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Taxi nach Paris. Ruth GogollЧитать онлайн книгу.

Taxi nach Paris - Ruth Gogoll


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nicht. Nach einer Sekunde begriff ich. »Sieh mich an, bitte«, bat ich. Sie wandte mir ihr Gesicht zu. Wenn sie doch nicht immer alles tun würde, was ich von ihr verlangte!

      Ihr Bauch hob und senkte sich regelmäßig unter meiner Hand. Ich fuhr tiefer und glitt unter den Stoff. Meine Hand lag auf ihrem Oberschenkel. Sie atmete immer noch ruhig und gleichmäßig. Mir fielen meine Überlegungen von heute früh ein. Vielleicht empfand sie wirklich nichts dabei. Aber letztes Mal . . .? Da war vieles so anders gewesen als heute. Ich zog meine Hand zurück.

      Sie sagte nichts. Sie stützte sich auf einem Ellbogen auf und legte die andere Hand in meinen Nacken. Ihre Lippen öffneten sich. Sie zog mich ein wenig näher zu sich heran und küsste mich. Sie kraulte meinen Nacken, ihr Kuss war vorsichtig forschend. War das Technik Nummer dreihundertvierundzwanzig? Trotz ihrer erfahrenen Zunge sank meine Erregung auf den Nullpunkt.

      Sie bemerkte es. »Mache ich etwas falsch?« Diese freundliche Bereitschaft in ihrer Stimme, dieses Bestreben, es mir in allem recht zu machen. Da war sie wieder, die Professionalität. Aber es war ja auch ihr Beruf! Warum konnte ich das nicht akzeptieren?

      »Nein, nein«, wehrte ich schnell ab. »Es liegt an mir. – Ich bin wohl nicht in Stimmung heute.« Ich wusste, das war eine glatte Lüge, und sie wusste es auch. Ich erhob mich. Ich konnte es nicht und ich würde es nie können. Das war mir jetzt klar. Das letzte Mal, als wir uns gesehen hatten, war alles eine Überraschung gewesen. Diesmal war es geplant –, und das war der Unterschied. Sie blickte zu mir hoch, abwartend, aber – zumindest schien es mir so – ohne besonderes Interesse. »Ich gehe sofort«, sagte ich. »Entschuldige bitte.«

      Sie stand ebenfalls auf, mit einer dieser eleganten Bewegungen, die mich mir ihr gegenüber wie einen Bauerntrampel vorkommen ließen. »Oh, das macht nichts. Ein unverhoffter freier Nachmittag.« Sie lächelte. Wie eine Nachbarin. Eine sehr flüchtig bekannte Nachbarin. Sie machte keinen Versuch, mich zurückzuhalten.

      Natürlich nicht, warum sollte sie? Es lag ihr nichts an mir. Die Fassade hatte ein wenig gebröckelt bei unserem ersten Treffen, aus welchem Grund auch immer. Jetzt war jedenfalls nichts mehr davon zu spüren. Ich merkte, wie mir die Tränen in die Augen zu steigen begannen. Jetzt erst wurde mir bewusst, wie sehr ich mir eine andere Reaktion ihrerseits gewünscht hatte.

      Ich drückte das Brennen in meiner Kehle hinunter und drehte mich um. Mit drei Griffen war ich angezogen. Sie stand immer noch da mit diesem gutnachbarlichen, wohlwollenden Lächeln im Gesicht. »Ich – was bin ich dir schuldig?« Es war schrecklich. Hoffentlich hielt sie sich nicht zu lange damit auf. Gleich würde mir das Wasser in Strömen über das Gesicht laufen.

      Ihr Lächeln hatte sich nicht um die geringste Nuance verändert. Jetzt hob sie die Hand. »Nichts. Deine Küsse waren es wert.«

      Ihr Lächeln machte mich verrückt. Ihre unbeteiligte Haltung führte mir deutlich vor Augen, wie sehr ich mich getäuscht hatte. Verliebtheit kam bei ihr nicht vor. Und ich war offensichtlich nicht die Frau, die sie hervorrufen konnte.

      Dass umgekehrt so sehr das Gegenteil der Fall war, war eindeutig mein Problem. Liebe konnte sie sich in ihrem Beruf nicht leisten. Das hätte mir von vornherein klar sein müssen. Und nur ein an eindeutiger Selbstüberschätzung leidender weiblicher alter Macho wie ich konnte etwas anderes erwartet haben. Ich kriegte jede rum, war es nicht so? Ja, eine ›normale‹ Frau vielleicht, aber sie? Sie hatte mehr Frauen im Bett gehabt, als ich mir überhaupt nur vorstellen konnte.

      Ich sah mich wie in einem Spiegel. Eine mittelgroße weibliche Führungskraft mit typischer Lesbenkurzhaarfrisur auf dem dunkelhaarigen Kopf. – Wäre ein schöner Kontrast zu ihrem Blond. – Hörst du wohl auf! In so einer Situation macht man keine Scherze!

      Doch der relativierende Blick, den mir mein intellektuelles Ich in diesem Moment aufzwang, half mir, meinen Sinn für die Realität wenigstens zum Teil wiederzufinden und die Tränen zu unterdrücken, die ich schon hinter den Augäpfeln gespürt hatte. Ich musste ungewollt lächeln, auch wenn es sicher etwas verrutscht aussah. »Also dann«, sagte ich, um überhaupt noch etwas zu sagen.

      Und sie streckte mir die Hand hin! Automatisch legte ich meine Hand in ihre. Wie unglaublich mir dieser Augenblick erschien . . . eine Ewigkeit von fünf Sekunden. Sie hielt den Knigge genau ein. Sie lächelte immer noch. Ich konnte nicht mehr. Schnell drehte ich mich um und ging zur Tür.

      Als ich sie hinter mir schloss, sah ich in einer letzten Wahrnehmung am Rande meines Gesichtsfeldes, dass sie sich schon umgedreht hatte und zum Schlafzimmer ging. Sie würde ihren unverhofften freien Tag genießen . . .

      Ich drückte auf den Liftknopf – und nahm dann doch die Treppe. Ich ging so langsam hinunter, dass ich jede Stufe einzeln unter meinen Füßen spüren konnte. Am liebsten wäre ich umgekehrt. Es war alles so sinnlos. Da saß ich seit Jahren in meinem Büro, konnte Projekte leiten und ein Projektteam führen, Entscheidungen treffen, die die Firma Millionen kosteten oder sie ihr einbrachten, und was tat ich hier? Ich litt und verzehrte mich nach einer Frau, die es nicht wert war, die mich gar nicht wollte.

      Der Weg nach Hause war mit tränenvollen Einblicken gepflastert. Verschwommen sah ich meine Umgebung an mir vorbeiziehen. Hoffnungsvolle und dann wieder resignierte Gedanken schossen mir durch den Kopf. Vielleicht würde sie doch noch . . . vielleicht auch nicht . . . Sie hatte mich sicher schon längst vergessen. Sie machte einen Ausflug in die nähere Umgebung – ich konnte sie mir gut in einem schicken kleinen Sportwagen vorstellen. Na ja, vielleicht besser in einem größeren, bei ihren langen Beinen.

      Ach, was ging mich das eigentlich an? Was hatte ich mir denn vorgestellt? Das war doch nicht das erste Mal, das ich mich in eine Frau verliebt hatte, bei der es umgekehrt nicht so war. Und es war beileibe nicht das erste Mal, dass ich litt. Und war das jemals von Erfolg gekrönt gewesen? Nein!

      Ich erinnerte mich an eine meiner ›großen Lieben‹ damals im Studentenwohnheim. Sie hatte ihr ähnlich gesehen. Eigentlich hatten sie sich alle ähnlich gesehen. Und sobald ich solch eine blonde, blauäugige Madonna sah, war ich hin und weg. Das war’s doch! Mein Studium hatte gelitten – jede Frau hatte mich mindestens ein Semester gekostet –, und ich hatte gelitten. Was hatte ich davon? Jetzt hatte ich einen guten Job, seit einiger Zeit keine feste Freundin mehr, und eigentlich ging es mir doch gut – oder etwa nicht?

      Aber bei ihr . . . bei ihr war da noch etwas anderes. Eine zusätzliche Empfindung. Frau Gottes! Das hast du dir doch auch jedes Mal eingebildet. Jedes Mal war die Frau etwas Besonderes. Sei bloß froh, dass du ausschließlich männliche Kollegen hast, sonst wäre dort das Chaos auch schon vorprogrammiert. Dann hättest du es sicher keine sechs Jahre bei der Firma ausgehalten.

      Ich musste einsehen, dass sich die Dinge immer wiederholten. Und ich hatte nichts dazugelernt. Eine schöne Frau, zumal, wenn sie blond war, konnte alles von mir haben, und ich verliebte mich fast automatisch in sie.

      Eine meiner Großmütter hatte mir einmal prophezeit, dass ich es nicht leicht haben würde im Leben. Damals hatte mich das geärgert. Aber war es nicht tatsächlich so gekommen? Warum musste ich es mir selbst so unnötig schwer machen? Ich nahm die Erkenntnis mit nach Hause, dass es wohl so sein musste. Auch das keine neue Erkenntnis. Hatte ich das nicht auch schon bei der vorigen Frau gedacht? Und bei der vor-vorigen?

      Die paar Minuten Weg hatten mich zumindest ein wenig zur Ruhe kommen lassen. Dachte ich. Ich legte mich auf meine Ottomane, und schon kam die Sehnsucht wieder: Ich roch sie, ich spürte sie, ich sah sie vor mir. Nicht so, wie sie die meiste Zeit gewesen war, sondern so, wie ich sie mir wünschte. Als die Frau, die mich liebte und mir erlaubte, sie zu lieben.

      Mein Körper sehnte sich so nach ihren Berührungen, dass mir ganz heiß wurde. Vielleicht war es auch nur die unerfüllte Erregung von vorhin. Ich sprang auf und versuchte, mich durch Bewegung abzureagieren. Aber mein Körper ließ sich nicht betrügen. Jedenfalls nicht durch so geringfügige Anstrengungen. Also nahm ich meine Sporttasche und fuhr ins Lady-Fitness-Center.

      Ich zog mein übliches Zwei-Stunden-Programm durch, das ich ohnehin zwei- bis dreimal in der Woche absolvierte, und ging dann noch an die Kraftmaschine. Als ich dort beim besten Willen nichts mehr stemmen oder reißen konnte, weil meine Muskeln flatterten, stieg ich auf eines


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