Geschichte Italiens. Wolfgang AltgeldЧитать онлайн книгу.
später konnte Aribert aber fliehen und nach Mailand, das Konrad inzwischen verlassen hatte, zurückkehren; dieser belagerte daraufhin die Stadt. Ein Versuch des Erzbischofs, Odo von der Champagne als Gegenkönig ins Land zu rufen, scheiterte. Damals ist zum ersten Mal vom carroccio, dem berühmten Mailänder Fahnenwagen, die Rede, den der Erzbischof erfunden haben soll, um die Kampfmoral seiner Bürger zu stärken. Umgekehrt erließ Konrad, um die [37]valvassores auf seine Seite zu ziehen, während der Belagerung am 28. Mai 1037 ein folgenschweres Privileg, das auch für diese Gruppe die Erblichkeit der Lehen einführte.
Konrad II. gilt aus deutscher Sicht als erfolgreicher und tatkräftiger König. In Italien hat er, vor allem in der Mailänder Affäre, ungeschickt agiert. Sein Valvassorenprivileg, entstanden aus dem Versuch, in unteren Bevölkerungsschichten eine Stütze für das Königtum zu finden, stellt eine erste Abkehr vom ottonisch-salischen Reichskirchensystem dar. In die Verhältnisse in Rom griff er, auch aus religiösem Desinteresse, nicht ein.
Heinrich III
Auf Konrad II. folgte in Deutschland und Italien problemlos sein Sohn Heinrich III. nach. In seiner Regierungszeit gewannen die Ideen der Kirchenreform Einfluss auf die dortige Politik. Seit von der Mitte des 10. Jahrhunderts an die unmittelbare Existenzbedrohung der Christen im Abendland durch Wikinger, Sarazenen und Ungarn nachließ, erwachte das Interesse an einer Praktizierung des Christentums, die über den bloßen Vollzug von Riten hinausging und sich auch den geistigen Gehalt der Botschaft zu erschließen versuchte. (Die Jahrtausendwende als möglicher Weltuntergangstermin mochte eine Rolle gespielt haben, darf aber nicht überschätzt werden.) Der Klerus konnte dieses gesteigerte religiöse Bedürfnis jedoch nicht befriedigen. Den Grund dafür sahen die Zeitgenossen in der zu starken Verquickung des weltlichen und geistlichen Bereichs, konkret in der Verfügungsgewalt von Laien über [38]geistliche Ämter, der sogenannten Laieninvestitur, die jetzt als Simonie (Verkauf geistlicher Stellen) gedeutet wurde. Besonders akut war die Frage in Frankreich; dort hatte die Reformbewegung im Kloster Cluny ihr Zentrum. Rom dagegen verschloss sich noch lange den neuen Ideen, obwohl Beziehungen zu Cluny bestanden: Die Päpste waren immer noch Exponenten der Adelsparteien, zumal Heinrich II. kaum Einfluss auf die Politik in Italien nahm und Konrad II. religiös desinteressiert war.
Das änderte sich, als Heinrich III. den Thron bestieg; er war bereits mit den Ideen der Kirchenreform aufgewachsen und persönlich sehr religiös. Mit der Rückständigkeit Roms in dieser Frage wurde er konfrontiert, als er 1046 nach Italien kam, um die Kaiserkrone zu empfangen, denn dafür standen ihm gewissermaßen drei Päpste zur Auswahl: Benedikt IX. (seit 1032/33 im Amt), Exponent des Adelsgeschlechtes der Tusculaner; Silvester III. (seit Anfang 1045), ein Gegenpapst der Partei der Crescentier; schließlich Gregor VI., der Benedikt im Mai 1045 das Papsttum abgekauft hatte, trotz dieses simonistischen Akts persönlich integer war und am ehesten der Kirchenreform zuneigte. Heinrich III. ließ jedoch auf einer Synode in Sutri im Dezember 1046 alle drei Päpste für abgesetzt erklären und erhob stattdessen, nach dem Vorbild Ottos III., Bischof Suidger von Bamberg zum Papst (Clemens II.). Von ihm empfing er am 25. Dezember 1046 die Kaiserkrone, zog dann nach Süditalien, wo er im Februar 1047 in Capua die Normannen belehnte, und kehrte nach Deutschland zurück.
Das Eingreifen des Kaisers hatte der Reformpartei in Rom noch keineswegs zum Siege verholfen; vielmehr zog sich die Entwicklung praktisch noch bis zum Ende des [39]Jahrhunderts hin, führte für drei Jahrzehnte zum Schisma und wurde zudem vom Konflikt zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. überlagert. Zunächst kehrte, als Clemens II. schon am 9. Oktober 1047 starb (eines natürlichen Todes, wie die toxikologische Untersuchung seiner Leiche gezeigt hat, nicht, wie zeitgenössische Quellen behaupteten, vergiftet), Benedikt IX. zurück, starb aber seinerseits schon Ende 1048. Damit überlebte er allerdings den von Heinrich III. ernannten Nachfolger Clemens’ II., Bischof Poppo von Brixen (Damasus II., Papst 17. Juli – 9. August 1048). Es folgten, ebenfalls von Heinrich III. eingesetzt, der energische Leo IX. (zuvor Bischof von Toul) bis 1054 und Viktor II. (zuvor Bischof von Eichstätt) bis 1057.
Die Papstwahlordnung von 1059
Noch vor Viktor II. war 1056 der Kaiser gestorben. Er hinterließ seinen sechsjährigen Sohn Heinrich IV. unter der Vormundschaft der Kaiserinwitwe Agnes, die indes mit dieser Aufgabe überfordert war. Die Reformpartei in Rom nutzte den Freiraum, um eigenmächtig eine Papstwahl durchzuführen. Der neue Papst Stephan IX. starb aber schon 1058. Nunmehr kam es zum Schisma, denn die reformfeindlichen Kräfte wählten im April 1058 den Tusculaner Benedikt X., worauf die Reformpartei im Dezember in Florenz mit der Wahl des Bischofs dieser Stadt (Nikolaus II.) antwortete; Benedikt wurde mit Hilfe des Markgrafen der Toskana und der Normannen von Aversa gewaltsam vertrieben.
Im April 1059 erließ eine Synode im Lateran ein [40]Papstwahldekret, das für künftige Papstwahlen dasjenige Verfahren sanktionierte, das bei Nikolaus’ eigener Wahl angewandt worden war. Das Dekret gab allerdings keine vollständige Verfahrensanweisung, sondern beschränkte sich auf die Klarstellung einiger wichtiger und gefährlicher Punkte. Die Hauptrolle sollten die Kardinalbischöfe spielen, ihrem Vorschlag sollten sich die übrigen Kardinäle und der Klerus anschließen; auch einige wenige Laien konnten zugezogen werden. Zu wählen war ein römischer Kleriker, die Wahl sollte in Rom stattfinden; von beiden Bedingungen konnte aber notfalls abgewichen werden, vor allem, um etwaiger Simonie (d. h. weltlicher Einmischung) vorzubeugen. Dabei wurde der römische Adel, von dem solche »Simonieversuche« erfahrungsgemäß am ehesten zu befürchten waren, mit den stärksten Negativausdrücken belegt; seinen Einfluss auszuschließen, war das eigentliche Anliegen des Dekrets. Im selben Jahr 1059 fand auch die päpstliche Belehnung der Normannen statt, die sich im Lehnseid ausdrücklich zum Schutz der Papstwahl verpflichteten.
Als Nikolaus II. 1061 starb, musste das Papstwahldekret seine Bewährungsprobe bestehen; aber seine Regelungen versagten, sowohl bei dieser als auch bei den kommenden Wahlen. Es entstand wieder ein Schisma, denn die Reformfeinde wandten sich an die Regentin Agnes und baten um die Designation eines Papstes; Agnes benannte im Oktober 1061 Cadalus (Honorius [II.]). Dagegen wählten die Reformer Ende September 1061 in Siena Bischof Anselm von Lucca (Alexander II.). Zwischen beiden kam es zum gewaltsamen Kampf um Rom, wobei sowohl der Markgraf von Tuszien als auch die Normannen von Aversa [41]intervenierten. Honorius verlor jedoch seinen Rückhalt am Kaiserhof, als die Regentin 1063 durch den Staatsstreich von Kaiserswerth entmachtet wurde, so dass sich Alexander durchsetzen konnte. Schon die Zeitgenossen bemerkten allerdings, dass weniger der Papst als vielmehr der Archidiakon Hildebrand die päpstliche Politik leitete.
Gregor VII
Als Alexander II. 1073 starb, hatte der seit 1064 volljährige König Heinrich IV. noch nicht in die italienischen Verhältnisse eingegriffen; zwei Versuche eines Romzuges 1065 und 1067 waren aufgrund politischer Schwierigkeiten in Deutschland gescheitert. So konnte er bei der Papstwahl übergangen werden, und dies umso eher, als sie unter tumultuarischen Umständen stattfand: Die Leichenfeier für Alexander II. ging unversehens in eine Wahlversammlung über, bei der die Bevölkerung den Archidiakon Hildebrand als Papst (Gregor VII.) forderte und Klerus und Kardinäle nachträglich zustimmten. Die Irregularität der Vorgänge, die die Wahlordnung von 1059 auf den Kopf stellten, bestätigen Gregors eigene Briefe.
Die größte Bedrohung für den neuen Papst ging von dem Normannen Robert Guiskard aus, der trotz seiner Lehnshuldigung eine aggressive Politik zu Lasten des Kirchenstaates betrieb. Gregor verweigerte ihm deshalb 1073 die Lehnsmutung, exkommunizierte ihn 1074 und 1075 und unternahm 1074 sogar einen Kriegszug gegen ihn, der aber wie alle Militäraktionen der Päpste in Süditalien scheiterte.
In dieser Situation war Gregor auf ein gutes Verhältnis [42]zu Heinrich IV. bedacht. Zwischen dem König und der Kurie bestanden noch von der Zeit Alexanders II. her wegen der Ereignisse in Mailand Spannungen. Dort war es seit 1057 (bis etwa 1075) zu einer gewalttätigen Variante der kirchlichen Reformbewegung gekommen: Die Volksbewegung der Pataria (so genannt nach dem Mailänder Trödelmarkt) versuchte, eigenmächtig gegen »simonistische« Kleriker vorzugehen. Erzbischof Wido stand den Vorgängen taten- und wohl auch verständnislos