unmöglich, sich die Herzogin von Assy noch einmal in seinen Armen zu denken. Und jetzt erst quälte ihn die Lust. Damals war es ein unvorhergesehenes Wagestück gewesen, ein berauschter Tribunenerfolg.

      Pavic genoß nur halb all das Große, das jetzt eintrat.

      Am fünfzehnten Januar ward die Schutzheilige der Diözese Zara durch eine Prozession geehrt. Der Zug bewegte sich vom Dom der heiligen Anastasia durch die lange, gerade Straßenlinie bis zum Sankt-Simons-Platz. Eingebogen auf die Piazza Colonna, machte der Klerus halt, um die Zurückgebliebenen nachrücken zu lassen. Den Mönchen und den geschmückten Schulkindern folgte eine Abteilung Militär. Dahinter gingen städtische Korporationen, und auf ihren Absätzen marschierten wieder Soldaten. In feierlichem Abstände schwankte der Baldachin des Erzbischofs daher; er schritt zwischen zwei Vikaren. Nach ihm kam als Vertreter des Königs Nikolaus Prinz Phili, barhäuptig inmitten seines Hofstaates. Abermals stampften Infanteriereihen das Pflaster. Und eine ungeordnete Menge verstopfte, unablässig nachdrängend, die Zugänge des weiten Platzes.

      Man wartete; die Geistlichen hörten auf zu singen. An ihrer geöffneten Terrassentür, abseits von ihren Gästen, stand die Herzogin von Assy. Kaum drei Minuten vergingen, bis alle, so viele ihrer den Raum füllten, den Blick zu ihr erhoben hatten. Zuletzt merkte der Erzbischof, wie es ringsumher still ward, und sah lächelnd hinauf.

      Da liefen von dahinten, wo ein letztes Gebetemurmeln versiegte, andere Laute durch die langen Menschensäulen. Es war ein Ruf, der die Bürger und die Krieger ergriff. Sie einigten sich in ihm, ihre Reihen vermischten sich, und sie versprachen sich mit Händen und Augen, keiner wolle ferner seine Söhne hinausschicken, um auf die Väter der andern zu schießen; keiner wolle die Faust gegen den uniformierten Sohn eines Freundes


Скачать книгу
Яндекс.Метрика