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Gott - Offenbarung - Heilswege. Hans-Joachim HöhnЧитать онлайн книгу.

Gott - Offenbarung - Heilswege - Hans-Joachim Höhn


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nötig habe, die Strategie steht, das Göttliche so sehr in die Sicherung des für den Menschen Lebensnotwendigen einzubinden, dass Gott zum Inbegriff des Nützlichen wird und darin seine „raison d’être“ besteht. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zur These, dass der religiöse Mensch eigentlich „den Nutzen als die höchste Gottheit verehrt.“20 Auf den Menschen hin gesehen ist ein Glaube, der Gott braucht, ein Ausdruck der Schwäche, „in der der Mensch nicht selbst für seine Lebensbedingungen meint aufkommen zu können und den mächtigen Helfer braucht, der ihm nützlich ist. Auf Gott hin gesehen entlarvt sich der Glaube der Schwachen als Vergöttlichung des Nutzens. … Und Gott kann nichts anderes mehr sein als der, über den nichts Nützlicheres mehr gedacht werden kann.“21 Der „Nutznießer“ dieses Gottes ist der Mensch, so dass sich unweigerlich ein Projektionsverdacht aufdrängt: Gott entspringt dem Nutzenkalkül des Menschen. Er steht für das, wovon der Mensch den größtmöglichen Nutzen ziehen kann.

      Kann aber wirklich nichts Größeres gedacht werden als der Gedanke des Nutzens? Gibt es keine andere Logik, in der gedacht werden kann, worüber hinaus Größeres nicht denkbar ist? Müssen wirklich Notwendigkeit und Nützlichkeit der erste oder alleinige Maßstab für das Selbst- und Weltverständnis des Menschen sein? Wenn erst jenseits von Mittel/Zweck-Kalkulationen dasjenige in den Blick kommt, das es wert ist, um seiner selbst willen zu ihm in ein Verhältnis zu treten, wird dann nicht erst in einem solchen Verhältnis dem Menschen aufgehen können, dass er selbst nicht aufgehen muss in einer von funktionalen Notwendigkeiten beherrschten Welt?

      2 Vgl. L. HONNEFELDER, Woher kommen wir? Ursprünge der Moderne im Mittelalter, Berlin 2008.

      3 Zur Geschichte der Fundamentaltheologie bis ins 20. Jahrhundert siehe M. KNAPP, Die Vernunft des Glaubens. Einführung in die Fundamentaltheologie, Freiburg/Basel/Wien 2009, 12–48; Ch. BÖTTIGHEIMER, Lehrbuch der Fundamentaltheologie. Die Rationalität der Gottes-, Offenbarungs- und Kirchenfrage, Freiburg/Basel/Wien 2009, 55–76; H. VERWEYEN, Einführung in die Fundamentaltheologie, Darmstadt 2008, 16–61; W. GEERLINGS/G. LARCHER/J. REIKERSTORFER, Apologetische und fundamentaltheologische Momente und Modelle in der Geschichte, in: HFTh2IV (2000) 217–264.

      4 J. WERBICK, Den Glauben verantworten. Eine Fundamentaltheologie, Freiburg/Basel/Wien 2000, XV. Werbick hat erstmals die „demonstrationes“ der Fundamentaltheologie als Streitfälle traktiert und somit ein forensisches Element in sie eingebracht. Allerdings wird nicht recht deutlich, welchen Part die Fundamentaltheologie in den verschiedenen Phasen eines Rechtsstreits vom Ermittlungsverfahren bis zum Urteilsspruch spielt: Übernimmt sie die Pflichtverteidigung des angeklagten Glaubens? Ist sie Kronzeugin? Oder Mitangeklagte? Vielleicht aber auch Nebenklägerin? Sitzt sie am Ende auf dem Richterstuhl? Oder versucht sie sich nacheinander in allen Rollen?

      5 Als Erstinformation über diese Positionen siehe G. M. HOFF, Die neuen Atheismen. Eine notwendige Provokation, Kevelaer 2009; DERS., Religions-kritik heute, Kevelaer 2004.

      6 Zu dieser vor allem von J. ASSMANN, Die Mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus, München/Wien 2003, ausgelösten Debatte siehe S. GRILLMEYER u. a. (Hg.), Eins im Eifer? Monismus, Monotheismus und Gewalt, Würzburg 2010; G. PALMER (Hg.), Fragen nach dem einen Gott, Tübingen 2007; P. WALTER (Hg.), Das Gewaltpotential des Monotheismus und der dreieine Gott, Freiburg/Basel/Wien 2005.

      7 Vgl. hierzu etwa K. WERNER, Geschichte der apologetischen und polemischen Literatur der christlichen Theologie, 5 Bde., Osnabrück 1861–1867.

      8 Als eine ironische Anleitung hierzu liest sich die 1864 posthum publizierte Schrift von A. SCHOPENHAUER, Eristische Dialektik. Die Kunst, Recht zu behalten (Neuausgabe: Frankfurt 2009).

      9 Vgl. H. WALDENFELS, Kontextuelle Fundamentaltheologie, Paderborn/München/Wien/Zürich 1985, 71–60.

      10 Eine eigene literarische Gattung mit unterschiedlichem theologischen Niveau stellt die Dokumentation von Streitgesprächen über Glaubensfragen dar. Vgl. dazu als Auswahl: C. M. MARTINI/U. ECO, Woran glaubt, wer nicht glaubt?, Wien 1998; H. KURZKE/J. WIRION, Unglaubensgespräche. Vom Nutzen und Nachteil der Religion für das Leben, München 22006; J. RATZINGER/P. FLORES D’ARCAIS, Gibt es Gott? Wahrheit, Glaube, Atheismus, Berlin 22009.

      11 Dies gilt vor allem dann, wenn man diese Mitte betrachtet als die Schnittmenge all jener Glaubensvorstellungen, die sich im Christentum und ebenso in anderen Religionen finden oder die von allgemein menschlichen bzw. religiösen Erfahrungen her begründet werden können. In diese Richtung deuten etliche Passagen in D. STEINDL-RAST, Credo. Ein Glaube, der alle verbindet, Freiburg/Basel/Wien 2010.

      12 Ähnliche Auffassungen finden sich auch bei anderen Religionen und im interreligiösen Gespräch. Vgl. dazu U. TWORUSCHKA (Hg.), Die Weltreligionen und wie sie sich gegenseitig sehen, Darmstadt 2008.

      13 Vgl. exemplarisch Th. RUSTER, Glauben macht den Unterschied. Das Credo, München 2010.

      14 Vgl. etwa B. MÜLLER, Schlußstrich. Kritik des Christentums, Springe 22004.

      15 Vgl. auf dieser Linie H. SCHNÄDELBACH, Religion in der modernen Welt, Frankfurt 2009; DERS., Zur Rehabilitierung des animal rationale, Frankfurt 1992, 157: „Das Nachdenken über das, was man hat – oder zu haben glaubt –, ist Philosophie. Also ist das grundsätzliche, systematische Nachdenken über die Religion Religionsphilosophie. Wenn Sie mich fragen: Theologie bräuchte es nicht zu geben.“

      16 Die Fülle des dabei angehäuften Materials bietet auch die Chance, immer wieder Spreu und Weizen zu trennen. Vgl. dazu im Geiste sympathischer Kritik und sanfter Ironie O. KALLSCHEUER, Die Wissenschaft vom Lieben Gott. Eine Theologie für Recht- und Andersgläubige, Agnostiker und Atheisten, München 22008.

      17 Zum Folgenden vgl. ausführlich H.-J. HÖHN, Der fremde Gott. Glaube in postsäkularer Kultur, Würzburg 2008. Zum Ganzen siehe auch die Problemskizze von J. WERBICK, Gottesglaube und Gotteslehre nach dem „Tod Gottes“, in: Ders., Vergewisserungen im interreligiösen Feld, Berlin 2011, 33–59.

      18 Vgl. A. BENK, Gott ist nicht gut und nicht gerecht. Zum Gottesbild der Gegenwart, Düsseldorf 2008.

      19 Zur Rekonstruktion der höchst vielschichtigen Umsetzung dieser Option siehe Ch. TAYLOR, Ein säkulares Zeitalter, Frankfurt 2009.

      20 F. NIETZSCHE, Die fröhliche Wissenschaft, Aphorismus 84 (KSA 3, 439). Vgl. bereits MEISTER ECKHART, Predigt 16: „Aber manche Leute wollen Gott mit den Augen ansehen, mit denen sie eine Kuh ansehen und wollen Gott lieben wie sie eine Kuh lieben. Die liebst du wegen der Milch und des Käses und deines eigenen Nutzens. So halten’s alle jene Leute, die Gott um äußeren Reichtums oder inneren Trostes willen lieben; die aber lieben Gott nicht recht, sondern sie lieben ihren Eigennutz“ (in: Ders., Deutsche Predigten und Traktate. Hg. v. J. Quint, Zürich 1979, 227).

      21 J. WERBICK, Gott verbindlich. Eine theologische Gotteslehre, Freiburg/Basel/Wien 2007, 48.

      § 2 Streitlust:

      Theologie im Format des Plädoyers

      Auch wer sich in der Kunst der Bestreitung übt, ist dem Ideal der Ausgewogenheit verpflichtet und muss daher ausdrücklich Gegenstimmen zulassen und ihnen zu ihrem Recht verhelfen. Es geht hier nicht um Rechthaberei, denn wo eine Partei Recht hat, sollte ihr auch Recht gegeben werden – selbst wenn es die Gegenseite ist. Alles andere führt zu überflüssigem Theologengezänk. Darauf ist von Anfang an zu achten. Streit, ja – Streiterei, nein! Aber dennoch lebt die Kunst der Bestreitung davon, dass man engagiert Partei für das eigene Anliegen ergreift. Diesem Engagement entspricht als Diskurs- und Sprachstil das Plädoyer. Wer ein Plädoyer hält, weiß darum, dass eine Sache zur Entscheidung ansteht. Darum wird mit aller Entschiedenheit und Eindeutigkeit vorgetragen, was für einen bestimmten Ausgang des Streites spricht. Das Plädoyer zielt auf einen Konsens, wo noch ein Dissens besteht. Es wirbt für eine Überzeugung, die noch nicht von allen geteilt wird. Es steht am Ende eines Prozesses der Wahrheits- und Rechtsfindung, aber es beansprucht nicht das letzte Wort. Nach der Beweisaufnahme, der Anhörung der miteinander streitenden Parteien, der Einvernahme von Zeugen und Sachverständigen


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