Rebellen gegen Arkon. Hans KneifelЧитать онлайн книгу.
ein warnender Aufschrei des Extrasinns entriss mich der beginnenden Lethargie. Bevor der Unbekannte sich herumwälzen konnte, presste ich ihn mit meinem ganzen Gewicht auf die Koje.
»Wer hat Sie … geschickt?«
Stockend kam die Frage über meine Lippen.
Ein kaum verständliches Gurgeln antwortete mir. Nur bruchstückweise reimte ich mir zusammen, was ich da eben gehört hatte. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Im ersten Moment war ich versucht, meinen Gegner niederzuschlagen. Aus Wut und maßloser Enttäuschung.
Warum tust du es nicht, Barbar?
Spöttischer hätte die Bemerkung des Extrasinns nicht sein können.
Ich biss die Zähne zusammen und versuchte mit einem Kopfschütteln, die grässliche Benommenheit zu vertreiben. Trotz der beruhigenden Impulse des Aktivatorchips kämpfte ich bereits gegen eine beginnende Ohnmacht.
»Wer …?«, herrschte ich meinen Gegner an. »Die Wahrheit, oder …«
»Die Prinzessin …«, stieß der Kerl hervor. »Prinzessin Tamarena!«
Er schien förmlich unter mir zu explodieren. Ich spürte seine Reaktion, aber ich reagierte zu langsam. Sein Schädel traf mein Gesicht, ein Tritt in die Magengrube schleuderte mich rückwärts.
Tamarena, hallte ein schreckliches Echo durch meine Gedanken. Obwohl ich sie erst seit wenigen Tagen kannte, schien sie eine der Frauen zu sein, die mir altem Arkoniden durchaus gefährlich werden konnten.
Liebe und Tod lagen schon immer nah beieinander.
Der Kommentar des Extrasinns war bissig wie immer.
Ein Schatten sprang mich an. Vergeblich riss ich die Arme zur Abwehr hoch. Gemeinsam stürzten wir zu Boden und wälzten uns ineinander verkrallt herum. Zwei kräftige Hände umklammerten meinen Hals.
Ich bekam keine Luft mehr. Mein Aufbäumen und der Versuch, den Gegner abzuschütteln, blieben wirkungslos. Er lachte heiser.
»Sie sterben als Erster, Has‘athor. Und nach Ihnen wird Traversan seine gerechte Strafe erhalten.«
Has‘athor nannte er mich, einen Admiral vierter Klasse und Einsonnenträger. Er unterschätzte mich.
Es ist wahrlich beruhigend, mit solchem Wissen in den Tod zu gehen.
Vor meinem inneren Auge explodierten Sonnensysteme. Alles in mir schrie danach, tief und lang anhaltend einzuatmen. Ich konnte es nicht. Dabei schnappte ich wohl nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen, aber die Finger des Gegners lagen wie Schraubzwingen um meine Kehle. Meine Sinne begannen zu schwinden.
Viel zu selten hatte ich mir Gedanken über den eigenen Tod gemacht. Wer wie ich die relative Unsterblichkeit besitzt, der denkt nicht so häufig darüber nach. Mit der Empfindlichkeit einer Mimose müsste ich sonst nach Jahrtausenden auf die eigene körperliche Unversehrtheit achten und die Unsterblichkeit nur noch als Fluch und Behinderung empfinden.
Kämpfe, du Narr! Oder wir sterben beide!
Der Aufschrei des Extrasinns, zum ersten Mal seit langem von Panik erfüllt, reißt mich aus der Lethargie. Aber den stahlharten Griff kann ich nicht abschütteln, ich …
… fühle, verzweifelt um mich tastend, einen kühlen Gegenstand unter meiner Hand. Es ist der Griff der Vibratorklinge. Schon auf dem Grat der Bewusstlosigkeit balancierend, zerre ich die Waffe hoch und stoße zu.
Ein gurgelnder Aufschrei beweist, dass ich getroffen habe. Jäh weicht die Last von mir. Keuchend, hustend und nach Luft ringend wälze ich mich auf die Seite. Der Dolch ist mir schon wieder entglitten, aber das spielt keine Rolle mehr. Wie flüssiges Feuer tobt der Sauerstoff durch meine Lungen. Ich glaube innerlich verbrennen zu müssen und atme dennoch hastig ein, bis ich hustend und mit dem schalen Geschmack von Blut auf den Lippen ins Leben zurückfinde.
»Sie sterben trotzdem«, keucht der Unbekannte.
Egal, wie ich ihn verletzt habe, falls noch Gift an der Klinge war, und das dürfte der Fall gewesen sein, kann er mir kaum noch gefährlich werden. Vielleicht rettet schnelle medizinische Hilfe sein Leben.
»Sie entkommen mir nicht«, bringt er stoßweise hervor.
Ich komme schwankend auf die Beine, versuche das Gefühl zu ignorieren, dass die ganze Welt sich rasend schnell um mich dreht.
»Wir werden gemeinsam zur Hölle fahren, Has‘athor …«
Ich mache einen Schritt, dann einen zweiten – der Kabinenboden wird zur Achterbahn. Er springt mir entgegen und fällt sofort wieder rasend schnell zurück und lässt mich, mit den Armen rudernd, scheinbar im Nichts hängen. Mein Gleichgewichtssinn ist völlig aus den Fugen geraten.
Ein wirres Lachen erklingt. Als es abrupt abbricht, fällt ein Gegenstand zu Boden und rollt einige Meter weit. Trotz meiner Benommenheit höre ich das Geräusch fast überdeutlich. Ein düsterrotes Glimmen entsteht in der Dunkelheit …
… und beginnt zu blinken.
Das ist eine Thermoladung, die ihre Energien freisetzen wird, sobald das Blinken endet. Ich weiß nicht, auf welche Verzögerung sie eingestellt ist. Vielleicht sind es nur wenige Sekunden …
Alles dreht sich und wogt auf und ab. Ich stolpere, spüre eine Wand, habe dennoch das Gefühl, mich im Kreis zu bewegen. Wie viele Sekunden geht das schon? Eine Ewigkeit.
Du hast Zeit, Atlan – genügend Zeit.
Seltsam, aber ich glaube dem Extrasinn nicht.
Endlich, das Schott. Aber es öffnet sich nicht. Zum zweiten Mal schlage ich auf die positronische Verriegelung.
Das Blinken hat aufgehört. Unerbittlich wie das Auge eines Dämons starrt das rote Glühen mich an.
Viel zu langsam gleitet die stählerne Wand auf. Ein schmaler Spalt entsteht. Noch bevor ich mich hindurchzwängen kann, zündet die Thermoladung in einer blendenden Lichtfülle. Schützend reiße ich die Arme hoch, aber das alles verbrennende Feuer ist überall. Ich fühle mich emporgewirbelt und spüre noch die sengende Hitze auf der Haut …
… dann erlischt jede Wahrnehmung.
Ich höre Stimmen. Sie kommen näher. Mehrere Personen reden von Vergeltung. Unsicherheit schwingt in ihren Worten mit, aber auch unbeugsamer arkonidischer Stolz.
Vorübergehend gebe ich mich der Illusion hin, zu Hause zu sein.
Du bist ein unverbesserlicher Narr. Der Extrasinn will mich provozieren, aus welchem Grund auch immer. Dies ist nicht deine Gegenwart, ebenso wenig deine Vergangenheit – und das Tai Ark‘Tussan, das Große Arkon-Imperium, wird dir deine Verdienste um Traversan bestimmt nicht in barer Münze vergelten.
»Keon‘athor Atlan ist aus dem Koma erwacht!«, erklingt ein überraschter Ausruf. »Die Gehirnströme zeigen endlich annähernd normale Werte.«
»Könnt Ihr mich verstehen, Admiral?«
Jemand beugt sich über mich und prüft die feste Verbindung etlicher Sensoren mit meiner Haut.
»Es ist ein Wunder, dass Ihr überlebt habt. Der Attentäter benutzte ein tödlich wirkendes Gift. Im Allgemeinen führt es innerhalb weniger Minuten zum Verlust der psychischen Kontrolle. Der Zusammenbruch aller Körperfunktionen und damit der Tod tritt nach knapp einer Stunde ein.«
»Wir vermuten, dass der Attentäter Ihnen unter der Einwirkung des Giftes Informationen entlocken wollte, Admiral Atlan«, fuhr eine zweite Stimme fort. »Kannten Sie den Mann?«
Sie wissen, dass du die Frage verstanden hast, raunte der Extrasinn. Deine Gehirnströme und der Hautwiderstand verraten es ihnen.
Wissen Sie auch, dass ich erfahren habe, wer hinter dem Attentat steht?, fragte ich ebenso lautlos zurück.
Glaubst du diese Lüge? Sie sollte dich verunsichern.